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Zu den Quellen der Antike

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Entsprechend seinem museumspolitischen Konzept, zumindest einmal im Jahr die statische Präsentation der Exponate des Kunsthistorischen Museums zu unterbrechen, zeigt der Erste Direktor des Hauses, Hermann Fillitz, gemeinsam mit Konrad Oberhuber, dem Direktor der Graphischen Sammlung Albertina, bis 18. Februar wieder eine Sonderausstellung. Anknüpfend an die vorjährige Schau „Pragum 1600“ ist auch diese Veranstaltung der Kunst eines Fürstenhofes gewidmet. Galt sie 1988 einer spezifischen Form der Hochrenaissance, dem von Rudolf II. bevorzugten Manierismus, führt die von Mantua übernommene, allerdings stark modifizierte Ausstellung „Fürstenhöfe der Renaissance - Giulio Romano und die klassische Tradition“ in die vitale und sinnenfreudige Welt der Gonzagas im oberitalienischen Mantua.

Veranstaltungsort der Ausstellung ist diesmal die Neue Hofburg, und zwar jener bislang vernachlässigte Teil des 1913 geplanten „Kaiserforums“, in dem die Sammlungen des 1914 ermordeten Thronfolgers Franz Ferdinand untergebracht werden sollten.

Nicht nur der Corps de Logis mit seinen Fresken, sondern auch alle angrenzenden, zwischen Völkerkundemuseum und Nationalbibliothek etablierten, frisch renovierten Säle mit zumeist in Terrakotta, Blau-Grau und Grün gehaltenen Wänden und Zwischenwänden stellen sich als harmonischer Rahmen für diese an der wiederentdeckten Antike geschulten Werke vor. Nach Ende der Sonderausstellung werden die Exponate der Hof jagd- und Rüstkammer des Kunsthistorischen Museums hier endlich ein würdiges Domizil finden - die Harnisch-Sammlung gehört neben jener Madrids zu den schönsten der Welt.

Auch die Ausstellung „Fürstenhöfe der Renaissance“ führt eine Reihe von reich mit Helden und Szenen aus der Antike geschmückten Rüstungen, Sturmhauben und eisengetriebenen Rundschilden des 16. Jahrhunderts aus ehemaligem Habsburgereigentum vor und kommt ohne besondere Inszenierungseffekte aus. Die kaisertreuen Markgrafen der Gonzaga, von Karl V. zu Herzögen erhoben, beriefen 1524 von Rom in ihre Residenzstadt Mantua den Stadtplaner, Architekten, Graphiker, Maler, Dekorateur, Erfinder kostbarer Kleinkunst, Entwerfer prachtvoller Wandteppiche und Organisator triumphaler Umzüge und Feste Giulio Romano als den prägenden Geist. Dieser hatte seine Wurzeln in Rom bei Raffael, er hatte Vorgänger am Gonzaga-Hof (Andrea Montegna) und Bewunderer (Maximilian II. und Ferdinand von Tirol) sowie Nachahmer. So sind in dieser umfangreichen Präsentation der Kunst des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts auch Werke von Corregio, Tizian, Paolo Veronese, Peter Paul Rubens und Nicolas Poussin zu sehen.

Giulio Romanos Hauptwerk, der im Stil einer antiken römischen Villa konzipierte, mit Fresken und Stukkaturen verzierte Palazzo del Te - in der Hofburg steht ein Rekonstruktionsmodell - beeindruckte seinerzeit auch den Mantuaner Antiquar Jacopo Strada, sodaß der Habsburger Maximilian II. das Schloß Neugebäude nach dessen Beschreibungen errichten ließ.

Der Ausstellungsbesucher wird deshalb auch mit Arbeiten von Schülern und Zeitgenossen Romanos wie Jan Scorel und Jacopo Alari-Banacolsi, genannt Antico, aber auch mit einigen reliefierten

Architekturteilen des Neugebäudes konfrontiert. Sie sind auf Kosten der Stadt Wien aus Schönbrunn in die Hofburg gebracht worden. Dorthin nämlich hatte Hofarchitekt Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg vom Neugebäude abgebrochene Friese zur Komplettierung der „Römischen Ruine“ und Gloriette bringen lassen.

Im Gegensatz zu der - unter Mitwirkung von Konrad Oberhuber -in Mantua gezeigten Schau spielen daher die Arbeiten Giulio Romanos nicht die gleiche dominante Rolle: es fehlt vor allem die Begegnung mit den eigenwilligen Dekorationen des Palazzo del Te. Trotzdem stehen Giulio Romanos Schöpfungen im Mittelpunkt.

Besonders typisch für diesen All-roundkünstler, der eigentlich Giulio Pippi hieß, von 1499 bis 1546 lebte und mit fünfundzwanzig Jahren an den Hof des etwa gleichaltrigen Federico II. gekommen war, sind realistisch gestaltete, witzig interpretierte und derbe Szenen: seine Madonnen sehen aus wie Juno und die Heiligen wirken wie antike Heroen. Als Beispiel dafür dürfen zwei prominente Ölbilder aus dem Besitz der UdSSR angeführt werden: „Die Dame mit dem Spiegel“ und das „Liebespaar“ aus der Leningrader Eremitage.

„Die Dame mit dem Spiegel“ ist bis auf einen Schleier, ein Haisund Armband sowie einen von Francescos Mutter Isabella d'Este kreierten Turban nackt dargestellt. Das Ambiente - ein auf einer Balustrade sich räkelnder Affe als Symbol der Libido - kennzeichnen die von einer häßlichen Alten beobachtete Frau als Kurtisane.Das „Liebespaar“ frappiert durch den realistisch wiedergegebenen Liebesakt.

Das Bild dürfte ein Empfehlungsgeschenk Giulio Romanos an den für seine abwechslungsreichen Amouren berüchtigten Markgrafen gewesen sein. Eine Terrakottabüste Gianf ranco Romanos hält seine derben Züge fest. Wie seine in jungen Jahren ob ihrer Schönheit und Bildung als erste Dame Europas besungene Mutter ausgesehen hat, zeigt hingegen ein von Tizian nach einem Porträt Francias gemaltes Ölgemälde.

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