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Zeitgenosse

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Ein Österreicher, von dem die meisten Landsleute noch nie gehört und den auch die eifrigsten Fernseher noch nie auf dem Bildschirm gesehen haben, begann, Österreichs Selbstdarstellung im Ausland zu entheurigen, zu ent-schlagobern und zu ent-lippizanern. Langsam, aber sicher — und soweit eine Zeitschrift, die über Botschaften, Handelsdelegierte und Hochschulen vor allem die Meinungsbildner erreicht, den allgegenwärtigen Fundus un- und halbbewußter Vorstellungen über ein Land, eben dessen „Image“, korrigieren kann.

Wenn überhaupt, hat Österreichs oft mehr beschwipstes als beschwingtes Erscheinungsbild Vorteile für den Fremdenverkehr. Und auch die sind fragwürdig, außerdem ist es falsch Mit den Interessen einer leistungsfähigen Exportwirtschaft, von deren Florieren immer stärker auch die Binnenkonjunktur abhängt, gerät ein zwischen phantasievoller Verschlamptheit und fauler Verfressenheit pendelndes Image jedenfalls in einen schweren Konflikt.

Es ist also kein Zufall, daß der Mann, der hier mit einer sehr zielbewußten Änderungsarbeit begann, nicht aus dem Medienbereich, sondern aus der Exportwirtschaft kam Wenigstens auf dem direkten Weg — denn bis 1949 war Peter Smolka Journalist. Diesen Beruf mußte er wegen einer schweren Erkrankung, die seine Bewegungsfähiigkeit auf ein Minimum reduzierte, aufgeben. In den folgenden 25 Jahren baute er die kleine väterliche Metallwarenfabrik zu einem der auf dem Weltmarkt führenden Erzeuger von Schibindungen aus. 1971 beschäftigte die „Tyrolia“ 700 Menschen und erzielte 220 Millionen Jahresumsatz. Die Erkenntnis, daß das Unternehmen der Größenordnung eines Privatbetriebes entwachsen war, führte zur Veräußerung an einen ausländischen Konzern, österreichische Lösungen erwiesen sich, wieder einmal und zum Leidwesen Smolkas, als nicht gangbar.

Als gesicherter, aber nach wie vor tatendurstiger Rentier begann der 1912 Geborene, Österreichs Erscheinungsbild im Ausland zu verändern. Einerseits als Ratgeber des Bundespressedienstes, vor allem aber als Gründer und Herausgeber der Zeitschrift .Austria Today“, die den Staat nichts kostet. (Gesellschafter sind „Wochenpresse“ und Europa-Verlag, bzw. die hinter ihnen stehenden Organisationen Industriellenverband und ÖGB, deren Bosse Igler und Benya Smolka von der Notwendigkeit einer neuen rot-weißroten Selbstdarstellung überzeugt hatte.) Das Blatt erhält sich selbst, durch Abonnements und Anzeigen. Einen nicht uninteressanten Teil der Abonnenten gewann Smolka durch Anschreiben der Fachbereiche für Germanistik und europäische Geschichte aller Universitäten rund um den Globus — was zugleich ein Test dafür war, ob sich die Welt dafür interessiert, wie Österreich wirklich ist.

„Austria Today“ ist auf schönem Papier schön gedruckt, und doch alles andere als ein weiterer „Belangfriedhof“. Man kann das Blatt sogar als Österreicher mit Nutzen und Interesse lesen. Das redaktionelle Konzept beruht offensichtlich auf einer sehr klugen, ausgewogenen und nie faden Mischung: viel über hochspezialisierte Industrien, ein wenig Sozialpolitik, sehr wenig Vergangenheit, sehr viel Kultur. Die aber nicht als das längst vom Oversell in den propagandistischen Overkill umgeschlagene Mozart-Beethoven-Schubert-Wiedergekäu, sondern Information über Heutiges.

Wer Österreich also im neuen Frühjahrsheft von „Austria Today“ sucht, findet Bilder von Karl Korab neben einer Arbeit von Erika Wein-zierl über die Stellung der Frau (wo die Mutter von Peter Handke als Beispiel herangezogen wird), einen Börsenreport neben einem Artikel des Nobelpreisträgers Karl von Frisch über die gefährlichen „Killer-Bienen“, Mikrophotos in Farbe in einem Beitrag über Reichert-Mikroskope neben einer Story über den in Österreich lebenden und filmenden Perser Madavi. Dazu schreibt Neisser über die christlichen Gewerkschaften, Muschik über Wander Bertoni. Wenn eine Zeitschrift über Österreich auch für Österreich gut genug sein soll — diese wäre es.

Womit Peter Smolka nach der Trennung von seinem in einem Vierteljahrhundert aufgebauten Betrieb zu den Ursprüngen zurückgekehrt wäre — denn Journalist und nicht Industrieller wollte er werden und war er bis zu seinem 37. Lebensjahr. 1930 ging er nach England, und nach einem Studium an der London School of Economics — auf dem der Vater bestand — wurde er Korrespondent für die „Neue Freie Presse“ und für das heute legendäre „Prager Tagblatt“. 1936 reiste er als erster (und zugleich für lange Zeit als letzter) westlicher Journalist für die „Times“ nach Nordsibirien. Und „Austria Today“ ist weder die erste noch die größte Zeitung, die der Österreicher Peter Smolka redigiert — das britische Informationsministerium, dem er seit Kriegsausbruch angehörte, übertrug ihm im Krieg die Verwirklichung seiner Idee, unter dem Titel „Britanski Soyusnik“ („Der britische Verbündete“) eine für die sowjetische Bevölkerung bestimmte, englische Zeitschrift herauszugeben. Das in London redigierte und ins Russische übersetzte und zuerst in Kuibyschew, dann in Moskau gedruckte Blatt hatte eine Auflage von 50.000 Stück — und zehnmal so viele Leser.

„Austria Today“ hat natürlich nicht so viele. Aber hoffentlich ebenso interessierte.

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