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Zerstörte Hoffnungen

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Acht Monate nach der Ermordung von Staatspräsident Park Chung Hee durch den inzwischen hingerichteten früheren Geheimdienstchef Kim Jae Kyu haben in Südkorea militärische „Falken” das Sagen, die sich als Nachlaßverwalter und Erben des „Zuchtmeisters” Park verstehen und jede Liberalisierung der politischen Verhältnisse entschieden ablehnen.

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Acht Monate nach der Ermordung von Staatspräsident Park Chung Hee durch den inzwischen hingerichteten früheren Geheimdienstchef Kim Jae Kyu haben in Südkorea militärische „Falken” das Sagen, die sich als Nachlaßverwalter und Erben des „Zuchtmeisters” Park verstehen und jede Liberalisierung der politischen Verhältnisse entschieden ablehnen.

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Ihre Antwort auf die wochenlangen Proteste der studentischen Jugend an fast allen Universitäten war Mitte Mai die Ausdehnung des verschärften Kriegsrechts auf das ganze Land und die sinnlose barbarische Unterdrückung des Volksaufruhrs von Kwangju in der Provinz Cholla.

Die Militärmachthaber mit dem nunmehr vor die Kulissen getretenen neuen „starken Mann” General Chon Doo Hwan an der Spitze haben sich für eine offene Herausforderung breitester Bevölkerungskreise entschieden, die übereinstimmend für Aufhebung des Kriegsrechtes und Beseitigung des autoritären Systems durch eine Verfassungsänderung und anschließende Wahlen eintreten. Ohne Zögern optierten sie für eine Neuauflage des Putsches von 1961 und die Stillegung des Parlaments, als die Absicht der Mehrheitspartei unter Führung von Parks einstigem Premier Kim Jong Pil feststand, zusammen mit den oppositionellen Neuen Demokraten für die Außerkraftsetzung des Kriegsrechts zu stimmen.

Um seiner vollständigen Machtergreifung den Anschein der Legalität zu geben, beließ Chon Staatspräsident Choi Kyu Hah, einen bewährten Bürokraten ohne eigene Hausmacht in Armee oder Regierungspartei, im Amt. Auch Park hatte vor 19 Jahren das gewählte Staatsoberhaupt Yon Po Sun zunächst als Dekorationsfigur und demokratisches Feigenblatt beibehalten.

Präsident und Regierung spielen nach der Bildung eines dem Kabinett übergeordneten und mehrheitlich aus Uniformierten zusammengesetzten „Sonderausschusses für nationale Sicherheit” unter Leitung von General Chon, bei dem jetzt alle Machtfäden zusammenlaufen, eine reine Statistenrolle. Der nach der Explosion in der Cholla-Hauptstadt eingesetzte Sonderausschuß, der laut offizieller Darstellung die Aktivitäten von Regierung und Kriegsrechtsbehörde koordinieren soll, ist faktisch für alle zivilen und militärischen Angelegenheiten zuständig. Er verfügt über einen eigenen Unterausschuß für „Säuberungen” unter der Kontrolle der Uberwachungsabteilung des Geheimdienstes.

Ohne viel Federlesens wurde jede politische Betätigung unterbunden. Alle einflußreichen Politiker, die den Militärs die Stirn zu bieten imstande wären - Gegner wie Exponenten des Park-Regimes -, sind vorübergehend verhaftet worden oder stehen unter Hausarrest:

• Kim Jong Pil, Verwandter und einstiger Mitverschwörer Parks und dessen nachmaliger Ministerpräsident. Seit der Ermordung des Staatschefs ist er Vorsitzender der staatstragenden Demokratisch-Republikanischen Partei.

• Kim Dae Jung, Uberragende Gestalt der Opposition, unbeugsamer Verfechter der Menschenrechte und Verfolgter des Regimes, nur knapp unterlegener Gegenkandidat Parks bei der letzten Volkswahl des Präsidenten vor neun Jahren. Von der Geheimpolizei aus seinem japanischen Exil verschleppt und zu langjährigem Kerker verurteilt, war er erst im Dezember vorigen Jahres während einer Phase der versöhnlichen Gesten gegenüber der Opposition auf freien Fuß gesetzt worden.

• Kim Young Sam, der als Chef der oppositionellen Neuen Demokratischen Partei eine politisch-parlamentarische Organisationsbasis besitzt, die für sich das Verdienst in Anspruch nimmt, Park in immer größere Bedrängnis gebracht und indirekt entscheidend zum Ende seiner 18jährigen Herrschaft beigetragen zu haben.

Während die beiden Oppositionsführer (die ihre Anhängerschaft wiederholt aufgerufen hatten, den Militärs nur ja keinen schäbigen Vorwand zum Einschreiten zu liefern) der „Aufwiegelung” beschuldigt werden, inhaftierte man Kim Jong Pil wegen angeblicher Korruption. Vor allem die Verhaftung Kim Dae Jungs kommt einem Affront gegen Washington gleich.

Gemeinsam mit dem greisen Exprä-sidenten Yun Po Sun hatte er an die Vereinigten Staaten den eindringlichen Appell gerichtet, in Südkorea „ein zweites Vietnam oder ein zweites Iran” zu verhindern und die in diesen Ländern begangenen Fehler - „Unterstützung von Minderheiten und Mißachtung des Volkswillens” - nicht zu wiederholen.

General Chon scheint genau zu wissen, daß die USA über wenig Mittel verfügen, auf den Lauf der Ereignisse einzuwirken, es sei denn, sie würden offen damit drohen, Südkorea fallenzulassen. Nach der blutigen Niederschlagung des Volksaufstandes vom April 1960 bedurfte es nur der angekündigten „Uberprüfung” der amerikanischen Finanzhilfe, um Präsident Syngman Rhee mit seiner österreichischen Frau ins Exil nach Hawaii zu befördern. Angesichts der schlechten Wirtschaftslage und den geringen Aussichten auf einen neuen Konjunkturaufschwung in Südkorea muß sich Washington etwaige Wirtschaftssanktionen heute sehr gründlich überlegen.

Die Vermutung, Washington habe der Beseitigung Parks aus der Uberzeugung heraus zugestimmt, daß die Repression früher oder später zu einer Revolte und zu einer Destabilisierung der Verhältnisse auf der Halbinsel geführt hätte, ließ sich nicht erhärten. Bei den gegenwärtigen internationalen Spannungen kann es sich der neue Machthaber, von dem man in Anbetracht seiner Zusammenarbeit mit den Amerikanern im Vietnamkrieg angenommen hatte, daß er einer Verständigung mit Washington zuneigen würde, offenbar leisten, die USA in Verlegenheit zu bringen.

Das State Department sah sich sogar gezwungen, Meldungen über verdächtige Bewegungen in Nordkorea und eine angebliche „Gefahr aus dem Norden” prompt als fadenscheinigen Vorwand für die Verschärfung des Kriegsrechts zu entlarven.

Während Pjöngjang die amerikanische Regierung für die Errichtung der Militärdiktatur voll verantwortlich macht, gleichzeitig aber an den Nord-Süd-Kontakten in Panmunjom festhalten will, müssen die Vereinigten Staaten hilflos zusehen, wie sie das Vertrauen der südkoreanischen Opposition verlieren, ohne dafür Einfluß auf die Machthaber in Seoul zu gewinnen.

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