6892141-1979_49_17.jpg
Digital In Arbeit

Ziele der Seelsorge

Werbung
Werbung
Werbung

Das Auftreten neuer Sekten und Erweckungsbewegungen der Freikirchen in den letzten Jahren stellt für die Kirche eine Herausforderung dar, die in Salzburg wahrscheinlich stärker als in anderen Diözesen Österreichs zu spüren ist. Schon seit längerer Zeit ist aber auch in der Kirche selbst ein Aufbruch an spirituellen Bewegungen vorhanden, der sozusagen außerhalb seelsorglicher Pläne und Initiativen zu einer erstaunlichen Erneuerung ganzer Pfarrgemeinden geführt hat.

Für die Erzdiözese Salzburg stellt sich angesichts dieser „Zeichen der Zeit“ die Frage, wie diese religiösen Initialzündungen für den Alltag der Seelsorge fruchtbar gemacht werden können und wo die geistigen Grundlagen für dieses Beginnen zu suchen sind.

Eine Antwort auf die Frage, wie diese Aufbrüche fruchtbar gemacht werden können, versucht der Pastoralplan für die Erzdiözese zu geben, der unlängst vom Pastoralrat verabschiedet wurde und für die seelsorglichen Weichenstellungen bis 1984 maßgebend sein wird. Ausgehend von einer Analyse der Situation - dem Mangel an Lebenssinn steht die neue Sehnsucht nach Transzendenz gegenüber, der Kollektivierung des Lebens der Wunsch nach persönlicher Gestaltung, der Übermacht des Materialistischen die Suche nach einem alternativen Lebensstil, der Krise von Ehe und Familie das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Geborgenheit - nennt er zwei Ziele: die geistliche Gemeinde und die missionarische Gemeinde.

Ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einer „geistlichen Gemeinde“ wird in der Förderung der spirituellen Bewegungen wie „Lombard!“, „Focolare“, „Cursillo“ und „charismatische Gemeindeemeuerung“ gesehen. Diese Gruppen haben schon bisher bei ihren Mitgliedern eine echte religiöse Umkehr bewirkt. Für die Kirche als Ganze wären aber noch viele Kräfte in ihnen frei zu machen.

Entscheidend wird sein, daß diese Gruppen offen bleiben, noch offener werden für jene, die eine klare Ausrichtung für ihr Leben oft nur bei den

Sekten zu finden glauben. Darüber hinaus wird es zu einer Konzentration der Kräfte kommen müssen: Das sicherlich wertvolle und notwendige Eigenleben der einzelnen Bewegungen soll im großen Zusammenhang gesehen werden und in gemeinsamen Initiativen in die Öffentlichkeit hineinwirken.

Das zweite Ziel, die „missionarische Gemeinde“, hat die „dringliche Einladung“ jener Menschen im Auge, die sowohl an außer- wie innerkirchlichen religiösen Aufbrüchen unbe-

rührt vorbeigehen. Der Pastoralplan nennt in diesem Zusammenhang vor allem den Ausbau der „Pastoral zu den Lebenswenden“ sowie der Kontakte zu Fernstehenden durch Hausbesuch, Wohnviertelapostolat und ähnliches.

Mit organisierter Seelsorge allein wird freilich das Problem der (unbewußten) Abwesenheit Gottes im Leben vieler unserer Mitmenschen nicht zu lösen sein. Vielmehr wird es darauf ankommen, ob es gelingt, jeden einzelnen Katholiken davon zu überzeugen, daß sein Glaube keine Privatsache fürs stille Kämmerlein ist, sondern wesentlich den Missionsauftrag zum Inhalt hat.

Damit ist auch schon eine der wesentlichen geistigen Grundlagen für die Antwort der Kirche von Salzburg auf die „Zeichen der Zeit“ genannt: Wir brauchen wieder mehr Missionsgeist, der freilich nicht in Fanatismus ausarten darf. Der Fanatiker verbirgt seine Unsicherheit und versucht, den anderen durch Gewalt oder List für sich zu gewinnen. Der echte Missio nar dagegen handelt aus dem Bewußtsein, daß er eine gute Sache anzubieten hat.

Obwohl die Bibel eine eindeutige Sprache spricht - wer mich nicht vor den Menschen bekennt, den werde auch ich vor dem Vater nicht bekennen -, scheint der missionarische Eifer bei Gruppen außerhalb der Kirche eher sichtbar. Uns Katholiken scheint weitgehend das Bewußtsein dafür verlorengegangen zu sein, daß Glaube durch das Zeugnis von Mensch zu Mensch vermittelt wird.

Jeder einzelne muß in seinem Lebensbereich seine christliche Überzeugung nicht nur leben, sondern auch davon reden, von sich aus, offensiv das Glaubensgespräch suchen. Es gilt also nicht nur nicht auszuweichen, wenn jemand mit einer religiösen Frage an mich herantritt, sondern auch aus eigener Initiative das Gespräch mit den Mitmenschen über Wert-, Sinn- und Glaubensfragen zu beginnen. Damit allein ist es allerdings nicht getan. Wir müssen die Kirche auch zum Ort einer heimischen Atmosphäre machen, in der fragende Menschen Unterstützung finden, sich wohl fühlen. Sonst passiert es, daß wir in den Menschen Hoffnungen wecken, die unerfüllt bleiben und zu Enttäuschungen führen.

Die zweite geistige Grundlage für die Verkündigung der Botschaft in unsere Zeit hinein wurde indirekt bereits angesprochen: missionarisches Wirken braucht ein gesundes Selbstbewußtsein, das nicht auf Stolz und Eingebildetheit auf eigene Leistungen gebaut ist, sondern auf die Zusage Jesu, daß er trotz all ihrer Fehler mit seiner Kirche, bei seiner Kirche sein wird.

Bleibt als dritte Grundlage und Basis die Christusverbundenheit ohne Vorbehalte, die im Glauben nicht nur eine Zustimmung des Verstandes sieht, sondern das totale Vertrauen zu Jesus, das im Ja zum Sterben und Auferstehen mit ihm den tiefsten Ausdruck findet. Die neuen Bewegungen formulieren dieses Ja verschieden, meinen aber alle das gleiche: Die Bereitschaft, das eigene Leben zu verlieren, um mit ihm das eigentliche Leben zu gewinnen. Eswäre sinnlos und es würde dem Gedanken an die Auferstehung widersprechen, wollte man sich gewisse Bereiche reservieren (Lieber Gott, vor diesen oder jenen lästigen Menschen, dieser Krankheit mußt du mich bewahren, das oder jenes darfst du mir ja nicht nehmen usw.). Dies würde bedeuten, daß man im „alten Kleid“ auferstehen möchte, auf das Gott nur den einen oder anderen „neuen Flecken“ setzen dürfte. Christusverbundenheit ohne Vorbehalte bedeutet nichts anderes als die Taufe: der alte Mensch muß sterben, damit der neue leben kann.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung