6969920-1985_26_05.jpg
Digital In Arbeit

Zukunftsmodell Friedens-Soldat

Werbung
Werbung
Werbung

Das II. Vatikanum verweist in der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes” darauf, daß der Soldat durch die rechte Ausübung seines Dienstes wahrhaft zur Festigung des Friedens beiträgt. Der Soldat als Diener des Friedens. Ist das überhaupt möglich?

Sicherlich hat sich das Solda-tentum im weitesten Sinn im Laufe der Geschichte immer wieder verändert. Man hält oft die Begriffe Krieger, Söldner und Soldat auseinander, um abzugrenzen, was mit modernem Soldaten-tum gemeint ist.

Aber auch dieses moderne Sol-datentum — entwickelt mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im Gefolge der napoleonischen Kriege - ist aufgrund des technischen Fortschritts einem totalen Veränderungsprozeß unterworfen.

Ist der Soldat in der heutigen Zeit, auf der Grundlage einer rein technisch funktionierenden Abschreckung, überhaupt noch notwendig? Mit anderen Worten: Welchen Stellenwert hat der Mensch im Militärsystem? Ist es nicht notwendig, die Rolle des Soldaten anders als bisher zu definieren, da der Kampf „Mann gegen Mann” — wie es einmal üblich war - obsolet geworden ist? Kann der Soldat Aufgaben der Friedenssicherung, der Überwachung, der Kontrolle übernehmen?

Mit diesen Fragen beschäftigte sich ein Forschungsgespräch im Wiener Universitätszentrum für Friedensforschung, an dem auch Armeekommandant General Hannes Philipp teilnahm. Philipp stellte Erfahrungen mit den sogenannten „peace keeping forces” der Vereinten Nationen, den Friedenstruppen der UNO — oder wie man landläufig sagt: den UNO-Soldaten -, vor.

Es handelt sich dabei nicht um Streitkräfte im traditionellen Sinn, die etwa namens der UNO kriegerische Zwangsgewalt zur Durchsetzung kollektiver Maßnahmen anwenden. Die UNO-Streitkräf te - die einen neuen Typ des Soldaten hervorbrachten — sind zum Einsatz aufgerufen, wenn ein internationales Mandat des Sicherheitsrates der UNO in Ubereinstimmung mit den Supermächten, d. h. den fünf Ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates, vorliegt.

Die Funktion der UNO-Solda-ten liegt im Beobachten, in der Überwachung eines Waffenstillstandes, im Aufbau einer entmilitarisierten Zone, im Versuch, zu Truppenreduzierungen der Konfliktpartner beizutragen. Dabei stehen den UNO-Soldaten nur Waffen zur Verfügung, die zur Selbstverteidigung unbedingt notwendig sind.

Die UNO-Friedenstruppe sollte besondere Fähigkeiten entwik-keln im Dienste einer Konfliktlösung auf dem Verhandlungswege und im Dienste der Friedensförderung. Die „peace keeping forces” der UNO haben also eine friedensfördernde Funktion - neben ihrer Sicherheitsfunktion.

Für den Wiener Friedensforscher Rudolf Weiler bedeutet das, daß die UNO-Soldaten dem sittlichen Idealverständnis des Soldaten durch das II. Vatikanum — Soldaten dürfen sich als „Diener des Friedens” betrachten — „irgendwie näherkommen”.

Der Soldat der UNO-Friedenstruppe steht auch in der soldatischen Tradition seines Landes.

Deshalb - meinte General Philipp — eigne sich der österreichische Soldat besonders für den Friedensdienst in einer UNO-Truppe. Der österreichische Nationalcharakter ist eine positive Voraussetzung für diese Aufgabe.

Für die UNO-Soldaten gibt es in Österreich ein spezielles Training: jährlich findet ein eigenes internationales Seminar der Landesverteidigungsakademie über Erfahrungen mit den „friedenserhaltenden Truppen” statt.

Leider liegen bis jetzt noch keine Untersuchungen über die Motivation jener Leute vor, die sich zu den UNO-Friedenstruppen melden. Ist es bloße Abenteuersucht, geschieht es des Geldes wegen - oder gehen die Motive in andere Richtungen; eben in Richtung der eigentlichen Intentionen dieser Institution? Darüber weiß man noch zu wenig.

Desgleichen scheint auch die Bevölkerung in einem eher geringen Ausmaß über die Bedeutung der UNO-Friedenstruppen aufgeklärt zu sein.

Liegt mit dem UNO-Soldaten eine wesentliche Änderung im Soldatenbild der Neuzeit vor? Weiler meint, daß sich wohl einzelne Züge geändert haben. Im wesentlichen sind die UNO-Soldaten aber noch immer nationale Soldaten, die noch keine Zwangsmaßnahmen setzen können. Das hätte den Weltstaat zur Voraussetzung mit einer Weltstreitmacht, die jedoch an der Situation von Weltbürgerkriegen nichts ändern könnte.

Vorbildcharakter

Der Soldat kann nicht abgeschafft werden; das ginge nach Weiler erst dann, wenn die Politik mit Hilfe des Soldaten, aber ohne militärischen Einsatz, Konflikte friedlich gelöst. Dem Soldaten der Zukunft werden damit Aufgaben der Überwachung, Entschärfung von Konfliktsituationen und der Kontrolle zufallen. Der Soldat der Zukunft ist also nicht jener, der unter Einsatz aller Kräfte auf den anderen schießt.

Innerhalb des gegenwärtig stark aufgefächerten Bildes vom Soldaten — der nationale Soldat mit einer, stark ideologischen Komponente, der Guerillero bis hin zum „Grenzfall Terrorist” — ist der UNO-Soldat eine wichtige Facette; durch ihn werden Zivildienst-Züge und die Idee der Sozialen Verteidigung in das Zukunftsbild vom Soldaten hereingeholt.

Das Forschungsgespräch brachte als Ergebnis eine Einigung darüber, daß der Soldat nicht nur den Waffenstillstand bewacht, auch nicht Friedensstifter ist, sondern im Dienst der Friedensförderung steht und damit einen gewissen Vorbildcharakter für den modernen Soldaten hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung