7019162-1988_38_16.jpg
Digital In Arbeit

Zu Gast in unserm Ländle

Werbung
Werbung
Werbung

Der Fremdenverkehr ist in Vorarlberg zu einer wichtigen Säule der Wirtschaft und des Lebensstandards der Bevölkerung geworden. Die im Vorjahr erzielten 12,5 Milliarden Schilling Gesamteinnahmen hatten einen Anteil von rund 20 Prozent am Bruttore-gionalprodukt; die nach Abzug der Vorleistungen verbleibenden 5,6 Milliarden Schilling trugen acht Prozent zur Nettowertschöpfung von Vorarlbergs Wirtschaft bei. Nur etwas mehr als die Hälfte der Gesamteinnahmen flössen der Fremdenverkehrswirtschaft zu, die übrigen Einnahmen gingen direkt in andere Wirtschaftszweige. Die Steuerleistung — nach Abzug der Subvention - lag bei 4,3 Milliarden Schilling, davon verblieben 515 Millionen Schilling beim Land und den Vorarlberger Gemeinden. Weiters sichert der Tourismus 14.200 Arbeitsplätze Selbständiger und Unselbständiger und war somit der drittwichtigste Arbeitgeber im Lande.

Die Rahmenbedingungen für einen florierenden qualitativen Fremdenverkehr langfristig abzusichern, ist das wichtigste Ziel der Vorarlberger Fremdenverkehrspolitik. Im Zuge des sich abzeichnenden Binnenmarktes der Europäischen Gemeinschaft heißt dies, den Beitritt sobald wie möglich anzustreben.

Vorarlbergs Fremdenverkehr ist aufgrund der Lage des Landes im äußersten Westen Österreichs stärker von der EG abhängig, als dies bei den anderen Bundesländern der Fall ist; über 80 Prozent seiner Gäste kommen aus den EG-Ländern. Eine Reihe der im EG-Binnenmarkt vorgesehenen Maßnahmen wirken sich nachhaltig und überwiegend positiv auf den Fremdenverkehr aus, sodaß im Falle eines Nichtbeitritts mit erheblichen Nachteilen für unseren Tourismus zu rechnen wäre.

Insbesondere zu nennen sind die Abschaffung aller Grenzkontrollen, der freie Waren- und Devisenverkehr, die Harmonisierung der Steuern, die Niederlassungsfreiheit für alle Gewerbetreibenden, die Abschaffung der Arbeitsbewilligungen, die Liberalisierung im Luft- und Busverkehr, die EG-Bankomatkarte, die EG-Gesundheitskarte, der Förderungstopf zur Strukturverbesserung für Fremdenverkehrsgebiete und schließlich die gemeinsame Werbekampagne „Urlaub in Europa“.

Vorarlberg hat als erstes Bundesland nach intensiver Diskussion eine Resolution zu dieser existentiellen Frage anläßlich des Fremdenverkehrstages 1988 gefaßt. Auf der Basis dieser Resolution, die den folgenden Wortlaut hat, werden nun die weiteren fremdenverkehrspolitischen Schritte zu setzen sein:

„Der Fremdenverkehrstag ist sich einig darüber, daß Vorarlberg historisch, kulturell und politisch zu Europa gehört und daher im Verband des österreichischen Staates Teil eines integrierten Europa werden sollte. Eine Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft ist mit Chancen und Risiken verbunden, wobei die Chancen überwiegen. Es ist auch besser, als Mitglied mitzubestimmen, statt die Maßnahmen der EG von außen ohne Einfluß nachvollziehen zu müssen.

Der Vorarlberger Fremdenverkehr hat als bisher ungeschützte Branche den weltweiten touristischen Wettbewerb bestens bestanden und ist daher auf den kommenden Binnenmarkt weitgehend vorbereitet. Im Falle von Beitrittsverhandlungen wäre aus der Sicht des Vorarlberger Fremdenverkehrs aber darauf zu achten, daß

1. die kulturelle Identität des Landes gewahrt bleibt. Dies setzt voraus, daß ein Europa der Regionen/der Vielfalt realisiert wird, daß kein Ausverkauf von Grund und Boden zu Freizeitzwecken stattfindet und daß die Liberalisierung vor den Gewerben haltmacht, die landesgesetzlich aus besonderen Gründen geschützt sind, wie zum Beispiel die Skilehrerschaft oder die Bergführer aus Sicherheitsgründen.

2. die Grenzen gegenüber der Schweiz, solange diese nicht beitritt, ebenso durchlässig bleiben wie sie heute sind, und daß die Grenzen gegenüber Osteuropa, das einen touristischen Hoffnungsmarkt darstellt, leichter überwindbar werden als dies heute der Fall ist“.

Oer Autor ist Landesfremdenverkehrsdirektor von Vorarlberg.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung