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Zeit der Widersprüche

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Nicht nur die Pracht des barok-ken Zeitalters ist im sehenswerten Schloß Trautenfels zu besichtigen, sondern auch das Elend der bäuerlichen Bevölkerung und die Härten, die die Gegenreformation mit sich brachte.

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Nicht nur die Pracht des barok-ken Zeitalters ist im sehenswerten Schloß Trautenfels zu besichtigen, sondern auch das Elend der bäuerlichen Bevölkerung und die Härten, die die Gegenreformation mit sich brachte.

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Die andere Seite des Barock zeigt die steirische Landesausstellung mit dem beziehungsvollen Übertitel „Lust und Leid: Barocke Kunst - barocker Alltag" auf Schloß Trautenfels im Ennstal. Die Ausstellung wirft einen Blick hinter die Fassaden des schönen Scheins der majestätischen Repräsentationsbauten des Barock - dem Besucher tut sich das Bild einer bewegten Epo- / che auf, die gekennzeich- fc-1 net war durch verhee-rende Kriege und religiöse Konflikte.

Auch in den Wissenschaften war es eine Zeit der Umbrüche: Gleich im ersten Raum der Ausstellung wird dem Besucher anhand zahlreicher Weltkarten und Globen vor Augen geführt, wie sehr die neuen Erkennt nisse und Entdeckun-gen das damalige Weltbild veränderten. Galileo Galilei, Rene Descartes und Isaac New ton haben das moderne Denken entscheidend geprägt.

Die Gegenreformation um 1600 unter Kaiser Ferdinand II. und der Beginn der Aufklärung um 1740 bilden den historischen Zeitrahmen für die steirische Landesausstellung.

Kaum eine andere Zeit übte einen so nachhaltigen Einfluß auf die typisch österreichische Mentalität aus: So sind die Wurzeln der österreichischen Lebensfreude, aber auch des gespaltenen Verhältnisses zum Tod im Barock zu finden. Vieles, was aus unserer Gegenwart nicht mehr wegzudenken ist, verdanken wir jener Zeit - nicht zuletzt den österreichischen Beamtenstaat.

Schloß Trautenfels selbst kann nicht nur als Schauplatz, sondern auch als Ausstellungsobjekt gesehen werden. 1664 von Friedrich von Trautmannstorff erworben, wurde das Schloß nach dem Vorbild des spanischen Escorial von einem kastellartig geschlossenen Bau zu einem barocken Gesamtkunstwerk umgestaltet. Der Besucher wandelt durch Prunkräume und Marmorsäle, deren Deckenfresken des berühmten italienischen Künstlers Carpo-phoro Tencalla zu den Meisterwerken zählen.

Die bis 18. Oktober geöffnete Ausstellung beleuchtet in 21 Räumen verschiedenste Aspekte dieser Epoche, und durch zahlreiche Videofilme wird dem Besucher die Gelegenheit geboten, sich über spezielle Themen näher zu informieren. Repräsentative Ölgemälde vermitteln die Pracht und Herrlichkeit jener Zeit, so etwa Theo Adam Weissen-kirchers „Susanna und die beiden Alten", eine typisch barocke Allegorisie-rung. Weiters sind auch Klei-dungsstücke von Adeligen zu sehen - so mutet der seidene, rosafarbene Damenschuh neben dem unförmigen Holzpantoffel des Bauern als übertrieben luxuriös an. Solch einfache Beispiele aus dem Alltag zeigen dem Besucher, in welch krassem Gegensatz die Lebensweise von Adeligen und Bauern zueinander stand.

Der Begriff „Barock" („barroca" im Portugiesischen Bezeichnung für eine kostbare, aber unregelmäßige Perle) ist bis heute mit unzähligen Klischees behaftet und wird gewöhnlich mit Überladenheit, Schwülstigkeit und Pathos in Verbindung gebracht. Tatsächlich war es jedoch nur die Elite der Gesellschaft, die sich jenen verschwenderischen Lebensstil leisten konnte. Waren es doch die Bauern, die durch hohe Steuerabgaben und Frondienste die eindrucksvolle Pracht des Barock bitter bezahlen mußten.

Eine Vielzahl von bäuerlichen Gebrauchsgegenständen, wie einfache tönerne Schüsseln oder Dreschflegel, geben dem Besucher eine Vorstellung davon, welch hartes und genügsames Leben die Bauern in der Steiermark zu jener Zeit führten.

Im Zuge der Gegenreformation kam es zur Vertreibung der protestantischen Bauern aus der Steiermark. Der Protestantismus hatte im 16. Jahrhundert in weiten Teilen des Landes Fuß gefaßt, doch gegen Ende des 16. Jahrhunderts begann der katholische Landesfürst mit aller Härte gegen die Anhänger Martin Luthers vorzugehen. Viele konnten daher ihren Glauben nur mehr im geheimen ausüben. Durch eine Art Jalousie hindurch blickt der Betrachter auf protestantische Gebetsbücher.

Handgeschriebene Gesangsbücher und Beichtzettel geben auch Zeugnis von der dominanten Rolle des katholischen Glaubens in jener Zeit.

In der steirischen Landesausstellung kommen nicht nur die glanzvollen Beispiele dieser Zeit zur Geltung, auch die andere Seite des Barock fem jeder klischeehaften Vorstellung wird eindrücklich dokumentiert.

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