7055123-1991_15_04.jpg
Digital In Arbeit

Zählung oder Melderegister

Werbung
Werbung
Werbung

Wie sollen Bevölkerungszahlen im Fünfjahresrhythmus erhoben werden?

Wo er nur kann, richtet der niederösterreichische Landeshauptmann Siegfried Ludwig eindringliche Appelle an die Bewohner seines Landes, sich nur ja als Niederösterreicher zu bekennen: bei der Volkszählung am 15. Mai nämlich. Da entscheidet sich, wieviel Geld aus dem Bundesbudgettopf ins Land, vor allem aber in seine Gemeinden fließt.

Nationalratsmandate wandern ja ziemlich gewiß in die westlichen Bundesländer. Aber beim Geld, da besteht vielleicht eine Chance, einiges noch abzuzwacken. Speziell für jene, die im Umland der Bundeshauptstadt Wien wohnen.

Umgekehrt hat auch das Land (die Stadt) Wien größtes Interesse an Köpfen. Diese aber sind oft „zweigeteilt", heißt, auf mehrere Wohnsitze pro Mann, Frau, Kind und Nase aufgeteilt. Dort, wo sich der Mittelpunkt ihres Lebens befindet, dort sollen sie auch gezählt werden. Da sich aber besagter Mittelpunkt im Einzelfall oft schwer definieren läßt - da kann der Zusatzfragebogen noch so ausgetüftelt sein -, ist mit Reklamationen zu rechnen. Um die 100.000 Bürger werden es wohl werden, um die sich nach der Volkszählung die Gemeinden streiten werden.

Muß das sein? Könnte man die Zählungen nicht öfter durchführen, etwa alle fünf Jahre? Schließlich verschiebt sich die Einwohnerzahl einer Gemeinde ja nicht schlagartig, sondern sukkzessive, im Verlauf mehrer Jahre.

Einen solchen Vorschlag brachte Vorarlberg schon vor vielen Jahren aufs Tapet, in der jüngeren Zeit wurde es wieder stiller in der Sache, auch wenn sie das „Ländle"-Me-morandum vom heurigen März fortschreibt: „Die Ermittlung der für den Finanzausgleich maßgeblichen Bevölkerungszahlen hat in Abständen von fünf Jahren zu erfolgen."

Vorteile aus einer öfteren Zählung hätten vor allem die Gemeinden der westlichen Bundesländer, auf Kosten der östlichen. Daher wehrt man sich auch in Niederösterreich beispielsweise vehement dagegen.

Seitens Vorarlbergs wurde ehedem Dänemark als Vorbild herangezogen. Denn dort, so heißt es, funktioniere es j a auch. Warum nicht in Österreich?

Freilich würde es auch in Österreich funktionieren. Wenn es erstens ein zentrales Melderegister gäbe, oder wenn man zweitens das

Herz, besser gesagt das Geld aufbrächte, die Zählungen im Fünfjahresrhythmus durchzuführen.

Die heurige Volkszählung kostet rund eine halbe Milliarde Schilling, die von 1981 schlug lediglich mit 350 Millionen zu Buche. Die Steigerung der Kosten hängt vor allem mit dem Großeinsatz von Gemeindeorganen zusammen, die für ihre zusätzliche Tätigkeit diesmal insgesamt 163 Millionen Schilling erhalten. Gleichgültig, ob zwei, drei oder vier Blatt Papier (Fragebogen) ausgegeben und eingesammelt werden müssen - die Arbeit ist dieselbe.

Von einem Melderegister, wie es etwa in Holland oder in nordischen Staaten vorhanden ist, will man aber bei uns in Österreich nichts wissen. Man erinnere sich in diesem Zusammenhang an die Bundesrepublik Deutschland, wo 1983 die Volkszählung ausgesetzt werden mußte, weil es Widerstände gegen ein Melderegister gab. Derlei dürfte mit der mitteleuropäischen Mentalität zusammenhängen. Das Mißtrauen gegen den großen EDV-Bruder ist bekanntlich groß.

Nicht minder gewichtig ist die erwähnte Stimmung in beziehungsweise zwischen den Bundesländern. Der Anteil der Vorarlberger an der Gesamtbevölkerung stieg in zehn Jahren von rund drei auf vier Prozent an, der der Tiroler nähert sich acht Prozent. In den westlichen Bundesländern ist auch der Kampf um die Zweitwohnungsbesitzer in den Ballungsräumen nicht so stark. Dieser spielt sich hauptsächlich zwischen Wien und Niederösterreich ab, teilweise auch mit dem Burgenland. Insgesamt gibt es in Österreich mehr als 636.000 Zweitwohnungen, die meisten davon sind eben rund um Wien.

Da also Wien und Niederösterreich einerseits, die östlichen und westlichen Bundesländern andererseits in diesen Fragen des Finanzausgleichs nicht einig sind, wird sich auch in Sachen Volkszählung nicht so bald etwas im Sinne des einen oder anderen Wunsches ändern.

Anders gesagt: Die allgemeine Unzufriedenheit ist prolongiert, somit auch die Kopf Jägerei.

Auch der Idee, einfach jeden Wohnsitz als vollwertig anzusehen und Zweitwohnsitze gleichrangig zu zählen, weil ja auch der Zweitwohnungsbesitzer für sein zweites Domizil eine Infrastruktur braucht (Kanalisation, Zuf ahrtswege), wurde mangels Einigkeit nie nähergetreten. Eben aus dem erwähnten Grund, daß die westlichen Bundesländern nicht so extrem mit Zweitwohnungen „gesegnet" sind wie beispielsweise Niederösterreich. Denn der gesamte Finanzkuchen (die gemeinschaftlichen Bundesabgaben), der auf die Gemeinden aufgeteilt wird, blieben ja gleich; und die westlichen Bundesländer hätten das Nachsehen. Außerdem wehrt man sich auch aus prinzipiellen Gründen gegen Doppelzählungen. Die Zahl der Einwohner - bald gegen 7,8 geschätzte Millionen - würde dabei zumindest optisch verfälscht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung