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Zeitgenosse

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Wenn sich die politischen Kräfte über eine Lösung einig sind, muß damit noch nicht der Weisheit letzter Schluß gefunden sein. In Kärnten etwa sind sich alle drei Parteien einig, daß man die Angehörigen der Minderheit zählen müsse, bevor man ihnen die zustehenden Rechte einräumen könne. Daß auch diese Zählung nicht als geeignet erscheint, die seit Jahrzehnten latenten Probleme zu lösen, diese Überzeugung gewinnt in den letzten Wochen langsam an Boden. Es ' hat lange genug gebraucht ...

Lange Zeit waren es vor allem zwei Männer, die wagten, gegen den Strom zu schwimmen. Zwei Männer, die ihre geistige' Basis nicht so sehr in der Polarisierung des Volkstums, als im Verbindenden des Glaubens fanden. Ernst Waldstein und Valentin Inzko.

Der Nachfahre des großen Feldherrn aus dem Dreißigjährigen Krieg, der als Zwanzigjähriger selbst erfahren mußte, was es heißt, die Heimat zu verlieren, kannte von Böhmen her die Tragik zweier Völ-

ker, die seit Jahrhunderten miteinander leben müssen und nicht mehr zueinander finden können, seit eine Überbetonung des Volkstums im Nationalismus das Trennende vor das Verbindende gemeinsamer Geschichte gestellt hat.

Der Vorsitzende der Katholischen Aktion Kärntens und der einstige Vorsitzende der christlichen Kulturvereinigung der Kärntner Slowenen fanden in der Diözesansynode zueinander. Sie kämpften, weitgehend ohne Verständnis zu finden, gegen die Verbohrtheit der eigenen Landsleute. Sie erreichten, daß wenigstens für den kirchlichen Bereich Formen und Regeln gefunden werden konnten, die ein Zusammen deutsch- und slowenischsprechender Gläubiger an die Stelle des bisher üblichen Gegeneinander setzen sollten. Es wird auch hier noch lange brauchen, bis diese Formen von allen i Beteiligten akzeptiert worden sind.

Die Österreich-Synode, der Katholikentag dann im Herbst 1974, brachten den Durchbruch über die Landesgrenzen hinaus. Die Synodalvorlage „Kirche in der Gesellschaft von heute“ unterstrich das Recht aller Volksgruppen auch auf ihren künftigen Bestand. Der Katholikentag, der den Minderheiten einen Arbeitsausschuß unter Inzkos Vorsitz widmete, hob hervor, daß Slowenen, Kroaten,

Magyaren, Tschechen, so verschieden ihre Geschichte, ihre Strukturen, ihre Größenverhältnisse in Österreich auch sein mögen, aus dem Ganzen unseres Staates nicht weggedacht werden können, ohne daß

dieses Ganze wesentlich beeinträchtigt würde.

Ein halbes Jahr später gelang es der Initiative des Verbandes katholischer Publizisten, Politiker aller drei Parteien im slowenischen Bildungshaus Tainach zur Diskussion mit Sprechern der Minderheit an einem Tisch zu vereinen. Es durfte wohl den sachlich-versöhnlichen Einführungsworten des Duo Waldstein—Inzko zu verdanken gewesen sein, daß bei aller Pointierung gegensätzlicher Ansichten die Atmosphäre freundlich blieb. Einen durchschlagenden politischen Erfolg zu erwarten, wäre Illusion gewesen.

Je näher nun die „Volkszählung besonderer Art“ — man darf sie ja nicht als das bezeichnen, was sie . wäre und sein sollte — heranrückt; je mehr die offizielle Politik unter äußerem Druck in ihren Erklärungen schwankt; je mehr selbst die Befürworter der Zählung Unbehagen verspüren und mit der 25-Prozent-Klausel die Erklärungen über die Minderheitfreundlichkeit zur Farce werden — desto dringender wird es, Alternativen zu bieten. Wo ist der Ausweg, der beiden Lagern als gangbar erscheint? Wo ist die Formel, die beiden erlaubt, das Gesicht zu wahren, nachdem — auf beiden Seiten — schon so viel Porzellan durch

„unabdingbare“ Forderungen zerschlagen worden ist?

Ernst Waldstein sprach auf der Pressekonferenz, die er mit Inzko kürzlich in Wien gab, vom „Paket“ nach Südtiroler Muster, von einem Ganzen an Maßnahmen, innerhalb dessen man dann changieren könne — hier ein wenig mehr nach deutschen, dort etwas mehr nach slowenischen Vorstellungen. Sicherlich ein Weg, pragmatisch vorzugehen.

Noch besser aber und wahrscheinlich die Voraussetzung für ein fruchtbares Verhandeln ums Paket wäre aber wohl die „Klimatisierung“, die Waldstein forderte, die Schaffung einer friedlicheren Atmosphäre mit Besinnung auf das viele Gemeinsame. Historische, psychologische, soziologische, sozialpsychologische, kulturelle und kulturhistorische Dimensionen, aber auch wirtschaftliche, am Schnittpunkt zweier Kultur- und Wirtschaftsräume, könnten mithelfen, wissenschaftlich aufgearbeitet, diese „Klimatisierung“ vorzubereiten.

Es wird nicht leicht sein, das „Grundvertrauen in der Kärntner Bevölkerung“ herzustellen, wie es Waldstein fordert. Es wird nicht leicht sein, zu erreichen, daß es „in“ ist, sich für eine echte Verständigung einzusetzen.

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