7001063-1987_25_13.jpg
Digital In Arbeit

Zukunft aus den Eliteschmieden

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn Begabung und Persönlichkeit besondere Leistungen in Studium und Beruf erwarten lassen, dann erfüllt der Studierende die wichtigsten Voraussetzungen, von einem der Begabteninstitute oder privaten Stiftungen in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt zu werden. Die Förderungswerke legen großes Gewicht vor allem auf das Akademische, erfüllen nebenbei aber auch rein materielle Aufgaben: die Finanzierung des Studiums. '

Ähnlich wie beim Bezug von Studienbeihilfe nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) wird die Höhe des Grundstipendiums in der Regel am Einkommen der Eltern des Stipendiaten bemessen. Doch ge-

ben die sozialen Kriterien keinen Ausschlag für oder gegen eine Förderung. Unabhängig von der Höhe der finanziellen Beihilfe erhalten alle Stipendiaten - viele von ihnen auch nur - monatlich 150 Mark (etwas mehr als 1.000 Schilling) „Büchergeld“.

Unter den mehr als 1,3 Millionen Studenten in der Bundesrepublik waren 1985 genau 8.989, das sind weniger als ein Prozent aller Studierenden, Stipendiaten der acht Stiftungen, die ihre Mittel hauptsächlich über das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft beziehen.

Wie kommt man nun überhaupt zu einem Stipendium? Während die „Studienstiftung des deutschen Volkes e. V.“ ihre Stipendiaten aus den Vorschlägen (aller Ober Studiendirektoren, Hochschullehrer und ehemaligen Studienstiftler auswählt, können sich Abiturienten und Studenten bei anderen Stiftungen auch selbst bewerben.

So zum Beispiel bei den „Instituten für Begabtenförderung“ der politischen Konrad-Adenauer- (CDU), Friedrich-Ebert- (SPD), Friedrich-Naumann- (FDP) und Hanns-Seidel-Stiftung (CSU). Daneben vergeben die gewerk- schaftseigene Hans-Böckler-Stif- tung sowie die „Bischöfliche Studienförderung Cusanuswerk“ und das „Evangelische Studienwerk e. V.“ Begabtenstipendien.

Die politischen Stiftungen machen zwar Mitgliedschaft und aktive Mitarbeit in der ihnen nahe- steheriden politischen Partei nicht zur Bedingung, doch werden sie natürlich begrüßt. Die Kon- rad-Adenauer-Stiftung erklärte ihre Zielsetzungen der Begabtenförderung im Jahresbericht 1985 so: „Die Staatsform der freiheitlichen Demokratie ist nach unseren geschichtlichen Erfahrungen in besonderem Maße auf Bürger angewiesen, die nicht nur eigene Interessen verfolgen, sondern auch bereit sind, ihre Befähigung, ihre Initiative, ihr Urteilsvermögen und ihre Tatkraft in den Dienst von Staat und Gesellschaft zu stellen.“

Entsprechend legt man Wert darauf, daß sich der Bewerber — neben ausgezeichneten (Schul- und) Studienleistungen - in politischen, sozialen oder anderen gemeinnützigen Einrichtungen und Organisationen engagiert.

Vor diesem Hintergrund müssen die Bewerber auf der zweitägigen Auswahltagung in Klausu ren, Gruppen- und Einzeldiskussionen vor einer dreiköpfigen Prüfungskommission von Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zu Fragen der Ethik und Moral, des eigenen Studiengangs, beruflichen Zielsetzungen und tagespolitischen Ereignissen Stellung nehmen.

Einmal in die Förderung aufgenommen, und zwar zunächst zur Probe, bis nach zwei (fortgeschrittene Studenten) beziehungsweise vier Semestern (Studienanfänger) endgültig über ihren Verbleib entschieden wird, sind die Stipendiaten verpflichtet, am studienbegleitenden Bildungsprogramm der Stiftung teilzunehmen.

Das während des ersten Förderungsjahres obligatorische Grundseminar vermittelt einen Überblick über Gesellschaftsund Demokratietheorien sowie über die Strukturen und Funktionsweisen des politischen Systems und der sozialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland.

Im Verlauf der Förderungszeit haben die Adenauer-Stipendiaten eine bestimmte Anzahl weiterer Seminare verschiedenen Typs mit vornehmlich politischen Themenstellungen zu belegen. Sie finden entweder an Wochenenden oder in den Semesterferien statt. Zusätzlich werden Reisen ins Ausland und Rhetorikschulungen angeboten.

Die Studienstiftung hingegen zieht sich mit ihren Stipendiaten zu Sommeruniversitäten in die Berge zurück. Wider die Anonymität, Einseitigkeit und Theorielastigkeit des Studiums sollen die Akademien einer intensiven geistigen Auseinandersetzung dienen, ohne dabei die sportliche, kulturelle und künstlerische Freizeitbeschäftigung zu vernachlässigen. Gemeinsam mit ausgesuchten Dozenten beschäftigen sich die Stipendiaten zum Beispiel mit dem „Euklidischen Algorithmus“, der „Logischen und philosophischen Analyse der Sprache“, „Mikroprozessoren“, Themen aus dem weiten Spektrum unterschiedlichster wissenschaftlicher Fachbereiche.

Wird hier eine Elite herangezogen? Seitens der Verantwortlichen heißt es, man wolle sich nicht auf die Bildung wertneutraler Funktionseliten beschränken. Den Begriff „Elite“ vermeidet die Satzung der „Studienstiftung des deutschen Volkes“ dann auch tunlichst und spricht lieber von

, .Hochbegabten“.

Unter „Begabung“ versteht die Studienstiftung nicht Intelligenz oder intellektuelle Begabung allein. Von den Stipendiaten wird erwartet, daß „sie sich nicht auf reinen Wissenserwerb beschränken, sondern geistige Weite, das Bewußtsein historischer Zusammenhänge ... musisch-künstlerische Dimensionen, die Erfahrung körperlicher Leistungsfähigkeit, emotional-ästhetische Ansprechbarkeit und ein... Gefühl für mitmenschliche Verantwortung“ erkennen lassen.

Um diese Eigenschaften zu testen, hat die Studienstiftung ein komplexes Auswahlverfahren entwickelt, das 1985 gerade 32,4

Prozent der Vorgeschlagenen mit Erfolg durchlaufen haben.

Die Bewertung richtet sich nach der Selbstdarstellung der Bewerber in einem ausführlichen Lebenslauf, dem vollständigen Leistungsbild anhand der bislang erworbenen Zeugnisse, Scheine und Prüfungsergebnisse, Leistungsgutachten von Schul- und Hochschullehrern, Persönlichkeitsgutachten, zwei unabhängigen Einzelgesprächen mit Auswahlmitarbeitern der Stiftung. Außerdem hat der Bewerber bei den Auswahlseminaren ein Referat über ein von ihm frei gewähltes Thema zu halten, das anschlie ßend im Kreise der Mitbewerber diskutiert wird.

Neben Abiturienten und Studenten nimmt die Studienstiftung auch Preisträger von Schüler- und Jugendwettbewerben in die Förderung auf. Diese zur Zeit acht Wettbewerbe spielen seit etwa zwanzig Jahren im Bildungswesen der Bundesrepublik eine ständig an Bedeutung wachsende Rolle. Und so versteht sich die Studienstiftung seit 1962 auch als „Sammelbecken für junge Menschen, die unabhängig von ihren Schulnoten innerhalb oder außerhalb des Unterrichts starke In teressen entwickeln und verwirklicht haben“.

Auf diesem Wege werden jährlich rund 60 Stipendiaten aufgenommen, die als Sieger des „Bundes Wettbewerbs Mathematik“ oder „Jugend forscht“ hervorgegangen sind. Hinter den Gewinnern stehen in der Regel mehr als

20.0 Teilnehmer.

Es sind also ganz wenige, die die Auswahlkriterien einer der Be- gabtenwerke erfüllen. Vielleicht sind sie keine „Elite“, Privilegierte sind sie allemal. Denn mit der Förderung steigen die späteren Berufschancen und die Aussicht auf eine glänzende Karriere.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung