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Zimmer ohne Aussicht

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Die Zielgruppe schrumpft - und damit kommt in Ostösterreich die herkömmliche Sommerfrische aus der Mode. Die Quartieranbieter müssen neue Ideen haben.

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Die Zielgruppe schrumpft - und damit kommt in Ostösterreich die herkömmliche Sommerfrische aus der Mode. Die Quartieranbieter müssen neue Ideen haben.

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Im Sommer des Vorjahres gab es in Podersdorf am Neusiedler See gewaltige Einbußen im Fremdenverkehr. Die Gemeinde mit den meisten Ubernachtungen im Burgenland konnte im Juni 1986 nur drei Viertel ihrer aus den Vorjahren gewohnten Gäste begrüßen.

Die Weinbauernfamilie Strud-1er hat davon nichts gemerkt. Die zwei Doppelzimmer und drei Einzelzimmer waren wieder von Juni bis September voll. Alles alte Stammkunden, die nicht zuletzt wegen des Weines kämen, erklärt der Jungbauer stolz.

Es ist dies aber ein eher untypisches Beispiel für den Osten Österreichs. Signifikant ist eher die Familie Hartmann aus Penk in der niederösterreichischen Buckligen Welt.

„Gäste haben wir schon seit einigen Jahren keine mehr einquartiert“ , klagt Johanna Hartmann. Hie und da würden Monteure aus Neunkirchner Betrieben bei der Familie übernachten, aber den Großteil der Zeit stünden die sieben Betten leer. Nur wenn der Mostheurige ausgesteckt ist, dann tut sich was am Hof.

Bauern im Alpenvorland, die nur Sommerfrische anbieten können, leiden kräftig an der Krise des heimischen Fremdenverkehrs mit.

Seit 1982 übernachten von Jahr zu Jahr weniger Gäste in allen angebotenen Unterkünften. Privatquartiere spüren den Rückgang noch stärker. Zwischen 1980 und 1985 schnellte er auf 25 Prozent, in den Sommersaisonen desselben Zeitraumes sogar auf 33 Prozent. Diese Entwicklung betrifft die 14.000 Landwirte, die 104.000 Betten anbieten. „Urlaub am Bauernhof“ bringt in alpinen Lagen etwa ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 20.000 Schilling, die Kollegen im Alpenvorland kommen im Vergleich nur auf 164 Schilling.

Die Begründung für diese Entwicklung ist schnell gefunden. Sommerfrische nimmt als Urlaubsform stark ab, weil das Zielpublikum, ältere Menschen mit Familie, kleiner wird. Die Jungen fahren im Sommer lieber ans Meer, genehmigen sich ausgedehnte Winterurlaube oder Städteflüge.

164 Schilling/Jahr

Aber auch Landwirte in östlichen Schigebieten kämpfen hart an der Wirtschaftlichkeitsgrenze. Die Bettenauslastung liegt österreichweit bei 16 Prozent. Das bedeutet, daß die Saison gerade 58 Tage dauert. „Wer aber weniger als 60 Tage im Jahr vermieten kann“ , wissen dazu Experten aus der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer, „wird normalerweise Verluste machen.“

Das bedeutet nichts anderes, als daß mit einem Preis von 100 Schilling für Nächtigung und Frühstück und mit Investitionskosten von 30.000 Schilling pro Bett kein Geschäft zu machen ist. Erst ab einer Saisondauer von 80 Tagen kommen die Betriebe in die schwarzen Zahlen imd verdienen rund neun Schilling pro aufgewendete Arbeitsstunde!

Mitte der siebziger Jahre hat die Relation noch gestimmt. Fast zu 30 Prozent waren im Durchschnitt die Zimmer vermietet, und es konnten sowohl die Schulden abgezahlt, als auch ein wenig verdient werden.

Josef Strudler aus Podersdorf spielt trotzdem mit dem Gedanken, noch ein paar Betten dazuzu-bauen. Er hofft weiterhin auf die Werbewirksamkeit seines Weines. Im ganzen Bundesgebiet geht hingegen die Zahl der Privatbetten zurück. Seit 1980 gibt es um 49.000 oder elf Prozent weniger.

Ein Viertel davon stand auf Bauernhöfen.

Auch Frau Hartmann erinnert sich noch an die guten Zeiten: „Vor zehn Jahren war bei uns noch was los, aber heute haben wir in der ganzen Ortschaft, und das sind an die 60 Betten, nur 600 Ubernachtungen.“ Deshalb wol-

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len sie etwas Schwung in die Werbung bringen.

Mit neuen Prospekten - die alten waren gut zehn Jahre in Verwendung und schon überholt -wollen sie neue Gäste an Land ziehen. Auch von Werbeauftritten bei öffentlichen Veranstaltungen erhoffen sich die Penker wieder Zuwächse.

Aber auch die Funktionäre der Landwirtschaftskammer wollen sich ins Zeug legen. Haben sie doch vor ein paar Jahren interessierten Bauern noch zum Ausbau einiger Zimmer geraten.

Geraten wird jetzt zu einem Zusammenschluß in der Form von Gästeringen, von denen es in Niederösterreich mittlerweile sechs gibt. Diese Zusammenarbeit erleichtere einerseits sinnvolles Marketing, aber auch die Erstellung eines Freizeitangebotes, ist sich der Kammerfunktionär sicher, und beides hält er für unbedingt nötig. Auch die Steigerung des Komforts könne er nur empfehlen, da der Trend im Tourismus eindeutig in dieser Richtung liege.

Doch wer investiert schon gerne in Krisenzeiten?

Die rosigen Zeiten - so scheint’s - sind jedenfalls für den Großteil der ostösterreichischen Beherbergungsbetriebe vorbei.

Der Autor ist Nebenerwerbsbauer in Niederösterreich.

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