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Digital In Arbeit

Zu schöpferischer Arbeit zurückfinden

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Der Ruf nach einem einfacheren Leben steht im Raum. Aber die Angst, etwas an Lebensstandard einzubüßen, ist vielfach größer. Wir brauchen, sagen andere, viel mehr Energie: Nur dann kann die Wirtschaft wachsen und die Vollbeschäftigung gesichert werden. Dabei ist uns allen bewußt, daß viel vergeudet wird: an Rohstoffen ebenso wie an menschlicher Leistung. Das ungezähmte Wachstum brachte den Menschen der Industrieländer zwar eine beträchtliche Verbesserung des materiellen Wohlstands, gleichzeitig gefährdete die Menschheit ihre Umweltbedingungen oft bis an die Grenze des Nicht-wieder-Gutzumachenden.

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Der Ruf nach einem einfacheren Leben steht im Raum. Aber die Angst, etwas an Lebensstandard einzubüßen, ist vielfach größer. Wir brauchen, sagen andere, viel mehr Energie: Nur dann kann die Wirtschaft wachsen und die Vollbeschäftigung gesichert werden. Dabei ist uns allen bewußt, daß viel vergeudet wird: an Rohstoffen ebenso wie an menschlicher Leistung. Das ungezähmte Wachstum brachte den Menschen der Industrieländer zwar eine beträchtliche Verbesserung des materiellen Wohlstands, gleichzeitig gefährdete die Menschheit ihre Umweltbedingungen oft bis an die Grenze des Nicht-wieder-Gutzumachenden.

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Die Vergeudungswirtschaft, wie sie in Ost und West auf Staats- wie marktwirtschaftlicher Basis betrieben wird, ist dort hauptsächlich durch machtpolitische Motive bestimmt, hier durch scheinbar sozialökonomische und gewinnorientierte. Diese werden durch folgende Uber-legungen begründet:

• Die Volks- und Einzelwirtschaften sind ein Instrument der sie tragenden Gesellschaften, denen sie zu dienen haben.

• Das gesellschaftliche Interesse auf wirtschaftlicher Ebene ist in erster Linie auf Vollbeschäftigung und Vollproduktion gerichtet. Werden diese Ziele erreicht, herrscht Zufriedenheit und sozialer Friede.

• Hohe Löhne und Gehälter sind Voraussetzung der Kaufkraft breitester Bevölkerungskreise; sie sichern den Absatz und sich immer erneuernden Bedarf. Daher sind die Unternehmer bereit, auf überhöhte Erträge zu Lasten der Löhne zu verzichten, während im Interesse der Vollbeschäftigung die Arbeitnehmer überhöhte Lohnforderungen und Streiks zu ihrer Durchsetzung ver-

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• Umweltvergeudung und -verseu-s a iuchung müSs'ehtwohl so weit wie möglich eingeschränkt werden, aber die möglichen Grenzen sind durch die Notwendigkeit der Konkurrenzfähigkeit auf dem Inlands- wir vor allem auf dem Weltmarkt eng gezogen.

Dieser sozialökonomische Mechanismus bedarf zu seiner reibungslosen Funktion einiger bedenklicher, aber bewährter und daher vielgebrauchter „Schmiermittel":

Durch einen Mißbrauch der Werbung und sogenannte Konsumförderung durch Ratenkredite wurde nicht nur ein ausgesprochener Luxusbedarf geweckt und befriedigt, sondern auch geradezu ein Scheinbedarf durch den suggestiven Appell an das Mode- und Geltungsbedürfnis breitester Massen.

Aber Manipulations- und Modewerbung genügen nicht -mehr. Es wird zusätzlich dafür gesorgt, daß die Waren nicht lange brauchbar bleiben, damit die Verbraucher zu Neuanschaffungen gezwungen werden.

Völlig über Bord geworfen wurde das Prinzip der Wirtschaftlichkeit z. B. in der Kraftfahrzeugindustrie, aber auch bei Maschinen für die industrielle Großfertigung. Unter hohem Kostenaufwand wurden und werden etwa Preß- und Stanzwerkzeuge hergestellt und Maschinen umgestellt, um alle paar Jahre die Karosserien von Kraftfahrzeugen zu ändern, ohne daß in vielen Fällen damit ein echter technischer oder wirtschaftlicher Fortschritt erzielt würde.

So wird auch die menschliche Arbeitskraft vergeudet, da ein großer Teil der Lebenszeit damit verbracht wird, kurzlebige, vielleicht oft nicht einmal notwendige, in manchen Fällen sogar schädliche Waren herzustellen und ihren Absatz zu sichern. Zur Rohstoff- und Energievergeudung sowie zur Umweltverseuchung gesellt sich die Vergeudung der menschlichen Arbeitskraft und Lebenszeit in der Fertigung, Verwaltung und Verteilung. Die unübertreffliche Verschwendung auf dem

Gebiete der Rüstung soll hier nur nebenbei erwähnt werden.

Sie zu beenden liegt nicht im staatlichen Bereich und das wird erst gelingen, wenn die schlimmste und folgenschwerste Vergeudung erkannt und überwunden ist: Das ist die Vergeudung des Menschen selbst.

Die Vergeudung des Menschen, wenn auch nicht unter dieser Bezeichnung, hat bereits der Begründer der „Klassischen Nationalökonomie", auf die sich die Marktwirtschaft stützt, Adam Smith, erkannt.

Sie besteht darin, daß dem arbeitenden Menschen - nicht nur in der Großindustrie am Fließband, vielfach bei der Akkordarbeit und in den Büros an den Rechen-, Schreibmaschinen und Computern - die Möglichkeit genommen wird, sich, um ein mißbrauchtes Modewort richtig zu gebrauchen, als Menschen zu „verwirklichen". Der Mensch verwirklicht sich, kurz gesagt, dadurch, daß er seine ihn vor alleq übrigen Lebewesen auszeichnende Fähigkeit so weit wie irgend möglich entwickelt. Diese Fähigkeit besteht in der bewußten Bildung und Verwirklichung von Zielvorstellungen, die schlicht Ideen genannt werden. Das bedeutet schöpferische Arbeit.

Solch schöpferische Arbeit besteht nicht nur in der Schaffung von Kunstwerken, in wissenschaftlichen Leistungen, vielmehr enthält jede einfachste handwerkliche Arbeit, die nach eigenen Vorstellungen geplant und geleistet wird, dieses schöpferische Element, das den Menschen auszeichnet.

Wird durch die „rationale Betriebsführung" dem Arbeiter jeder Handgriff und jede Körperbewegung vorgeschrieben, muß er nur einige Handgriffe an einem Werkstück verrichten, von dem er oft nicht einmal weiß, wozu es dient, welche Funktion es im Endprodukt hat, dann wird er zur Werkzeugmaschine herabgewürdigt, oder sogar nur zum Maschinenbestandteil. Arbeitet er am Fließband oder im Einzelakkord, so steht er wohl in der Masse, aber da völlig vereinsamt. Er ist der menschlich verbindenden und fördernden Zusammenarbeit beraubt, durch die seit Jahrhunderttausenden die Menschheit geistig und sozial gefördert wurde.

Die Hoffnung, daß da die Mikroprozessoren den Menschen ablösen werden, ist mit der schweren Sorge verbunden, daß dann Arbeitslosigkeit um sich greifen wird.

Wo und wie eröffnet sich also ein Weg aus der Vergeudung der menschlichen und nichtmenschlichen Umwelt?

Das Ziel ist klar: Menschenwürdige Arbeit für alle bei sparsamer Verwendung von Rohstoffen und Energie ohne vermeidbare Beeinträchtigung aller Umweltfaktoren. Es muß aber jede Umstellung der Wirtschaft sehr behutsam und schrittweise erfolgen. Überhastetes Vorgehen muß zu Zusammenbrüchen führen. Daher ist zwar das Ziel immer im Auge zu behalten, aber es ist nur durch langfristige Maßnahmen zu erreichen, die allerdings durch kurzfristig mögliche Schritte rasch einzuleiten sind.

Der Autor ist Unternehmensberater und Leiter des Instituts für Schonwirtschaft. Ein zweiter Beitrag, der sich mit den Möglichkeiten der praktischen Uberwindung von Verschwendung und Vergeudung bei dem unveränderten Ziel der Voübe-schäftigung auseinandersetzt, erscheint in der nächsten Woche.

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