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Zeitbomben in der Tiefe

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Österreichs Wasser-Experten bezeichnen unser Trinkwasser — nahezu 100 Prozent werden aus dem Grundwasser gewonnen—als in höchstem Maß gefährdet. In der Mitterndorfer Senke . etwa, aus der Teile Wiens, Niederösterreichs und des Burgenlandes mit Trinkwasser versorgt werden sollen, erwiesen sich von 75 an verschiedenen Stellen entnommenen Proben nur 18 als unbelastet. Rund die Hälfte enthielt das Pflanzenschutzmittel Atrazin, zum Teil in Mengen, die weit über den als ungefährlich geltenden EG-Richtlinien (0,1 Mikrogramm pro Liter Wasser) lagen.

„Fünf Minuten vor zwölf“ wandte sich vor kurzem der österreichische Wasserwirtschaftsverband gemeinsam mit Wissenschaftlern des Instituts für Hydraulik, Gewässerkunde und Wasserwirtschaft der Technischen Universität Wien mit einem umfangreichen Forderungskatalog an maßgebliche Körperschaften mit dem Appell, eine intensive Erforschung der Grundwasserverhältnisse und den Ausbau eines bundesweiten Netzes von Wasseruntersuchungsstellen in Angriff zu nehmen.

Schon heute handelt es sich, so Werner Kresser, Vorstand des TU-Institutes, auch beim Grundwasser bereits um einen „echten Krankheitsfall“. Die größte Ge fährdung geht von den sogenannten Altlasten aus, längst vergessenen Deponien wassergefährdender Stoffe, etwa Altöle, Industriemüll oder auch hochgiftige Krankenhausabfälle, die als „Zeitbomben“ im Boden schlummern und früher oder später Katastrophen auslösen können.

Industrie und „moderne“ landwirtschaftliche Produktion haben in den letzten zwei Jahrzehnten neue Gefahrenquellen für das Grundwasser entstehen lassen: Chlororganische Verbindungen, Pflanzenschutzmittel und so weiter finden sich zunehmend im Grundwasser, auch der Nitratgehalt steigt an, nicht zuletzt ist ungeregelte Abwasserbeseitigung ein ernster Risikofaktor.

Allein in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft muß mit einer Vermarktung von jährlich etwa 3.000 mehr oder weniger neuen wassergefährdenden Stoffen gerechnet werden.

Werner Kresser: „Wenn das unterirdische Wasser einmal verunreinigt oder gar verseucht ist, kann eine Sanierung kaum mehr oder nur in sehr langen Zeiträumen erfolgen - Grundwasserschäden sind Langzeitschäden.

Hier liegt der wesentliche Unterschied zur Verschmutzung von Oberflächengewässern.“

Zahlreiche Substanzen, etwa chlorierte Lösungsmittel, werden im Grundwasser überhaupt nicht abgebaut. Sie sind oft weit entfernt vom Ort des Eindringens nachweisbar, durchziehen die Grundwassergebiete aber in schmalen „Fahnen“ und sind daher meist schwer zu erfassen. Meistens ist es unmöglich, den Verursacher der Verschmutzung zu identifizieren. „Die Grundwasser-Untersuchung steckt in Österreich noch in den Kinderschuhen, die vorliegenden Ergebnisse sind schwer zugänglich, eigentlich nur für Eingeweihte greifbar“, begründen die Wissenschafter ihre Initiative.

Wichtig wäre vor allem auch eine viel intensivere Aufklärung über Bedeutung und Empfindlichkeit des Grundwassers und seinen Schutz in Schulen, Universitäten, Betrieben, Gemeinden, Ämtern, Medien.

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