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Zünglein FPÖ

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Als das Burgenland 1921 zu Österreich heimkehrte, war es ein armes Land, von der fremden, chauvinistischen Regierung in Budapest absichtlich der Rückständigkeit überantwortet. Die Bevölkerung bestand größtenteils aus kleinen und mittleren Bauern und Gewerbetreibenden, in der Arbeiterschaft überwogen gegenüber einer kleinen Zahl von industriell-gewerblichen Arbeitern weitaus die Landarbeiter und Tag-löhner aller Art.

Im ersten Landtag der 2. Republik machte nicht nur die Verfassung, sondern auch das Gebot der Stunde die VP mit 17 und die SP mit 14 Mandaten und je drei Regierungsmitgliedern zu Trägern einer Koalition. Die Regierungsbeschlüsse blieben auch dann einhellig, als 1949 die VP mit 86.678 Stimmen 18 Mandate besetzte gegenüber der SP mit 66.768/13, was eine Regierung mit 4 VP-Mitglie-dern gegenüber 2 SP-Vertretern ergab.

Den großen Umschwung brachte die Landtagswahl vom März 1964. Die VP verlor gegenüber 1960 bei mäßigem Zuwachs an Wahlberechtigten nicht mehr als 215 Stimmen — das kostete sie ein Mandat und die Mehrheit. Die SP gewann (sche-

matisch betrachtet) 893 Stimmen aus dem Reservoir der Nichtwähler, 822 aus dem der Ungültigwähler, 722 Neu-, 1521 bisherige FP-, 367 bisherige KP- und 215 bisherige VP-Wähler. Dies per Saldo, während in Wirklichkeit; vom natürlichen Zuwachs und Abgang abgesehen, mindestens 7000 Wähler anders als beim letzten Wahlgang gestimmt hatten, darunter auch mindestens 1000 bisherige SP-Wähler. Ganz allgemein ist der SP die Schrumpfung der KP auf weniger als ein Fünftel ihres Höchststandes sozusagen erwartungsgemäß zugutegekommen, während man es eher als Fehlleistung der VP betrachten muß, daß auch die Freiheitlichen so zahlreich nach links abwanderten. Dabei hatte gerade im Burgenland die VP sogar den ursprünglichen FP-Spitzenrnann herüberziehen können.

Die neue SPÖ-Garnitur mit Landeshauptmann Kery und Kulturlandesrat Sinowatz an der Spitze eroberte 1968 ein 17. Landtagsmandat von den Freiheitlichen. 1972 gewann Kery noch fast 600 Stimmen dazu und verlor das 17. Mandat wieder an die FP, die sich auf einen Stand von 5109 Stimmen erholt hatte. Und weil man sogar ein 18. Mandat erhofft

hatte, war Kery trotz Stimmenzuwachs ein geschlagener Mann.

Nun will er mit einer Revision des Wahlgesetzes — die FP ist zur Zu-stimmung'bereit, sie erhofft eine Belohnung in politischem Kleingeld — für jene Partei, die um wenigstens eine Stimme mehr als die Hälfte der gültigen Wählerstimmen erhält, die absolute* Mehrheit der Mandate sichern und damit die VP weitgehend von der Mitbestimmung ausschließen. Zunächst könnte die VP dann immer noch Regierungsbeschlüsse — bei denen das Dirimie-rungsrecht des Landeshauptmanns entscheidet — durch Fernbleiben von den Regierungssitzungen verhindern, weil Beschlüsse in Anwesenheit von mindestens vier Mitgliedern gefaßt werden müssen. Auf die Dauer aber läßt sich gegen eine eindeutige Mehrheit im Landtag keine solche Obstruktionspolitik durchführen, damit wird auf alle Fälle die Demokratie umgebracht.

Ebenso würgt aber die künstliche Schaffung parlamentarischer Mehrheiten die Demokratie ab.

Sachlich gesehen, ist Obstruktion durch Fernbleiben von Regierungssitzungen im Burgenland keine Neuheit, nach dem „Heldenzeitalter“ während der Besatzung hat die Staatspolitik ihren Vorrang gegenüber der parteipolitischen Schlauheit längst eingebüßt. Den Umständen nach sieht es aber auch nicht unbedingt danach aus, daß Kery eine bedenkenlose Machtpolitik auf Landesebene betreiben will. C. Z.

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