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Zia legt die Uniform ab

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Der pakistanische Präsident Zia Ul-Haq hat am vergangenen 30. Dezember sein Amt als oberster Kriegsrechtsverwalter abgelegt. Seither ist Pakistan nach acht Jahren Ausnahmezustand wieder eine Demokratie mit einer gewählten Regierung und einer präsidialen Ein-Mann-Aufsichtsbehörde.

Wie lange Zia diese Vormachtstellung auch unter ziviler Herrschaft halten kann, hängt voll und ganz von der weiteren Entwicklung im Krieg in Afghanistan ab: kommt es zwischen Moskau und Washington diesbezüglich zu ei-

ner Verständigung und über kurz oder lang zum Rückzug der Sowjets aus Afghanistan, wird die amerikanische Rückendeckung für Pakistan als „Frontstaat" gegen den russischen Bären ebenfalls dahinfallen.

Es steht außer Frage, daß nur die „glücklichen" regionalpolitischen Umstände General Zia Ul-Haq und dessen Kriegsrecht, so milde es gehandhabt wurde, fast eine Dekade überleben ließen.

Niemand bestreitet, daß Zias Vorgänger, Premierminister Zul-fiqar Ali Bhutto, die wirtschaftliche Entwicklung Pakistans links liegen gelassen hatte und sich in seiner Rolle als Chef einer feudalistischen Gesellschaftsordnung gefiel.

Seine Heimatprovinz Sind mit

der Hauptstadt Karachi hatte Vorrangstellung, die vielen Minoritäten, die Belutschen, die Pata-nen oder auch die Punjabis blieben politische Randfiguren.

General Zias Putsch im Juli 1977 erschreckte deshalb die Mehrheit der Pakistaner nicht: Sie waren die Kriegsrechts-Perioden seit der Gründung des islamischen Staates 1947 gewohnt, und sie erhofften sich ob Zias Versprechen, bald Neuwahlen abzuhalten, zugleich eine Gesundung der bestehenden Strukturen. Bloß: Zia Ul-Haq, einmal an der Macht, sollte seinen demokratischen Mantel bald ablegen. Darunter zeigte sich seine Uniform in vollem Glanz. Zwar dauerten des Generals Versprechen, die Demokratie zu restaurieren, an.

Gleichzeitig betonte er den islamischen Charakter des Landes, der Parteienstrukturen nach westlichem Muster ausschließe. Zia wußte zu gut, daß jede Öffnung der Politik und freie Wahlen Bhuttos (inzwischen von Zia hingerichtet) „Pakistanische Volkspartei" zurück ans Ruder bringen würde.

Erst am 30. Dezember 1985 bequemte sich Zia Ul-Haq zu der Ankündigung, das Kriegsrecht sei ab sofort aufgehoben. Doch der Nebensatz blieb nicht aus: falls politische Auseinandersetzungen

das Land in Gefahr bringen sollten, werde die Armee sich erneut in Szene setzen. Wohl aus diesem Grund zog Zia nicht, wie erwartet, seine Uniform als Generalstabschef der Streitkräfte aus, sondern will das Oberkommando für ein paar Monate selbst beibehalten.

Dennoch zeigte der Wechsel vom Kriegsrecht zu einer beschränkten Demokratie in Pakistan einige wesentliche Änderungen. Alle zivilen Grundrechte sind wieder in Kraft gesetzt, das heißt bis zu gewissen Grenzen auch Versammlungs-, Demonstrati-ons- und Streikrecht. Vergehen gegen die verfassungsrechtliche Ordnung werden nicht mehr von Militärgerichten, sondern von der zivilen Justiz abgeurteilt.

Allerdings dürfen richterliche Entscheide, wie sie vor Ende 1985 gefällt wurden, nicht angefochten werden. Diese Einschränkung bezieht sich auch auf alle Kriegsrechtserlässe General Zias, ob sie nun im Einklang mit der Verfassung von 1973, von Volk und Parlament genehmigt, standen oder ihr widersprachen.

Im weiteren, und hier liegt der springende Punkt, dürfen auch

die politischen Parteien (seit 1977 verboten) wieder aktiv werden. Doch ebenfalls in bestimmten Grenzen: Zia Ul-Haq will den islamischen Grundton auch der künftigen Politik zugrunde legen.

Die Parteien haben sich deshalb vor ihrer Neuregistrierung auf die Achtung aller islamischen Prinzipien zu verpflichten. Ob laut dieser Voraussetzung nur religiös gefärbte Gruppierungen als politische Parteien zugelassen werden, oder ob auch Zias Opposition, namentlich die als säkular geltende „Volkspartei", eine Chance hat, wieder aktiv zu werden, müssen die nächsten Tage und Wochen zeigen.

Weder der Präsident noch sein Regierungschef Mohammad Khan Junejo haben sich hier klar ausgesprochen. Sicher ist, daß Junejos Muslim-Liga und auch die „Jamiat Islami", wie der Name schon sagt beide mit muslimischem Hintergrund, zu den ersten offiziellen Parteien gehören werden. Selbst harte Regierungskritiker fordern jedoch auch die in der „Bewegung zur Wiederherstellung der Demokratie" (MRD) zusammengeschlossenen Zia-feindlichen Oppositionen auf, die „bittere Pille des Zulassungspro-zedere" zu schlucken.

Im Moment sind vor alleni in der „Volkspartei", die heute unter

Führung Benazir Bhuttos, der Tochter des früheren Premierministers, steht, zwei Meinungen vertreten: die eine erklärt Zias Demokratisierung, besonders die Volksabstimmung von November 1984, die Zia zum Präsidenten bis 1990 installierte, als ungültig, da nur 12 Prozent aller pakistanischen Stimmbürger daran teilgenommen hätten.

Demzufolge ist laut dieser Auffassung auch die auf diesem Präsidialsystem aufgebaute Parlamentswahl vom Februar 1985 und die daraus hervorgegangenen Parlament und Regierung eine „reine Farce". Andere „PPP"-Mitglieder wollen den Zug jedoch nicht einfach so abfahren lassen. Sie verlangen ebenfalls freie Wahlen unter Beteiligung aller Parteien, wollen jedoch dafür kämpfen und durch ihre Registrierung als Partei, trotz aller islamischen Vorschriften, Präsident Zia herausfordern.

Wo die Führung der „Volkspartei", namentlich Benazir Bhutto und ihre in London im Exil lebenden Parteigetreuen, in diesem Meinungskonflikt stehen, ist noch unklar.

Dennoch wird dieser künftige Entscheid der Opposition, durch Leisetreten Zia klein beizugeben oder aber ihn zur endgültigen De-maskierung zu zwingen, für Pakistans Innenpolitik entscheidend sein.

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