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Zu Czettel hat SPÖ keine Alternative

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Seit 18. September ist es, die Zustimmung der ÖVP-Delegierten am Landesparteitag im November vorausgesetzt, fix: Andreas Maurer übergibt Landes- und Parteihof an Siegfried Ludwig (FURCHE 36/80). Nicht nur Niederösterreichs ÖVP, auch die SPÖ verknüpft damit Hoffnungen.

SPÖ-Obmann Hans Czettel nutzte bereits die Sommermonate. Er griff die mit Reformen beschäftigte ÖVP heftig an und kratzte am Image des abtretenden Landesvaters Andreas Maurer.

Czettels Hauptvorwurf: SPÖ und ÖVP hätten im niederösterreichischen Landhaus in der Wiener Herrengasse keinen „Brückenkopf", weil Maurer nie das Gespräch mit dem politischen Gegner suche. Maurer breche Vereinbarungen. So habe er auch das Parteienabkommen gebrochen, das der SPÖ nach den Landtagswahlen 1979 mehr Macht eingeräumt hätte.

Das Säbelgerassel könnte auf die Stärke der SPÖ im Land unter der Enns hindeuten und darauf, daß sie die noch schwarze Hochburg Niederösterreich im nächsten Wahlkampf nehmen will. Tatsächlich: Der Stimmenvor-sprung der ÖVP ist 1979 auf nur 19.000 zusammengeschmolzen.

Aber der Waffenlärm trügt. Ein Ereignis erhellte blitzlichtartig eine Reihe parteiinterner Probleme.

Da mußte plötzlich an der Spitze des SP-Landtagsklubs ein Wechsel eingeleitet werden. Der Waldviertier Josef Leichtfried, 54, erst seit den Landtagswahlen Klubchef, tritt aus gesundheitlichen Gründen ab. Die Klubführung übernimmt der um zwei Jahre ältere Hermann Lechner.

Leichtfried, er war aus dem Bundesrat gekommen, hatte dem Landtag zwölf Jahre gedient. Noch vor den 79er-Wahlen war er als möglicher Landesrat fürs Ressort Soziales und Gesundheit (auch in Nö eine SP-Domäne) im Gespräch. Als jahrelanger Leiter der Arbeiterkammer-Außenstelle Waidho-fen/Thaya hätte er Voraussetzungen mitgebracht.

Dann aber rückte der frühere Klubchef Ernest Brezovszky in diese Position.

Leichtfried konnte sich bald in der Klubführung profilieren. Mit seinen scharfen Formulierungen trieb er nicht nur einmal die ÖVP in die Enge. Trotzdem galt er auch beim Gegner als konsensbereit.

Hermann Lechner, der neue SP-Klubchef, ist Bürgermeister von Ga-ming, einer der größten Gemeinden in Niederösterreich. Sein „Spezialgebiet" ist die Kommunalpolitik. Er war bisher einer der drei Vertreter des Klubchefs und gilt als Fachmann in allen Fragen, die den Hypobankskandal betreffen, der den Landtag im Herbst noch ausführlich beschäftigen wird.

Lechner, von Beruf Lehrer, hat schon sein politisches Programm angedeutet: Er will gegen die „brutale Personalpolitik" der ÖVP zu Feld ziehen (in Nö gibt es keinen „roten" Bezirkshauptmann und der ihr im erwähnten Parteienabkommen zugestandene zweite Landesamtsdirektor-Stellvertreter fiel mit dem Pakt).

Auch die Position des Obmanns im blau-gelben „Rechnungshof (Finanz-Kontrollausschuß) soll für die SPÖ erobert werden. Schließlich sei die SPÖ - wenn auch eine sehr starke -Minderheit im Landtag.

Die Personal-Rochade an der Spitze des SP-Landtagsklubs hat keine Verjüngung erbracht. Mit einer Verjüngung an der SPÖ-Landesparteispitze dürfte in nächster Zeit auch nicht zu rechnen sein.

Erst beim sozialistischen Landesparteitag im Frühjahr, den Czettels zweiter Herzinfarkt überschattet hatte, schwor sich das rote Parteikader auf Hans Czettel, 57, ein. Selbst Landesparteisekretär Max Strache, der kein ganz störungsfreies Verhältnis zu seinem Chef haben soll, rechnet mit Czettels Popularität im Parteifußvolk, hat er doch 1979 der ÖVP zwei Mandate abgenommen (es steht jetzt 29:27). Da Maurer nun im Herbst abtritt, soll Czettel dem jüngeren ÖVP-Chef Siegfried Ludwig gegenüberstehend als „Landesvater" verkauft werden.

So sieht wahrscheinlich die Strategie Straches aus, dem man selbst Nachfolgegelüste nachsagt. Diese wurden sicher spätestens nach der SP-Niederlage in Straches Wahlheimatgemeinde Wölbung im Dunkelsteinerwald (Strache ist ein sogenannter „Zugroaster" aus der Steiermark) gedämpft.

Schon im Frühjahr hatte die ÖVP das „rote" Wölbung „umgedreht". Bei der Wahlwiederholung nach Anfechtung durch die FPÖ am 14. September präsentierte sich Strache als zweiter Spitzenkandidat der SPÖ. Mißerfolg: Zwei weitere Mandate wanderten zur ÖVP.

Nicht so beliebt ist auch Niederösterreichs Arbeiterkammer-Präsident Josef Hesoun, den Gewerkschafter als „Kronprinzen" favorisieren. Beim Landesparteitag am 1. März 1980 mußte er bei der Wahl zum Landesobmann-Stellvertreter die meisten Streichungen (70) hinnehmen.

Als Czettels Stellvertreter profiliert hat sich Kulturlandesrat Leopold Grünzweig. Aber er ist 57, Czettels Jahrgang.

Gehandelt wird als Czettel-Nachfol-ger auch SPÖ-Zentralsekretär Karl Blecha. Er sitzt auf einem blau-gelben Nationalratsmandat. Doch wie man hört, zöge man im Land eher einen neuen Chef vor, der in der Landespolitik groß geworden ist.

Präsident Hesoun spricht im Zusammenhang mit der Czettel-Nachfolge-frage vom vorhandenen „guten Unterbau" der Landespartei. Den gibt es auch. Doch die Jungen, die 1979 in den Landtag gezogen sind, müssen sich erst profilieren.

Hans Czettel hat mit seiner Selbsteinschätzung scheinbar recht: „Zur Zeit kündigt sich niemand an, der es besser machen könnte..."

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