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Zähes Ringen um die Kunden

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Die Veränderung derpolitischen undwirtschaftlichenVerhält- nisse in Jugoslawien und Ungarn hat eine wirtschaftliche Renaissance im Südosten Österreichs eingeleitet.

Jede Euphorie über diese Entwicklung ist verfrüht, aber es ist e jn Klimawechsel erkennbar, der in der Süd- und Oststeiermark sowie im angrenzenden Burgenland eine Wiederbelebung unterbrochenen wirtschaftlichen Lebens immerhin wieder zuläßt. In dem lange Jahre toten Grenzraum beginnt langsam neues Leben zu keimen. Dabei ist die Entwicklung so unterschiedlich wie Art und Tempo der Liberalisierung in den beiden Ländern. Während Ungarn schon 1984 eine Wirtschaftsreform in Gang setzte, die seit 1988 in eine fast zügellose Liberalisierung mündet, werden die theoretischen Wirtschaftsreformen Jugoslawiens durch das praktische Polit-Chaos mehr als gebremst.

Die von den Nachbarn induzierte Renaissance erfaßt in Südostösterreich sowohl den Einzelhandel vom kleinen Fachgeschäft bis zum Supermarkt, als auch das produzierende Gewerbe und die Industrie. Dabei gilt es, junge Vorurteile rasch wieder abzustellen. Denn speziell die ökonomische Öffnung der Ungarn ist von oststeirischen Wirt- schaftstreibenden nach der Aufhebung der Visapflicht bisher eher kritisch beurteilt worden. Extrem niedrige Preise etwa für Lebensmittel oder Dienstleistungen (Dentist, Friseur, Schuster) in Ungarn provozierten seit Anfang 1988 einen vorübergehenden Kaufkraftabfluß nach Osten, der in den ohnehin ausgezehrten Grenzbezirken doppelt schmerzlich zu spüren war. Dasselbe gilt für Jugoslawien mit seinen billigen Restaurants und neuerdings den Zollfreigeschäften hinter der Grenze, die etwa heimischen Trafiken in Grenznahe bis zu 20 ‘Umsatzprozente „abknöpften“. Rasch war das böse Wort von der Einbahnstraße zur Hand.

Mittlerweile besinnen sich Kaufleute in Bezirksstädten wie Fürstenfeld darauf, mögliche Kunden aus Ungarn mit vertrauten Beschriftungen zu locken und registrieren - oft wahrscheinlich erstaunt - dankbar den Erfolg dieser Art von Flexibilität. In die Einbahnstraße wird so Gegenverkehr gelenkt. Dem hiesigen Handel kommt zugute, daß der Ungar, der in Österreich sein Geld ausgibt, meist ein ausgeprägtes Markenbewußtsein zeigt. Bei Elektrogeräten geht unter „Goren- je“ gar nichts und bei Japanern und Koreanern können die Magyaren fachkundig zwischen Weltmarke und Diskontprofil unterscheiden.

Die von Jugoslawien ausgehenden ökonomischen Impulse in der angrenzenden Steiermark sind weniger eindeutig, die südsteirische Wirtschaft ist damit aber vertrauter. Die Bezirke Leibnitz und Rad- kersburg haben in den vergangenen

15 Jahren wiederholt extrem gute und extrem schlechte Erfahrungen mit den Kunden aus dem südlichen Nachbarland gemacht. Eine Sprachbarriere ist - dank des Interesses der Slowenen - praktisch nicht vorhanden. Bürger Jugoslawiens gehören weiter zur Stammkundschaft in vielen Geschäften, wenn sie jetzt auch sparsamer und gezielter einkaufen und sich wahrscheinlich inoffizieller Handelsströme bedienen.

Die Lockerung der Wirtschaftsbeziehungen hauptsächlich zu Ungarn bringt aber auch neue Dimensionen in den Handel. Meinl etwa ist seit neun Jahren in Ungarn präsent und betreibt acht Filialen in Jugoslawien. Der Grazer Elek- trodiskonter Gaschler wiederum wurde von den Ungarn eingeladen, einen superbilligen Elektromarkt vor den Toren Budapests aufzumachen.

Die steirische Industrie hat historisch teils sehr enge Beziehungen zu den Nachbarländern. Ludwig Pf eif- fer-Lissa etwa, Generaldirektor der Maschinenfabrik Andritz AG in Graz bezeichnet Jugoslawien schlicht als „Heimmarkt“. Das Unternehmen hielt etwa B eteiligun- gen an zwei jugoslawischen Papier fabriken schon lange, bevor der Begriff Joint Venture erfunden war. Natürlich hat die Devisennot Jugoslawiens das Ausmaß der Bestellungen bei den Andritzem spürbar verringert, doch wird der Markt weiter eisern bearbeitet. Erst dieser’ Tage wurde bei einem Kundenmeeting im ehemaligen k. u. k. Kriegshafen Pola (Pula) die enge Beziehung der MFAzu Jugoslawien durch unzählige Treueschwüre zementiert.

Jugoslawiens Devisennot, die Inflation und der politische Hader zwischen den Teilrepubliken stören zwar die Wirtschaft erheblich, können aktiven Untemehmergeist aber nicht unterbinden. Der Fürstenfelder Kaufmann Herbert Depisch, mit 500 Umsatzmillionen heimischer Marktleader im Handel mit selte- nen Metallen und Legierungen, lernte bei seinen jugoslawischen Partnern eine unerhörte Zielstrebigkeit kennen, die aufgehalsten Probleme aus Eigennutz zu meistern. Das gilt besonders für die relativ weltoffenen Regionen Slowenien, Dalmatien und Bosnien. Da er fast ausschließlich in Jugoslawien kauft, gibt es für ihn keine Devisenprobleme.

Anders ergeht es da der Leiterplatten- und Werkzeugschmiede Eumig in Fohnsdorf. Beim Export von Metallwerkzeugen bedient sich Geschäftsführer Helmut Zoidl jugoslawischer Vertreter, die wunder samerweise immer über die nötigen Devisen zur Abwicklung der Geschäfte verfügen. Wie das funktioniert, ist Zoidl schleierhaft. Mangels ähnlich findiger Vertreter mußte die Grazer MAG-Fuchs-Gruppe (Lackdrähte, Lackdrahtmaschinen, Ziegelei-Einrichtungen) zur Erhaltung des Jugoslawien-Exports komplizierte Wege gehen. Drastische Umsatzausfälle brachten Manager Oth- mar Trantina dazu, Maschinenteile in Lohnarbeit an jugoslawische Finnen zu vergeben und so überhaupt noch Bruchteile des früheren Geschäftes zuretten.

Eine eigene Qualität haben aus historischen Gründen die Beziehungen des Papiererzeugers Leykam- Mürztaler AG zu Jugoslawien. Das Unternehmen hatte früher den Beinamen Josefsthal geführt, was auf eine - noch existierende - Fabrik im heutigen Slowenien zurückgeht. Generaldirektor Siegfried Meysel unterhält enge Beziehungen zum Papierkonzem Slowenija, die dieser Tage mit der gemeinsamen Übernahme des umstrittenen Zellstoffwerkes inVil- lach gipfelten. Zusätzlich macht Meysel deutlich, daß die jugoslawischen Zustände das Unternehmen nicht abhalten, geeignete Engagements im Land zu suchen.

Phantasie ist auch bei den industriellen Beziehungen mit Ungarn gefragt Nach anfänglicher Euphorie überwiegt mittlerweile betonte Zurückhaltung bei der Einschätzung der Marktchancen und Wirtschaftsbeziehungen. Das von den Ungarn strapazierte Schlagwort heißt Joint Venture: österreichische Beteiligung an Unternehmungen in Ungarn. Eumig-Manager Zoidl kann sich des Eindrucks nicht erwehren, die Magyaren wollten auf diese Weise „ohne Devisen in die Hand zu nehmen, Know How und Geld aus dem Westen “ kassieren. Leykam-Mürztaler umging ungarische Annäherungsversuche mit der Gründung einer eigenen Vertretung in Budapest, die jetzt zu einem selbständigen Unternehmen ausgebaut werden soll und etwa das Sammeln von Altpapier angehen könnte.

Insgesamt überwiegt der Eindruck, daß - trotz aller praktischen Probleme in Jugoslawien und der beänstigenden Euphorie in Ungarn - die jahrzehntelang benachteiligten Regionen Südostösterreichs im Begriff sind, aus der Nachbarschaft endlich wieder Nutzen zu ziehen. Das zwischenmenschliche Klima über die Grenzen ist hervorragend und unternehmerischer Geist hüben wie drüben tut das übrige, europäische Integration weiter zu fassen, als dies Brüssel gerade im Auge hat.

Der Autor istWirtschaftsredakteur der Grazer JK1 einen Zeitung4’.

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