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Zeitgemäß biblisch reisen

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In einem Jahr werden es zwei Jahrzehnte sein, daß in Österreich die „Biblischen Reisen” existieren. Vornehmstes Reiseziel war und wird - bei allen politischen Umwälzungen - das Kernland der Bibel, das Heilige Land bleiben. Wer in alten Reiseberichten und Tagebüchern stöbert, stößt auf eine Pilgertradition, die fast so alt ist wie das Christentum selbst.

Unterwegs sein aus freien Stük-ken - nicht als Lebensform oder notgedrungen - ist ein religionsgeschichtliches Phänomen. Was treibt jemand an eine Stätte, die heiliger sein soll als eine andere?

Religionsgeschichtlich steht dahinter der Glaube, daß eine Gottheit diesen Boden berührt hat und daß damit ein qualitativer Unterschied gegeben ist. Wenn man will: eine Trennung heiliger Erde von profaner.

Um diese Stellen kenntlich zu machen, wird der Ort abgegrenzt und gesichert, die Herannahenden ziehen die Schuhe aus, verneigen sich, entblößen oder bedecken das Haupt je nach Geschlecht. Zu Festen oder bestimmten Anlässen (wie Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt) scheint es angeraten zu sein, an Orte zu pilgern, an denen heilsgeschichtliche Ereignisse manifest wurden. Der Pilger möchte das Heilige und das Heil materiell erfahren, räumlich nahe sein, sehen, fühlen und schmecken. Aus diesem Herzensanliegen hat sich ein Wallfahrtswesen entwickelt, das alle nur annähernd bekannten heiligen Stätten einbezieht und das sich auch zu einem sozialtouristischen Massenunternehmen aufgebläht hat. Spontan kommen dem Beobachter Völkerwanderung und Kreuzzüge in den Sinn.

Genau diesen Wechsel vom religiös motivierten Pilgern zum raschen „Abgrasen” heiliger Stätten in deutlich hör- und sichtbarer Wallfahrtsmanier haben die „Biblischen Reisen” nicht mitgemacht, obwohl in den neuesten Katalog 1991/92 auch junge und neuzeitliche Wallfahrtsziele aufgenommen wurden. An Lourdes muß man sich nicht wie ein Voyeur oder ein Passant vorbeischleichen, sondern darf an Ort und Stelle nachdenken über die Selbstoffenbarung Gottes in Menschwerdung und heiligen Schriften, über die davon verschiedenen „Geheim”- und Privatoffenbarungen.

„Biblische Reisen” hat sich einen Stil des sachbezogenen Pilgerns angeeignet. Gerade für die Teilnehmer an unseren Studienreisen, die von akademischen Reiseleitern und Spezialisten geführt werden - vorwiegend Bibelwissenschaftlern - ist

Es interessieren ihn Details von Raum und Zeit, und er ist nicht unterwegs, um sich zu zerstreuen, sondern sich zu sammeln. Auf solchen Reisen möchte er nicht abschalten, sondern die Aufnahmebereitschaft einschalten.

Nicht nur die traditionellen biblischen Länder wie Israel/Palästina, Ägypten, Jordanien, Syrien, Türkei, Griechenland bieten die Chance solch sachbezogenen Rei-sens, sondern ebenso die Länder Osteuropas, die Nachfolgestaaten der österreichischen Monarchie, oder Bulgarien und die UdSSR. Studienreisen garantieren ein wissenschaftliches Qualitätsniveau genauso wie einen gehobenen Service und entsprechende Betreuung.

Das sachbezogene Pilgern gilt nicht nur für die von „Biblische

Reisen” veranstalteten Informa-tions- und Bildungsreisen, sondern auch für Gemeindereisen und Bibelseminare im Heiligen Land. Dazu gehört, daß sich der Pilger nicht verschließt und beispielsweise nur katholische Kirchen besichtigen möchte, und daß er auch bereit ist, anderes als Vertrautes zu sehen und kennenzulernen, etwa Synagogen und Moscheen.

Sachbezogenes Pilgern ist nicht frömmigkeitsfremd, es unterscheidet im Sinne des heutigen kritischen Reisenden zwischen Erinnerung und Sachverhalt. Das gilt auch für den Pilgerweg nach Santiago de Compostela, auf den sich immer mehr Menschen begeben. Im Mittelalter, als das Heilige Land nur schwer zu erreichen war, suchten die Pilger das Grab des Apostels Jakobus auf, das sich einer Legende nach dort befindet. Der Weg dahin ist mit einer Fülle unschätzbarer Kulturgüter und steingewordener Frömmigkeit ausgestattet und führt durch die herrlichen Landschaften Nordspaniens.

Auch ökumenische Aspekte hat „Biblische Reisen” immer einbezogen, ist doch die Bibel für biblisch Reisende die gemeinsame Basis und das Verbindende. So führt heuer eine ökumenische Schiffsreise zu den Metropolen der Ostsee, gleichsam als „Gemeinde an Bord”.

Ein besonderes Ereignis im Kernland der Bibel könnten heuer „Heiße Bibelwochen im Heiligen Land” bis 28. Juli) werden. Das Reisekonzept stammt vom Österreichischen Katholischen Bibelwerk und dem Österreichischen Hospiz in Jerusalem. Drei Wochen lang steht die Begegnung mit dem Evangelisten Markus im Mittelpunkt.

Bei allen Reisetypen bieten die „Biblischen Reisen” Einführungsabende an. Wer sich sammeln möchte und den Sinn des Reisens in der Bildung und in der Begegnung mit dem anderen, Neuen sieht, stimmt sich ein wie die Pilger vor Jahrhunderten auf ihre Weise. Ist sachbezogenes Pilgern gefragt, so sollte der Aufbrechende mehr wissen, sollte nicht ins Blaue fahren.

Der Autor ist Theologe und Mitarbeiter von „Biblische Reisen Osterreich” in Klostemeuburg.

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