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Zu Lasten von Makarios

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Als Weihnachtsmann aus Ana-tolien, wenn auch nicht aus Kayseri, wie es das griechische Volkslied will, sondern aus Ankara, ist Ismet Inönü, der große alte Mann der türkischen Politik, über die Feiertage in Athen eingetroffen. Was er seinem Gastgeber Papadopoulos als Festgeschenk mitbrachte, waren recht konstruktive Vorschläge für eine einvemehmiliche Lösung des Zypernkonfliktes und Entspannung des gesamten griechisch-türkischen Rro-blemkreises, der von den Moslems in Nordgrichendand über die orthodoxen Christen Istanbuls bis zur hellenischen Militärpräsenz auf den Inseln der Dodekanes reicht, die nach dem Vertrag von 1948 eine Art neutrale Zone zwischen den beiden Staaten bleiben sollten.

Inönü, im türkischen Unabhängigkeitskrieg von 1922/23 berühmter Heerführer, der den kleinasiatischen Armeen der Griechen empfindliche Niederlagen beibrachte und diese bis hinüber nach Thrakien verfolgte, 1925 bis 1937 als türkischer Ministerpräsident an Atatürks Seite stand und dann bis 1950 als dessen Nachfolger im Präsidentenamt fungierte, betrachtet sich als legitimer Vollstrecker des kemalistischen Nachlasses, zu dem ganz zentral das von Kemal Atatürk zu Lebzeiten nicht mehr vollendete Versöhnungswerk zwischen den traditionell verfeindeten Südostnationen der

Türken und Hellenen gehört. Im seinen letzten Präsidentenjahren hatte Inönü den gemeinsamen Eintritt der Türkei und Griechenlands in die NATO vorbereitet, den damaligen Dreierpakt Ankara—Athen— Belgrad in die Wege geleitet.

Inönü hatte vor allem aus seinen Ambitionen in der Zypernfrage, wo er ein Modell für die gewünschte türkischngriechische Zusammenarbeit größeren Stils erstehen lassen wollte, nie ein Hehl gemacht. Leider war er gerade zur Zeit der größten Zypernkrisen 1956 bis 1959, 1963/64 und 1967 in Ankara so gut wie kaltgestellt. Seitdem aber 1970 das politische Monopol der zu Inönü im denkbar schärfsten Widerspruch stehenden Adaletpartei gebrochen ist und sich seine kemalistischen Republikaner führend an der Stützung der Notstandskabinette in Ankara beteiligen, hat Inönüs Vorsprache in Athen mehr als den Charakter des Höflichkeitsbesuchs eines 87jährigen Oppositionschefs.

Auf griechischer Seite sind sowohl Inönü wie seine Anregungen bestens aufgenommen worden. Die aus dem Umsturz von 1967 hervorgegangene Regierung Papadopoulos hat nämlich, so hart sie den liberalen Kräften im Inneren gegenübertreten mag, voll und ganz das außenpolitische Konzept des Liberalen Papandreou mit seinem während der Regierungszeit 1964/65 fragmentär gebliebenen Aussöhniungsprograrnm mit den Nachbarn Bulgarien und Albanien, und vor allem von Papandreous Vorgänger Venlzelos übernommen, der in den dreißiger Jahren Atatürks homogener Partner bei den Ansätzen zur griechisch-türkischen Annäherung war. Schon bald nach ihrer Machtergreifung hatten die Athener Obersten um Papadopoulos eine Föderation! zwischen Griechenland und der Türkei angeregt,

Nun streben Papadopoulos wie Inönü in der Zypernfrage eine Art G em eins ch af tsverwaltung Griechen -lands und der Türkei auf der Insel an. Eine solche Regelung ginge in erster Linie zu Lasten von Präsident Makarios. Dieser ist als orthodoxer Erzbischof an der Spitze eines republikanischen Staatswesens dem eingefleischten Laiaisten Inönü ebenso ein Greuel, wie er Papadopoulos wegen seiner Stützung auf die zypriotische Linke, aber auch wegen seiner Sympathie für den exilierten griechischen König Konstantin ein Dorm im Auge ist. Bereits die nächste Gesprächsrunde zwischen griechischen und türkischen Nationalitätenvertretern Zyperns soll von Emissären Athens und Ankaras überwacht werden, und aus Moskau, dessen Rückendeckung sich Makarios erst im Juni neu gesichert hat, sind schon die ersten Proteste wegen Gefährdung der Unabhängigkeit und Neutralität der Inselrepublik laut geworden.

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