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Zu geringe Zinsensteuer

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Ich glaube, daß niemand in der Regierung so naiv war, von den betroffenen Staatsbürgern bzw. der sogenannten Öffentlichkeit breite Zustimmung zum Maßnahmenpaket zu erwarten. Erwarten mußte sie jedoch, daß dieses nach verschiedenen Kriterien überprüft werden würde.

Mein Eindruck ist der, daß bei der Ausarbeitung bzw. beim „Zusammenhandeln“ durch die Koalitionsparteien verschiedene Gesichtspunkte vorrangig angesehen wurden:

1. Zunächst war man offensichtlich bestrebt, die magische, für niemand rational einsichtige Formel 1:2 im Verhältnis von Einsparung zu Steuererhöhung zu beachten. Anders kann ich mir die Spitzfindigkeit nicht erklären, mit der unter dem Kapitel Einsparungen „Einsparungen durch Einnahmenerhöhung“ verpackt wurden.

2. Weiters ging es offenbar darum, die Lasten Verteilung unter dem Gesichtspunkt konsumpti- ver zu investiver Bereich auszubalancieren. Dieser Problematik kommt vor allem aus Zweckmäßigkeitsgründen (wir brauchen mehr Investitionen, um wieder das notwendige Wachstum und damit ein Mehr an Beschäftigung zu erreichen) entscheidende Bedeutung zu.

Ins Tagespolitische übersetzt heißt es hier: Wieviel müssen Konsumenten zahlen, was erhalten die Unternehmer? Keine Argumentation in diesem Zusammenhang kann daran Vorbeigehen, daß unbeschadet der steuerlichen Förderungsmaßnahmen (wie z. B. Abbau der Gewerbekapitalsteuer in Etappen) der Unternehmenssektor ganz erheblich belastet wird: Durch 4 Milliarden Schilling aus nicht überwälzbarer Mehrwertsteuer, durch 2,1 Milliarden Schilling aus steigenden Arbeitgeberbeiträgen und durch rund 1,2 Milliarden Schilling aus auf Kredite überwälzte Zinsenertragsteuer.

3. Einige der Maßnahmen scheinen auf die Befriedigung wichtiger Kerngruppen abgestellt worden zu sein: Erhöhung des Straßenverkehrsbeitrages zugunsten der Eisenbahnen, Kürzung der Geburtenbeihilfe statt der sinnlosen Heiratsbeihilfe, um den Frauenorganisationen entgegenzukommen.

4. Aus koalitionsoptischen Gründen mußte die Höhe der Zinsertragsteuer sehr niedrig angesetzt werden. Berücksichtigt man, daß in den letzten Jahren die Einnahmen aus veranlagtem (was nicht in gleicher Weise investiert heißt) Kapital am stärksten stiegen, so ist der 7^-Prozent-Satz geradezu lächerlich gering und eine Einladung an Sparende, .Anonymsparer“ zu werden.

Wen wundert es da, daß der soziale Aspekt nicht oder unter falschen Prämissen zum Zuge kam? Unter sozial verstehen heyte große Teile der Bevölkerung, daß so genannte wohlerworbene Rechte nicht beseitigt oder beeinträchtigt werden dürfen. Dabei wird häufig übersehen, daß „wohlerworben“ gerne für „politisch leichtfertig zugesprochen, aber nicht durch Leistung erworben“ verwendet wird. Man hätte sich fragen müssen, was wird an sozialen Leistungen heute geboten, was einfach nicht mehr gerechtfertigt oder nicht mehr notwendig ist?

Gerade bei der Anhebung der Mehrwertsteuersätze hätte man durchaus soziale Akzente setzen können. Etwa: Anhebung des 18- Prozent-Satzes auf 21 Prozent und dafür Erhöhung des 8-Pro- zent-Satzes bloß auf 9 Prozent. Doch auch diese Anhebung hätte bei entsprechender Höhe der Zinsenertragsteuer zur Gänze entfallen können.

Damit wiederum hätte man sich auch die sogenannten sozialpolitischen Begleitmaßnahmen für Familien sparen können.

Die Beseitigung der Heiratsbeihilfe wäre weit zweckmäßiger gewesen als jede Kürzung der Geburtenbeihilfe.

Der Autor ist Vorsitzender der Katholischen Männerbewegung Österreichs.

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