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Zinsen als Inflationsprämie?

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Die öffentliche Meinung, gelegentlich aber auch Vertreter des Bankenapparates (zuletzt BAWAG-Generaldirektor Klen-ner) fordern angesichts einer Inflationsrate von fünf Prozent immer vehementer höhere Zinssätze für Spareinlagen, um so „Verluste" der von der Inflation betroffenen Sparer abzugelten. Es muß erwartet werden, daß diese Forderung um so stärker erhoben werden wird, je mehr die Parteien im kommenden Wahlkampf einander mit populären Versprechen übertrumpfen wollen.

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Die öffentliche Meinung, gelegentlich aber auch Vertreter des Bankenapparates (zuletzt BAWAG-Generaldirektor Klen-ner) fordern angesichts einer Inflationsrate von fünf Prozent immer vehementer höhere Zinssätze für Spareinlagen, um so „Verluste" der von der Inflation betroffenen Sparer abzugelten. Es muß erwartet werden, daß diese Forderung um so stärker erhoben werden wird, je mehr die Parteien im kommenden Wahlkampf einander mit populären Versprechen übertrumpfen wollen.

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Dabei verdient es Beachtung, daß die Diskussion um eine Erhöhung des geltenden Zinssatzes für täglich fällige Spareinlagen in der Bundesrepublik Deutschland nach einer Reihe schlechter Erfahrungen mit der flexiblen Eckzinssatzpolitik schließlich zur Feststellung des Bundesbankpräsidenten Klasen geführt hat, daß es nicht gerechtfertigt ist, eine Beziehung zwischen Spareckzins und Verbraucherpreissteigerung herzustellen.

Der erste Inhaber eines national-ökonomischen Lehrstuhles in Ox-

ford, Nassau-Senior, rechtfertigte den Zins mit seiner Abstinenz-theorie: Der Konsumverzicht beziehungsweise das „Spargeld" soll mit dem Zins abgegolten werden. Heute hat der Zins weder die Funktion, Konsumverzicht abzugelten, noch die Preissteigerungen auszugleichen; der Zins ist vielmehr ein Preis, und zwar mit komplizierten gesamtwirtschaftlichen Verbindungen, also ein Preis sui generis.

Die österreichische Habenzinsregelung paart durch die völlige Freiheit der Kreditzinsen ein Maximum an Wettbewerb mit einem Optimum an Selbstverwaltung mit subsidiärem Eingriflsrecht der Aufsichtsbehörde. Zinsbildungen sind daher keine Fragen der marktwirtschaftlichen Ordnung, in der sich der „Monokapita-lismus" der Banken durchsetzt, sondern eine kredit- und währungs-politisdie Notwendigkeit.

Der österreichische Durchschnittssparer ist an langfristig stabile Zinssätze für seine Einlagen gewöhnt. So gilt der aktuelle Habenzins von 3,5 Prozent schon seit fast zwanzig Jahren. In diesem Zeitraum folgten fünf Konjunkturzyklen aufeinander. In den Phasen verstärkter ökonomischer Aktivität innerhalb dieser Zykleą lįjerzeiehnetęn >yir in Österreich Unterschiedlich höhe Raten der Oeldentwertung. Wenn in den letzten zwanzig Jahren der Habenzinssatz nicht als Instrument im Dienste der Konjunkturpolitik eingesetzt wurde, so geschah dies nicht zuletzt im Hinblick auf die Erfahrungstatsache, daß Manipulationen mit dem Habenzins — weder nach oben noch nach unten — kein geeignetes Werkzeug zur Infiationsbekämpfung sind. Außerdem wäre eine Inflationsprämie in Form einer Erhöhung des Habenzinssatzes nur Wasser auf die Mühlen jener, die da meinen, mit der Inflation lasse es sich ganz gut leben. Denn eine Erhöhung der Habenzinsen müßte unweigerlich auch zu einer Erhöhung der Diskontrate und damit der Kreditkosten führen. Davon wären in ersiter Linie die zins-bzw. kreditabhängigen Investitionen, also die Invesrtitionen in die Infrastruktur, betroffen. Auch nur eine geringfügige Erhöhung des Zinssatzes für langfristiges Fremdkapital bedeutet entweder einen prompten Mehraufwand des Investors oder eine laufende Erhöhung des Amortisationsdienstes, die der Kreditnehmer, je nachdem, ob es sich um eine öffentliche Institution der Finanzwirtschaft (Bund, Länder, Gemeinden) oder um eine private Institution handelt, über die Steuern bzw. über die Preise wieder kassieren würde.

„Wer spart, 1st dumm"

Es gibt nach Adam Riese nur zwei Möglichkeiten, sein Einkommen zu verwenden: entweder es zu verbrauchen oder es nicht zu verbrauchen, also zu sparen; eine dritte oder vierte Mögüohkeit gibt es nicht. Wenn nun Einkommensteile, die bisher laufend gespart wurden, künftig zusätzlich verbraucht werden, dann werden bei gleichbleibendem Angebot von Waren und Dienstleistungen die Verbraucherpreise um so schneller steigen, ohne daß die früheren Sparer insgesamt mehr Güter erhalten können. Keineswegs können sie ihr Einkommen zu konstanten Preisen verbrauchen; sie „sparen" also zwangsweise über höhere Preise, ohne daß sie einen Vermögenszuwachs haben. Das wäre der ganz kümmerliche Erfolg des Sparboykotts: Die Bevölkerung muß so oder so sparen, nur erwirbt sie im Falle des Boykotts kein Vermögen. Deshalb ist die emotionsgeladene Behauptung „Wer spart, ist dumm" ökonomischer Unsinn; sie schadet nur den Sparern.

Der österreichische Durchschnittssparer weiß das im übrigen: Im ersten Semester dieses Jahres erfuhren die Spareinlagen im gesamten

Kreditapparat mit 4,4 Prozent eine bedeutend höhere Zuwachsrate als im ersten Semester des Vorjahres. Dies bestätigt im übrigen eine empirische Weisheit: Die Auswirkungen der Inflation, sofern es sich dabei um keine galoppierende handelt, auf die Spartätigkeit ist geringer, als allgemein angenommen wird. Allerdings wechseln die Sparer von den kurzfristig niederverzinslichen zu den langfristig höher verzinslichen Einlagen. Die sehr hohe Wachstumsrate bei den gebundenen Spareinlagen und die große Nachfrage nach festverzinslichen Wertpapieren in den ersten sechs Monaten dieses Jahres beweisen dieses rationale Sparverhalten.

In einem aber muß man den Kritikern an der Höhe des Eckzinssatzes für täglich fällige Spareinlagen uneingeschränkt recht geben: Solange die Stabilität des Preisniveaus nicht wiederhergestellt ist, so lange bleibt alle Anlagenberatung ein sozial fragwürdiges Stückwerk. Es gibt in einem sozialen Rechtsstaat keine Alternative für die Geldwertstabilität. So falsch es wäre, die gegenwärtigen inflationistischen Tendenzen zu verniedlichen, so falsch wäre es auch, den Geldschwund durch eine Inflationsprämie, die weitere inflationistische Effekte ausstrahlt, abzugelten.

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