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„Zu jedem guten Werk bereit…“

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Die zehn Stifte Niederösterreichs sind Zeugen eines Dezentralisierungskonzepts von Anno- dazumal, das europaweit auf die Karolinger zurückzuführen ist, für Österreich durch die Babenberger seinen Höhepunkt erreichte.

Der Ausdruck „Stift“ besagt bereits Einbindung in Verwaltung und Wirtschaft, in Seelenbetreuung und Gotteslob. Stift kommt von Stiftung und spiegelt den Stiftungswillen der Stifter wider, denen bewußt war, wohin sie ihre

Klöster siedelten, um für eine ganze Region ein geistliches und weltliches Zentrum zu schaffen.

Die geistliche Grundherrschaft war das Ausstattungspotential, die Äbte waren als Grundherren im Prälatenstand vertreten. Noch heute gilt der Titel, noch heute sind die Prälaten im niederösterreichischen Landhaus nicht nur als Bittsteller, sondern auch bei allen großen Anlässen anzutreffen. Ein Miteinander, das nicht konkurrenziert, sondern dokumentiert.

Unter diesem Gesichtspunkt sind die Wappen folgender Stifte im Prälatensaal des niederösterreichischen Landhauses zu interpretieren:Altenburg, Geras,

Göttweig, Heiligenkreuz, Herzo- genburg, Klosterneuburg, Lilienfeld, Melk, Seitenstetten und Zwettl.

Abgesehen von den Klöstern der modernen Orden, die hier nicht berücksichtigt werden, mag man fragen, warum gerade die eben aufgezählten Abteien den josephinischen Klostersturm überstanden. Antwort: Ihre Aufgabengebiete, ihre Aktivitäten und Zielsetzungen, ihr Einsatz in Seelsorge, Erziehung, Kunst und Kultur entsprachen sogar den Vorstellungen des aufklärerischen Herrschers Joseph II.

Das besagt, daß diese Stifte auch damals, Ende des 18. Jahrhunderts, im Sinne ihrer Stiftungen gewisse Funktionen erfüllten, die einem weiteren Umkreis von Nutzen waren.

Worin sind die über die Zeiten gültigen Wurzeln solcher Tätigkeiten und Funktionen zu suchen? Antwort pauschal: in der jeweiligen Klosterregel. Antwort im Detail: die Mitglieder der Klöster alter Orden (Augustiner-Chorherren, Prämonstratenser, Benediktiner und Zisterzienser) binden sich durch ein Gelübde der Beständigkeit an eine konkrete Kommunität, an ein konkretes Kloster beziehungsweise an die Kirche.

Diese „stabilitas loci“ beinhaltet die Identifikation mit dem Wohl und Wehe eines bestimmten Klosters in einem bestimmten Ort, in einer Region, folglich auch Identifikation mit den Menschen dieser Region.

Als zweites gilt: Das Arbeitsethos der Mönche und Chorherren war nie Selbstzweck, noch Gegenstand schnöden Gewinnstrebens, kam aber wiederum einer Region zugute. Man übersetzte das Werk für Gott (Opus dei) in das Werk für die Menschen durch der Hände Arbeit, damit „in allem Gott verherrlicht werde“ , wie es bei Benedikt heißt, oder hat „zu jedem guten Werk bereit“ zu sein,

wie der Grundsatz für uns Prämonstratenser lautet.

Die Klöster in Niederösterreich sind nicht nur Wahrer einer großen Tradition, sie können mithelfen, Wegbereiter für die Zukunft eines Landes zu sein, das sich anschickt, sein Eigenwertgefühl in einer eigenen Hauptstadt zu repräsentieren bei gleichzeitiger Stärkung der Regionen.

Was können — übersichtsartig — die Stifte für dieses Konzept anbieten? Zunächst einmal die Tradition und Erfahrung der Jahrhunderte. Wir brauchen uns unserer Geschichte nicht zu schämen. Sie ist Kapital für heute und morgen und besteht in dieser ununterbrochenen Überlieferung einzigartig in der ganzen Welt.

Wenn also in Melk oder in Seitenstetten etwa Schul- und Kulturmittelpunkte vorhanden sind, dann verbinden sie die Erfahrung der Jahrhunderte mit den Notwendigkeiten für den Menschen des Jetzt und Heute. Dann wird Bildung noch „eingeatmet“ in Räumlichkeiten, die Weite und nicht hellhörige Enge des Betons bestimmen.

Wie sehr sich „Neues und Altes“ verbinden läßt, wie ganzheitlich ein Konzept wiederum zu Gunsten der Menschen eines leidenden Gebietes sein kann, dafür darf ich wohl mein Stift, nämlich Geras im Waldviertel, anführen. Ob es die sinnvolle Freizeitbeschäftigung ist oder die Revitalisierung aller, ehedem in konventioneller Wirtschaft genutzten Baulichkeiten, oder der Einsatz des Kräuterpfarrers, meines Mitbruders Hermann-Josef Weidin- ger, alles dient letztlich der Unterstützung der Menschen in dieser Region.

Jedes Stift hat, es sei nicht vergessen, seine eigene Geschichte, seine eigenen Aufgaben und eine für sich typische Art der Realisierung. Trotzdem bleibt in dieser Vielfalt die Einheit gewahrt, die gerade in Niederösterreich unter den Stiften und Äbten eine beglückende ist.

Ob es der Landeshauptmann von Niederösterreich weiß, was er an seinen Äbten hat, wenn er sie fast jährlich zum Heurigen ein-

lädt? Immerhin, ob Landeshauptmann oder Stellvertreter, jeder tritt und trat mit Rat und Tat, mit Wort und Unterschrift für Rettungsaktionen von in ihrer baulichen Substanz besonders gefährdeten Stiften ein (im ersteren Fall „Rettet die Grenzlandstifte Ge- ras-Pernegg“ , im zweiten die Aktion „Dürnstein“ ). In Dankbarkeit sei es anerkannt!

In Niederösterreich ist man jedenfalls gut beraten, wenn man die altbewährten Kontakte zu den Klöstern, pflegt und in ein Konzept einbindet, das in die Zukunft weist, in eine Zukunft, deren Voll- endung Mönche und Chorherren zwar in dem Stück Land zu verwirklichen trachten, das ihnen als Aufgabe vor Jahrhunderten anvertraut wurde, die sie allerdings einzig und allein in der Unendlichkeit und Ewigkeit Gottes erfüllt wissen.

Der Autor ist Abt des Stiftes Geras und Professor für Musikwissenschaft an der Universität Wien.

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