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Zedern für Särge

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„Der Libanon ist von allen Ländern des Vorderen Orients jenes, das sich am meisten den Errungenschaften abendländisch-europäischer Zivilisation angepaßt hat." So liest man's im Reiseführer.

Jetzt zeigen uns die Libanesen wieder einmal, was sie vom Abendland gelernt haben. Jeder bringt jeden um.

Die Tragödie des Bürgerkriegslandes, das flächenmäßig kaum so groß wie Oberösterreich ist und etwa so viele Einwohner wie Niederösterreich und Steiermark zusammengenommen hat, schien am 28. Dezember 1985 eine Wende zum Frieden zu nehmen. In der syrischen Hauptstadt Damaskus hatten an diesem Tag Vertreter der Christen-, der Schiiten-und der Drusen-Milizen ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet, das auch eine Neuverteilung der politischen Macht vorsah.

Seit Jahrzehnten ist es in diesem Land der zwei Dutzend Religionen und Sekten Gewohnheitsrecht, daß der Staatspräsident ein maroni-tischer Christ (derzeit Amin Gemayel), der Regierungschef sunnitischer Muslim und der Parlamentspräsident schiitischer Muslim ist.

Umstritten, aber plausibel ist die Behauptung, daß Sunniten und Schiiten die christliche Mehrheit in eine Minderheit verwandelt haben. Der neue Pakt sollte den Muslimen mehr Macht, Syrien mehr Einfluß und dem Land mehr Frieden verschaffen. Es gibt zuviele im Libanon, die auch nicht eines dieser drei Ziele goutieren.

Gemayel verweigerte dem vom Christenmilizionär Elie Hobeika unterzeichneten Pakt sein Ja. Auch Toni Frandschieh, ein anderer Christenführer und ohnehin Syrien zuneigend, opponiert.

Jetzt haben die Christen, seit Gemayel-Falangisten die Milizen attackierten und Hobeika aus dem Land vertrieben, das blutige Gemetzel mitten in die eigenen Reihen getragen. Schiiten und Drusen haben ihre Kanonen wieder auf den Präsidentenpalast gerichtet. Und auch im Süden, wo Israel die „Süd-libanesische Armee" unter Generalmajor Lahad als vorgeschobene Hilfstruppe eigener Interessen benützt, stehen alle Zeichen wieder auf Sturm.

Kein Papstappell, das Gemetzel bleiben zu lassen, bringt die Fanatiker zur Vernunft. Zuschauen, beten und Wunden verbinden: Mehr kann man kaum tun, während zum Drama des Libanon ein neues Blutkapitel geschrieben wird.

Im Altertum bauten die Pharaonen Ägyptens aus Libanon-Zedern Sonnenboote und Sarkophage. Heute ist nur noch Holz für einfache, aber viele Särge gefragt.

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