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Zukunft, von Gott gewährt

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Durch einen Sturz in den Fluß will im Hungerjahr 1945 eine Mutter zusammen mit ihrem Kleinkind dem Leben ein Ende bereiten. Sie haben nichts mehr zum Leben, kein Brot, keinen Menschen. Eine Frau, die die Brücke passiert, erfaßt hellsichtig die äußerste Gefährdung. Sie gibt, was sie bei sich hat: ein Stück Brot, das nicht einmal zum Sattwerden reicht. Aber das Wunder geschieht. Daß ein Mensch mit einem Stück Brot auf sie zukommt, im Brot Gemeinschaft anbietet, das ist die Wende. Aus Beängstigten, aus Verzweifelten, aus Hoffnungslosen werden Hoffende.

Ein Mensch, der unter Entsagung mit einem Stück Brot herzukam, aus einem spontanen Entschluß der Liebe und des Helf en-wollens herzukam, wurde ein Zeichen der Hoffnung.

Hoffnung in ihrer schönsten Gestalt ist nicht das Warten voller Langeweile auf das ewig Gleiche, auf das immer schon Gewesene und eisern Vorprogrammierte, sondern das Erwarten von unerwartet Gutem, das spontan aus der freien Zuwendung eines liebenden Du entspringt.

Das ist Zukunft, wenn der andere auf mich zukommt, um mir die Angst zu nehmen, nicht dasein zu dürfen! Das erwartete Gute ist in seiner schönsten Gestalt der gute Mitmensch — und dahinter jener gute Geber von allem, der ihn mir gibt. Zukunft in ihrer schönsten Gestalt ist nicht die vor uns liegende leere Zeit, sondern „der Zukünftige”.

Ein Zeichen der Hoffnung, was ist das also? In ihm zeigt sich eine gute Zukunft an, genauer: sie fängt schon an. Die Anemonen zeigen nicht nur an, daß irgendwann der Frühling kommt, sondern sie selbst sind der beginnende Frühling. Wenn sich ein Mensch solche objektiven Zeichen der Hoffnung zu eigen macht, wird er ein Hoffender. Er wird dann diese seine innere Haltung den anderen zeigen. Dieses Zeigen der Hoffnung stärkt das eigene Hoffen...

Was haben die Sakramente damit zu tun? Seit bald zweitausend Jahren hat die Menschheit auf ihrer ruhelosen Suche nach Menschsein einen einzigartigen Bruder und Begleiter. Es ist Jesus Christus. Wir haben ihn nicht verdient, wir verdienen ihn weniger denn je. Er ist durch und durch gnädiges Entgegenkommen. Den gewaltsamen Tod stirbt er nicht gegen die anderen, sondern für sie, ihnen zugute.

In ihm zeigt sich ein anderer, der sein Abba-Vater ist, der die Welt sehr liebt (Jo 3,16). Die Welt hat einen „Zukünftigen”. Er ist der Anfang einer Zukunft, wie sie nur Gott gewähren kann — ein großes Zeichen einer großen Hoffnung. Menschen, die inmitten aller innerweltlichen Hoffnungslosigkeit auf Christus ihre Hoffnung setzen, sind Christen. Da sie in Glauben und Taufe die Schicksalsgemeinschaft mit ihrem Meister eingegangen sind, haben sie die begründete Hoffnung, daß er seine Vollendung mit ihnen teilt, wie sie zuvor sein Kreuz und Sterben mit ihm geteilt haben.

Es käme alles darauf an, Christi, dieser einzigartigen Zukunft und Hoffnung, teilhaft zu werden. Er wird uns in einer Botschaft zugesprochen, die darum zurecht Frohbotschaft heißt. Christus wird uns im Wort der Verkündigung zugesagt, ihre größte Effizienz erreicht die Christuszusage an die Welt dort, wo das Wort sozusagen zu Ende gesprochen wird, nämlich im Sakrament.

Denn hier wird Christus dem einzelnen in einer bestimmten Situation seines Lebens bevollmächtigt zugesprochen, dies nicht nur mit dem Wort des Mundes, sondern verstärkt durch die Hand, die dem anderen aufgelegt wird oder die dem anderen Lebens-Mittel reicht: Brot, Wein, öl, Wasser. Immer schon haben Menschen auf diese Weisen miteinander kommuniziert. Im Wort und Sakrament wird die Gabe einzigartig; es ist die Selbstgabe Christi und Gottes.

Weil Christus welthafter Ausdruck seiner und seines Vaters Menschenliebe ist, ist jedes Sakrament ein Zeichen der Hoffnung. Das eine Zeichen der Hoffnung, Christus, gibt sich in ihnen. Die alte Theologie hat recht, wenn sie in den Sakramenten einen Verweis auf das Künftige gesehen hat, indem sie von „signa progno-stica” sprach.

Jedes Sakrament hat die ihm eigene Weise, Zeichen der Hoffnung zu sein. Christus, der mit seinem Leben belebende, mit seinem Geist begeisternde, der nährende und versöhnende, in Krankheit und Todeskampf stärkende, zur ehelichen Lebensgemeinschaft und zum Dienst an seiner Gemeinde sendende Herr — immer führt er in eine neue Zukunft. Dieses eine vielfältige Zeichen der Hoffnung müßte aber verkümmern, wenn es nicht gelebt würde.

Der Autor ist Fundamentaltheologe an der Katholisch-Theologischen Hochschule in Linz.

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