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Ziele ähnlich Wege konträr

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Im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten bei den Parteienverhandlungen über die Sanierung der Wirtschaft ist ein Vergleich der beiden Wirtschaftsprogramme interessant.

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Im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten bei den Parteienverhandlungen über die Sanierung der Wirtschaft ist ein Vergleich der beiden Wirtschaftsprogramme interessant.

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Die Programme sind zwar für österreichische Verhältnisse sehr ungleichartig, am weltweiten Maßstab schroffer politischer Gegensätze gemessen, aber noch immer ähnlich.

Beide Programme bauen nämlich auf der Sozialpartnerschaft als selbstverständlichem Fundament auf.

Beide Programme gehen weiters davon aus, daß der Staat eine unverzichtbare Rolle in der Wirt-

Schaft zu spielen hat und sich nicht in das Schneckenhäuschen eines Nachtwächterstaates zurückziehen darf.

Als Ergebnis einer nunmehr dreißigjährigen österreichischen Tradition sind sich beide Programme schließlich darin einig, daß eine langfristig ausgerichtete staatliche Investitionspolitik der Grundpfeiler jeder Wirtschaftsgestaltung sein muß. International gesehen verblüffend ist auch die Ubereinstimmung in den wirtschaftspolitischen Zielen und Prioritäten.

So spricht das sozialistische Programm zum Unterschied von dem der ÖVP zwar viel von Einkommens- und Vermögensumverteilung, räumt der Verteilungspo-lilik jedoch ausdrücklich Nachrang hinter der Beschäftigungspolitik ein.

Andererseits fordert das ÖVP-Programm erstmals nicht mehr eine Antiinflationspolitik. Die ÖVP hat wohl endlich erkannt, daß die Inflationsverantwortung in Österreich vor allem bei den Sozialpartnern und nur wenig beim Staat liegt.

Beide Programme sind weiters für Wirtschaftswachstum, sehen in der Leistungsbilanz- und Budgetsanierung nach der Vollbeschäftigung die wichtigsten politischen Aufgaben.

Widerspricht diese tJberein-stimmung über die anzustreben-

den Ziele nicht der hier behaupteten fundamentalen Verschiedenheit der Programme? Durchaus nicht! Sie sind nämlich ganz verschiedener Meinung bezüglich der Wege, die in Richtung auf gleiche Ziele einzuschlagen sind.

Ein Budgetdefizit etwa kann einerseits durch Einschränkung der Staatsausgaben, andererseits über Steuererhöhungen saniert werden. Der Unterschied für die Betroffenen ist groß. Und genau hier zum Beispiel gehen die beiden Programme völlig auseinander.

Zweifel an den Grundprinzipien der österreichischen Wirtschaftspolitik machen sich heute breit. Dabei zweifeln die Sozialisten vor allem an der Zweckmäßigkeit der bisherigen Langzeitstrategie der Investitionsförderung, die OVP hingegen hält es umgekehrt nicht für sinnvoll, die bisherige kurzfristige Krisenstrategie, erhöhter Staatsaufträge, auf die Bekämpfung einer langanhaltenden Depression auszudehnen.

Als Konsequenz dieser verschieden gelagerten Zweifel an der bisherigen Wirtschaftspolitik finden sich die Hauptunterschiede der Programme gerade bei den Vorschlägen zum Staatsbudget. Die OVP setzt ihre Hoffnung vor allem auf die Hebung der Leistungsfreude und der selbständigen Entscheidung aller am Wirtschaftsprozeß Beteiligten. Sie fordert Steuersenkung oder zu-mindestens einen Belastungsstopp bei langfristig darüber noch hinausgehender Kürzung der Staatsausgaben. Sie verlangt „Ausgliederung von Bundesaufgaben, die kostengünstiger durch andere Gebietskörperschaften (das heißt: durch die Länder und Gemeinden) oder durch Private erfüllt werden können".

Ausdrücklich wird die Abschaf-

fung der Lohnsummensteuer ins Auge gefaßt, die j a arbeitsintensive Produktionen besonders belastet und damit Arbeitsplätze vernichtet. Gefördert sollen vor allem die Klein- und Mittelunternehmen (auch bei der öffentlichen Auftragsvergabe) werden. (Das nennt man Dekonzentration in der Wirtschaft, ein wichtiges Anliegen der ÖVP.)

Die SPÖ sagt nicht so ausdrücklich, daß sie vor allem die Belastungen anheben und die Wirtschaft stärker zentral kontrollieren will. Aber eine Fülle handgreiflicher Einzelvorschläge spricht hier Bände.

Sozialisten für mehr staatliche Investitionen

Das Programm hält bei der Besteuerung im engeren Sinne noch immer ausdrücklich fest: „Die Zinsen von Guthaben auf anonymen Konten sollen durch eine Anonymitätsabgabe besteuert werden"; es verlangt „eine Umgestaltung des Kfz-Pauschales" und fordert, „die Einheitswerte bei nichtlandwirtschaftlichen Grundstücken sollen in raschen Abständen angehoben werden."

Zur Krönung wird „der Ausbau der Kontrollmöglichkeiten" im Steuerwesen, zum Beispiel die Rechnungslegungspflicht, ange-peüt.

Kern der staatlichen Wirtschaftsförderung in Österreich war immer die öffentliche Investitionspolitik. Hier gehen die beiden Programme nochmals ganz verschiedene Wege. Die Sozialisten wollen mehr staatliche Investitionen und bei den privaten eine Forcierung der sogenarmten „direkten" Förderung; das heißt, daß durch Beamte und Kommissionen an ganz bestimmte, ausgewählte Unternehmen verbilligte Kredite vergeben werden.

Aus dem Programm is herauszulesen, daß die Sozialisten solche Kredite vor allem in das bodenlose Faß der verstaatlichten Industrie schütten wollen. Die Sozialisten wollen andererseits das gegenwärtige System der steuerlichen Investitionsförderung, vor allem „die vorzeitige Abschreibung schrittweise reduzieren". Sie wollen also gerade von demjenigen abgehen, das soeben in den USA als neueste Neuerung zur Wirtschaftssanierung eingeführt wird!

Die ÖVP schlägt den umgekehrten Weg ein. Sie glaubt, „in der Regel begünstigt die direkte Investitionsförderung (bzw. staatliche Wirtschaftslenkung) Großprojekte (General Motors) und unwirtschaftliche Defensivinvestitionen". Sie meirtt daher, „die Mittel für die indirekte (das heißt steuerliche) Investitionsförderung dürfen keinesfalls reduziert werden".

Zwei sehr unterschiedliche Programme liegen also vor. Wollen wir hoffen, daß die künftigen politischen Entscheidungen der Österreicher und die Aspekte der Programme, die aufgrund dieser Entscheidungen verwirklicht werden, dazu beitragen, daß wir ein freies Land bleiben, nicht aber ein Land ohne Arbeit und Erwerb für Arbeitswillige werden.

Dr. Erich Streissler ist Professor für Volkswirtschaftslehre, Ökonometrie und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Wien

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