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Zahl der Analphabeten noch im Steigen

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„Das Analphabetentum ist nicht länger trauriges Vorrecht der Entwicklungsländer, wie einige Industriestaaten, die unter einem Rückfall in das Analphabetentum leiden, zu erkennen beginnen. Die Landkarte des Analphabetismus ist vielmehr fast genau deckungsgleich mit der Armut. Schätzungen besagen, daß es 1980 trotz beträchtlicher Anstrengungen im Bereich des Bildungswesens immer noch 240 Millionen Kinder zwischen fünf und vierzehn Jahren geben wird, die keine Schule besuchen, sowie 820 Millionen Analphabeten - 20 Millionen mehr als gegenwärtig.” Mit diesen Worten leitet der Generaldirektor der UNESCO Amadou-Mat- har M’Bow, eine eher düstere Prognose über die Entwicklung des Analphabetismus auf der Welt ein.

In den 25 am wenigsten entwickelten Ländern der Welt liegt der Anteil der Menschen, die nicht lesen und schreiben können, immer noch bei über 80 Prozent. Statistiken über den Schulbesuch in diesen Ländern zeigen, daß bei Fortsetzung des bisher beobachteten Trends bis 1985 weniger als 30 Prozent aller Kinder zwischen sechs und elf Jahren eine Schule besuchen werden.

In vielen Entwicklungsländern ist zudem die Quote des Mißerfolges an den Schulen sehr hoch und Millionen Kinder erreichen in der Schule niemals jenes Maß an Wissen, das sie vor einem Rückfall in den Analphabetismus bewahren könnte.

Falls allerdings positive Entwicklungen in mehreren Ländern zum Tragen kommen sollten, könnte der Anteil erwachsener Analphabeten bis 1980 in Afrika von derzeit 75 auf 67 Prozent sinken, in Asien von 47 auf 38 Prozent und in Lateinamerika von 24 auf 15 Prozent. Mit diesem prozentuellen Rückgang müßte allerdings kein Absinken der absoluten Zahlen verbunden sein. Die Bevölkerungsexplosion würde dafür sorgen, daß der pro zentuelle Rückgang in Afrika (von 75 auf 67 Prozent) einen Zuwachs von 25 Millionen Analphabeten bedeuten könnte.

Das heißt - so betonte der UNES- CO-Generaldirektor-, daß die Lösung des Problems nicht nur im Ausbau des Schulwesens zu suchen ist, sondern mindestens ebensosehr in Maßnahmen zur Erwachsenenbildung.

Auch müßten die Dinge nicht ausschließlich in pessimistischem Licht gesehen werden: Wenn auch die Zahl der Analphabeten auf der ganzen Welt zwischen 1950 und 1970 um 83 Millionen gestiegen ist, hat doch im selben Zeitraum die Zahl der Alphabetisierten um 625 Millionen zugenommen.

Bedeutend sei schließlich auch, daß die UNESCO nun auf Grund jahrelanger Vorarbeiten ein brauchbares Paket von Alphabetisierungsmaßnahmen zur Verfügung hat. „Wenn 1965 der Ausgangspunkt für die weltweite Kampagne gegen das Analphabetentum war, so war 1975 der Wendepunkt”, setzt Amadou-Mahtar M’Bow einen optimistischen Schlußpunkt.

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