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Zeit für bessere Familienpolitik

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Umgekehrt Einsparungen bei den Pensionszahlungen zur Folge haben.

Um den Übergang in den Ruhestand leichter zu bewältigen, sollte der ältere Berufstätige die Möglichkeit erhalten, einige Zeit vor dem Erreichen des Pensionsalters seinem Beruf teilzeitbeschäftigt nachzugehen. Anderseits sollten Pensionsberechtigte, die gerne über das Pensionsalter hinaus arbeiten möchten, ihren Beruf in Teilzeitbeschäftigung neben einem angemessenen Pensionsbezug ausüben können. Damit könnte einersseits das „ausfallende” Arbeitskräftepotential teilweise ausgefüllt werden, anderseits wäre die Belastung der Pensionskassen geringer. Überhaupt scheinen Möglichkeiten des beruflichen „time-sharing” bisher weitgehend unbekannt zu sein und nicht überlegt zu werden.

Den Bevölkerungssprognosen zufolge ist für Österreich nach der Jahrhundertwende trotz erheblicher Zuwanderung eine deutliche Verringerung der Gesambevölke-rung und eine weiter verschlechterte negative Geburtenbilanz zu erwarten. Das gesamtösterreichische Geburtendefizit wird von der stark negativen Entwicklung in Ostösterreich verursacht. Westösterreich wird zum Teil noch Geburtenüberschüsse aufweisen.

Dies führt zu den Fragen: Soll das Geburtendefizit auf dem Arbeitsmarkt nur durch verstärkte Zuwanderung - vor allem in Ost-östereich - ausgeglichen werden? Kann das Geburtendefizit durch geburtenfördernde Maßnahmen verringert werden?

Die niedrigen Geburtenzahlen (genau: die niedrige Fruchtbarkeit) haben mehrere Ursachen, besonders; ob slmoiftrert

• In der Wertordnung vieler hat das Genießen des vielfältig angebotenen Konsums Vorrang vor dem Entschluß, ein Kind in die Welt zu setzen, das aufzuziehen von der Familie Beschränkungen verlangt.

• Die Fruchtbarkeit einer Generation hängt positiv von ihrem „relativen” Einkommen ab (unter „relativem Einkommen” wird nach Easterlin das Verhältnis des tatsächlichen Einkommens zu den Erwartungen verstanden).

• Der Lebenslauf der Menschen unserer Industriegesellschaft verändert sich zusehends, mit der Folge, nichtberufliche Bindungen wie Eheschließungen und Geburten aufzuschieben oder gar zu vermeiden (Ansatz von Birg und Koch).

Die wissenschaftliche und technologische Entwicklung bewirkt eine immer tiefere Arbeitsteilung und Spezialisierung. Die Spielräume der Menschen für die Wahl des Lebenslaufs nehmen zu, zugleich wird das Überwechseln, von einem eingeschlagenen Lebenspfad auf einen anderen schwieriger, vor allem, was den Beruf betrifft. Die beruflichen Ausbildungsgänge dauern länger, Festlegung des beruflichen Lebenslaufes werden später getroffen, das Aufschieben und der Verzicht auf familiäre Bindungen verstärken sich, die Geburtenwahrscheinlichkeit vermindert sich.

Die österreichische Familienfö-derung gehört neben den Systemen Frankreichs und Belgien zu den großzügigsten der westlichen Industriestaaten. Sie dient dem Familienlastenausgleich, hat aber nicht die Aufgabe der Geburtenförderung. Um die niedrige Fruchtbarkeit zu heben, sollte der Staat die Rahmenbedingungen für die Familie derart gestalten, daß eine Frau im Falle einer Geburt und Karenz weder finanziell noch -soweit wie möglich - beruflich gegenüber kinderlosen Kolleginnen benachteiligt wird.

Erziehungsgeld gefordert

Im einzelnen würde es sich um folgende Maßnahmen handeln:

• Volle pensionsrechtliche Anrechnung der Erziehungszeit.

• Gewährung eines Erziehungsgeldes, das dem vorherigen Bezug der Mütter angeglichen ist.

• Berufliche Aufstiegsmöglichkeiten sollten, soweit für den Arbeitgeber tragbar, gewahrt bleiben.

• Der Wiedereintritt der Frau in den Beruf sollte durch Kindergärten (nach skandinavischem und belgischem Vorbild) und steuerliche Absetzmöglichkeiten von Haushaltshilfe und Kinderbetreuerinnen erleichtert werden.

• Einkommensteuerrechtlich ist eine Familienbesteuerung pro Kopf der Familienmitglieder zu fordern, um eine gerechte Einkommenssituation zu schaffen und die Mehr1-kinderfamilien aus dem sozialen Ghetto zu befreien.

Diese Maßnahmen würden einen Wertewandel in der Gesellschaft fördern, Kinderlosigkeit würde an Attraktivität verlieren.

„Bevölkerungspolitik” als Einfluß staatlichen Handelns auf das generative Verhalten ist seit der NS-Zeit in Österreich kein anerkannter Politikbereich. In fast allen anderen Staaten der Welt ist dies anders. Eine staatliche bevölkerungspolitische Konzeption mit umfassenden geburtenfreundlichen Maßnahmen könnte sehr wohl die Bevölkerungsentwicklung beeinflussen, wobei besonders auf die Situation der Frau Rücksicht zu nehmen ist. Die internationale Erfahrung zeigt, daß neben direkten monetären Instrumenten auch indirekte Anreize günstige Wirkung entfalten könnten.

Durch das staatliche Handeln wird das „demographische Klima” mit beeinflußt. Derzeit spiegelt das demographische Klima, wie es etwa von den Massenmedien vermittelt wird und durch die reale Situation von Mehrkinderfamilien bestätigt wird, die der Frau, besonders wenn sie eine höhere Ausbildung hinter sich hat, erheblicheBenachteiligun-gen einbringen, eher Auffassungen wider, die Kinderlosigkeit und Lebensformen mit weniger Kindern als wünschenswert erscheinen lassen.

Auszug aus SWA-Studienarbeit: ÖSTERREICH KOMMT OHNE BEVÖLKERUNGSPOLITIK NICHT AUS - UND VORARLBERG ?

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