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Zähe Durchhaltekraft des Irak

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In seinem zweiten Monat wird der irakisch-iranische Krieg immer mehr zu einer Auseinandersetzung, deren Entscheidung gar nicht so sehr an der räumlich eng begrenzten Front von Chuzistan, sondern im Hinterland mit der politischen und wirtschaftlichen Durchhaltekraft der Regierungen in Teheran und Bagdad zu fallen droht. Vor diesem Hintergrund wird gerade die irakische Taktik verständlicher, nur einen beschränkten Krieg um Abadan . und Choramschahr zu führen, damit aber den iranischen Lebensnerv Erdöl zu durchtrennen.

Das islamische Revolutionsregime hatte seine zehn Millionen Arbeitslosen bisher mit Petrodollars durchfüttern, die vom Schah übernommenen Truppen dank pünktlicher und großzügiger Besoldung erstaunlich zuverlässig und effektiv bei der Stange Chomeinis halten können. Spätestens mit November setzt aber auch hier die kalte Jahreszeit ein.

Während sich die Irakis mit dem Bau von Asphaltstraßen in ihren Eroberungen auf die Regenzeit vorbereiten, ist es in Teheran außerdem sehr fraglich geworden, wie die Ayatollahs ihrem Volk den nötigen Brennstoff und Lebensmittelimporte zum inneren Einheizen ohne öl aus Abadan und ohne Deviseneriöse herzaubern wollen. Dann könnte die nackte Not der persischen Massen gebieterischer als ihr falscher Glaubenseifer werden.

Der Irak, dem durch die spektakuläre Gefangennahme des iranischen Erdölministers dieser Tage auch ein starker psychologischer Erfolg zuwuchs, scheint für eine lange Auseinandersetzung an der Heimfront besser gerüstet zu sein. Hinter dem türkischen Zollposten im Tigristal, vdn wo noch eine Art kleiner Grenzverkehr nach dem Nordirak ohne viele Formalitäten ermöglicht wird, ist zunächst vom Krieg fast gar nichts zu merken.

In Mossul herrscht dann zwar am Abend totale Verdunkelung, doch geht das Leben ziemlich normal weiter. Man darf die Brücken passieren und sich selbst ein Hotel suchen, während drunten in Bagdad und schon gar gegen Basra zu alle Korrespondenten nur am Gängelband der Regierungskontrolle zu wohnen und zu laufen haben.

Nach einer Nacht ohne Sirenen - die massiven Luftangriffe der Perser gegen die irakische Etappe scheinen von neuen Abwehrraketen abgewendet zu sein - bietet Mossul tagsüber ein nicht nur wohlgeordnetes, sondern vor allem wohlversorgtes Bild. In vollen Läden gibt es noch immer so gut wie alles einzukaufen, obwohl natürlich jeder Haushalt in den ersten Kriegstagen seine Hamsterreserve eingetan hat.

Jetzt macht es sich eben bezahlt, daß der Irak seine Wirtschaft von Anfang an nicht nur am Erdöl orientiert, sondern gezielt vielseitig mit besonderer Förderung der Landwirtschaft entwik-kelt hat. Dazu liefern die intakten Erdölinstallationen bei Mossul immer noch genug, um auch nach der schweren Beeinträchtigung der Vorkommen von

Basra und Kirkuk durch die Kriegsereignisse wenigstens den Eigenbedarf sicherzustellen.

So ist auch die Stimmung in der nordirakischen Metropole alles andere als gedrückt. Für die hier besonders zahlreichen chaldäischen und assyrischen Christen, die früher einmal nicht gerade zu den Sonnenkindern der arabisch nationalen Regime in Bagdad zählten, ist es heute keine Frage, auf wessen Seite sie in dem Konflikt zu stehen haben.

Ihre Glaubensbrüder am Urmiasee, in Isfahan und Teheran haben unter Chomeini genug erlitten, daß hier jetzt in allen Kirchen, für Iraks Präsidenten Saddam Hussein gebetet wird. Würde jenseits der Grenze noch der Schah regieren, so wäre die pro-irakische Begeisterung sicher nicht so groß.

Dasselbe gilt für die irakischen Kurden. In.Erbil, der Hauptstadt ihrer autonomen Region, sitzen die kurdischen Demokraten aus Iran und warten auf den Tag X, an dem der Irak zum Großangriff der gesamten Grenze übergeht. Ebenso Gewehr bei Fuß stehen in Bagdad aus Flüchtlingen reorganisierte Einheiten der kaiserlich-iranischen Armee und Gendarmerie.

Wann immer ich die FURCHE zur Hand genommen habe, ich habe sie noch immer mit intellektuellem Genuß gelesen und mit informativem Gewinn aus der Hand gelegt.

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