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Zehn Jahre Androsch

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Es ist leicht, die wirtschaftliche Entwicklung des Jahrzehnts von 1970-80 zu analysieren: die Wachstumsverlang-samung, die Inflation und die Gefährdung der Vollbeschäftigung, die Österreich weniger trafen als andere Länder.

Schwieriger ist es, den Beitrag der Wirtschaftspolitik zu dieser relativ günstigen Entwicklung zu analysieren: Wieviele negative Impulse kamen wirklich aus dem Ausland! Wieviele davon fingen die Wirtschaftssubjekte (Unternehmen und Haushalte in der Marktwirtschaft) durch eigene Entscheidungen auf? Wieviele trugen die Sozialpartner bei?

Noch schwieriger ist es, die Rolle eines Mannes wie Hannes Androsch in dieser Wirtschaftspolitik zu analysieren, der zweifellos viel Macht in Form des Finanzministeriums besaß, aber doch Machtbeschränkungen durch Auslandsentwicklungen, Gewerkschaftsbund und andere Sozialpartner, Partei- und Regierungskollegen, Bundesländer, Nationalbank usw. unterlag.

Man kann diese Rolle dadurch erfassen, daß man die für ihn möglichen Handlungsalternativen aufzuzeigen versucht. Diese Beurteilungen müssen notwendigerweise subjektiv bleiben. Nachträglich - wenn die Unsicherheit über die Wirkungen der Handlungen wegfällt - kann man leicht Kritik üben. Es gibt auch mehrere Beispiele dafür, daß Androsch selbst die eigenen Fehler erkannte und korrigierend einzugreifen versuchte.

Am leichtesten fällt mir die Beurteilung seiner Konjunkturstabilisierungspolitik, weil darüber Unterlagen vorliegen. In den einzelnen Perioden lassen sich Alternativen aufzeigen, die wohl ähnliche Ergebnisse für Vollbeschäftigung und Stabilität gebracht hätten, aber die dafür eingegangenen Hypotheken - das Budget- und Leistungsbilanzdefizit - teilweise vermieden hätten.

In einer Bilanz seiner Wirtschaftspolitik müssen nun einmal auch diese Belastungen für die Zukunft einkalkuliert werden, denn die Behauptung, daß diese doppelten Defizite der notwendige Preis für die relativ gute Beschäfti-gungs- und Preisniveaustabilität sind,läßt sich durch die Aufzeigung der Alternativen entkräften.

In der ersten Periode, vom Budget 1971 bis 1974, war die Einnahmensituation durch Konjunkturaufschwung und beginnende Inflation so günstig, daß der Finanzminister zu dieser Zeit schon zur Bremsung der Uberhitzung restriktive Budgets hätte erstellen und die Verschuldung abbauen müssen. Restriktive Budgets hätten einen Spielraum für die konjunkturpolitisch notwendigen Defizite ab 1975 geschaffen, ohne die nachfolgenden Budgets dann zu überfordern.

Für die Bekämpfung der Rezession 1974/75 wären ihm dann mehrere Alternativen Zuin Defizit möglich gewesen. Ein Teil des Defizitswar notwendig, um den Ausfall ausländischer Nachfrage und der durch Lohnerhöhungen gedrückten Investitionen auszugleichen. Ein Teil des Nachfrageausfalls wäre aber durch eine mäßigere Aufwertungspolitik und eine expansive Geld- und Kreditpolitik aufzufangen gewesen.

Die Aufwertungspolitik hat nämlich die Konkurrenzfähigkeit der Exporte und der mit Importgütern konkurrierenden Industrie beschränkt und damit zum Defizit der Leistungsbilanz beigetragen. Die expansive Finanzpolitik belebte deshalb nicht nur die inländische Konjunktur, sondern die Nachfrage nach ausländischen Gütern, sie stützte die ausländische Beschäftigung und gefährdete die eigene. Die Geld- und Kreditpolitik hätte - im bescheidenen Umfang - durch erleichterte Investitionstätigkeit beitragen können.

Schließlich hätten in dieser Periode konjunkturpolitisch notwendigen Ausgabenerhöhungen so erfolgen müssen, daß mit der Wiederbelebung der Konjunktur eine Einschränkung erfolgenhätte können (z. B. zeitlich befristete Investitionsprogramme). Zu viele Ausgaben „flüchteten aus dem Budget"(Prof. Smekal) und unterlagen nicht mehr der Steuerung des Finanzministers.

In der dritten Phase ab etwa 1976/77 mußte das Budget und die Leistungsbilanz saniert werden, was bisher nicht gelungen ist. Bei der Sanierung des Budgets legte Androsch das Schwergewicht auf Einnahmenerhöhungen. Die Grenzen der Steuerbelastung wurden erreicht und teils überschritten.

Es ist aber nicht leicht, die Alternativen der Ausgabenkürzungen, die der Finanzminister durchsetzen hätte können, aufzuzeigen. Sie stoßen nun einmal auf den Widerstand der Ministerkollegen, der nur bei einem voll hinter dem Finanzminister stehenden Kanzler abzuschwächen gewesen wäre.

Für die Wachstumspolitik wären anstelle von strukturerhaltenden Maßnahmen - dazu gehört auch das nicht zu rechtfertigende Milliardengeschenk an General Motors - die Alternativen der Förderung von Innovationen und Strukturänderungen viel früher und stärker auszubauen gewesen.

Auf dem Gebiet der Wirtschaftsordnung- und Gesellschaftspolitik lassen sich viele Tendenzen aufzeigen, die von der Sozialen Marktwirtschaft wegführen und mehr Staat und damit weniger individuelle Freiheit und Möglichkeiten der Eigeninitiative brachten.

Zum Teil hat die bereits aufgezeigte Budget- und Wirtschaftspolitik des Finanzministers dazu beigetragen, weil sie auf eine Ausweitung der Staatsquote hinauslief.

Aber wenn ich mir die Alternativer, ansehe, welche dem Finanzminister offenstanden - die vorgegebene Ausweitung der Staatsquote durch mehr marktwirtschaftliche Methoden zu erzielen - so sehe ich recht wenig Möglichkeiten, etwa beim 2. Abgabenänderungsgesetz. Ich sehe aber viel mehr Alternativen von stärkeren Einschränkungen des Systems der Sozialen Marktwirtschaft, die vorgeschlagen wurden und dem Finanzminister offengestanden wären. Auf einem Gebiet, wo er allein zuständig ist, dem Bankwesen, hat er sogar mehr Wettbewerb eingeführt.

Für eine Bilanz der wirtschaftsord-nungs- und gesellschaftspolitischen Maßnahmen scheint es mir noch zu früh zu sein.

Der Autor ist ordentlicher Professor Tür Politische Ökonomie an der Universität Innsbruck.

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