6820307-1973_32_01.jpg
Digital In Arbeit

Zaunvogel für's schöne Wetter

Werbung
Werbung
Werbung

In der Debatte um die Konvention gegen rassische Diskriminierung am 15. März 1972 im Nationalrat begründete der Wiener FP-Obrnann Tassilo Broesigke die Ablehnung seiner Partei damit, daß „die halbe Weltliteratur von der Überlegenheit einer Rasse ausgeht“. Mitte Juli 1972 meinte sein Stellvertreter Hans Kleiment, bis vor kurzem einer der vier FPÖ-Gemeinderäte in Wien, in einem Zeitungsinterview, daß die FPÖ „keine Koalition mit dem Juden Kreisky eingehen dürfe“; wenn der FP-Bundesobmann Friedrich Peter eine solche Koalition befürworte, so geschehe dies nur aus optischen und opportunistischen Überlegungen.

Die offenen und markigen Worte Klements ließen die Spitzen der FPÖ rotieren. Wenige Tage nach seiner Äußerung über die Unmöglichkeit einer völkisch und rassisch bewußten Partei, mit einer vom Juden Kreisky geführten Sozialistischen Partei zusammenzuarbeiten, gab Klement, freiwillig — wie es in Aussendungen des FPÖ-Pressedien-stes hieß — seinen Spitzenposten — in der Wiener FPÖ ab.

Friedrich Peter, auch in seiner Partei „Packel-Peter mit dem Wackel-Kontakt“ genannt, erhielt dagegen seitens der SPÖ-Spitze die Gelegenheit zugewiesen, im SPÖ-Zentralorgan „Arbeiter-Zeitung“ zu versichern, daß „die FPÖ ihre Vergangenheit bewältigt hat, wie ich das auch persönlich getan habe“.

In diesem quasi-p.-r.-Beitrag in der „Arbeiter-Zeitung“ durfte Friedrich Peter auch ein wenig Entsetzen über die Geschehnisse in Auschwitz darbieten. Später freilich bekannte Peter in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „pro-fil“, daß „wir Freiheitlichen das Bekenntnis zur deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft in geistiger Hinsicht nach wie vor aufrechterhalten“ und betonte ferner, daß er nicht genau wisse, ob es nicht doch noch größere Verbrechen in der Menschheitsgeschichte gegeben hat, als jene, die in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches verübt wurden; auf keinen Fall aber, so

FPÖ-Peter, sei die Waffen-SS, der er angehörte, eine verbrecherische Organisation gewesen.

Es hieß nun bereits, diese für die FPÖ ganz gewiß peinliche Angelegenheit sei höheren (linken?) Orts inszeniert worden, um die im Zuge vorgeblicher Koalitionsgespräche für die Zeit nach der Landtagswahl in Oberösterreich auf eine politische Übergröße gewachsene FPÖ wiederum auf das Normalmaß zu reduzieren.

Im Zusammenhang mit dieser Interpretation wurde auf sehr offensichtliche Auffassungsunterschiede zwischen dem ÖGB-Flügel in der SPÖ und dem Parteivorsitzenden Bruno Kreisky verwiesen. Dem ÖGB-Flügel wäre an einer SPÖ-FPÖ-Koalition schon deshalb wenig gelegen, weil das weder von den Arbeitnehmern verstanden würde noch dazu beitragen könnte, tiefgreifende gesellschaftliche und wirtschaftliche Probleme Österreichs sozialpartnerschaftlich zu lösen.

Wie dem immer sei: vieles deutet darauf hin, daß die Absichten Bruno Kreiskys darauf abzielen, vielleicht noch im Laufe dieser Legislaturperiode eine Koalition mit der FPÖ Friedrich Peters auszuhandeln, wobei die vielen Schwachstellen der amtierenden Bundesregierung abgedeckt werden sollen. Diese Absicht Dr. Kreiskys wird um so klarer, als, wie verlautet, Kreisky die „AZ“-Re-daktion beauftragt haben soll, sich so wenig als irgend möglich mit Kommentaren zu den rassischen Äußerungen hoher FP-Funktionäre zu beschäftigen.

Ganz anders, als dies Bruno Kreisky wahrhaben möchte, liegen dagegen die Dinge in weiten Kreisen der Sozialistischen Partei. Die Front gegen jegliche Art von Zusammenarbeit mit der (aus guten Gründen) noch immer verpönten FPÖ wächst und labt sich an unmißverständlichen Äußerungen hoher FPÖ-Funktionäre. Zudem wird auch der ÖVP bange ob der maßlosen Forderungen von FP-Funktionären im Zusammenhang mit einer eventuellen Koalitionsbildung nach der Landtagswahl in Oberösterreich. Daraus läßt sich schließen, daß die Freiheitliche Partei und ihr Obmann nach einer mittellangen Haussephase nun wieder genau dort angelangt ist, wo sie rund 95 Prozent der österreichischen Wähler haben möchten: in der Bedeutungslosigkeit, die sich auch durch verbale Kraftakte in öffentlichen Erklärungen ihrer Spitzenvertreter nicht wegleugnen läßt.

Für Friedrich Peter verheißt diese Entwicklung wenig Gutes. So meinte der FPÖ-Obmann Niederösterreichs, Fritz Rotter Le Beau, daß die Kernschicht der freiheitlichen Wähler das Koalitionskonzept des Bundesobmanns nicht akzeptieren würde: Ein Zaunvogel ist und bleibt ein Zaunvogel, selbst dann, wenn er sich vollgefressen hat.

Über all diese1 Fragen will die Freiheitliche Partei in einer Klausurtagung in Baden nächste Woche beraten. Den Vordergrund dieser Beratungen bildet eine Diskussion über das „Freiheitliche Manifest zur Gesellschaftspolitik“, der Hintergrund freilich ist beachtenswerter: die Diskussion über die Koalitionsund Profilprobleme einer Partei, die gelegentlich günstiges Wetter immer gleich für eine längerfristige Schönwetterperiode hält.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung