Die Macht des Mantras
Über Deutschförderklassen und die Bildungspolitik der letzten Jahre.
Über Deutschförderklassen und die Bildungspolitik der letzten Jahre.
Schulstart an einer Wiener Volksschule, Deutschförderklasse. „Bitte Ruhe“, ruft die Lehrerin, doch die ist in einem Raum mit 24 kreischenden Kindern eine Utopie. Sie schließt die Augen und visualisiert den strahlenden Mann aus dem Hochglanz- Marketingvideo des Bildungsministeriums. „Ich habe einen klasse Job“, sagt sie sich vor, der Satz ist zu ihrem Mantra geworden. Wie jeden Morgen tröstet sie die weinende Rachida, die gemobbt wird. Plötzlich schreit Alik: Rafi habe gedroht, ihm eine reinzuhauen.
„Ich habe einen klasse Job“, sagt sich die Lehrerin und holt tief Luft. Aslan hebt die Hand. „Frau Lehrerin, gibt es wirklich österreichische Kinder?“ Nach drei Jahren Isolation in der Deutschförderklasse hat er noch kein einziges Kind mit Erstsprache Deutsch zu Gesicht bekommen. „Natürlich“, sagt die Lehrerin – und murmelt ihr Mantra. Da tritt die Schulleiterin ein. „Zwei neue Schüler für dich“, verkündet sie – und sagt leise zur Kollegin: „Die Schulpsychologin hat gekündigt.“ „Klasse Job“, nuschelt die Lehrerin ein letztes Mal, kraftlos.
Am selben Tag spricht diese Worte auch Martin Polaschek in seinem Büro am Minoritenplatz und blickt stolz auf vier Jahre erfolgreicher Bildungspolitik zurück: „Klasse Job!“ Es lebe die Macht des Mantras.