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Zukunftsschau

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Es gibt Persönlichkeiten, die sich jeder Kategorisierung entziehen, zu vieldeutig ist ihr Werk, aber sie bieten zahlreiche Annäherungsmöglichkeiten. Eine dieser Persönlichkeiten ist Manes Sperber. Ihm war ein internationales Symposion vom 23. bis 25. November in der österreichischen Nationalbibliothek gewidmet, das von der Osterreichischen Gesellschaft für Literatur in Zusammenarbeit mit der Manes Sperber-Gesellschaft und der Nationalbibliothek veranstaltet wurde.

Referenten berichteten, wie sehr Manes Sperber ihr Leben geprägt hatte. Ihre Einstellungen, ihre Art, an Probleme heranzugehen und sie zu lösen, seien durch die Lektüre der Schriften des aus Galizien stammenden. Altösterreichers geprägt worden. Jürgen Fuchs (Berlin) erzählte, daß er nur unter lebensgefährlichen Umständen an die Bücher Sperbers herangekommen sei und sie gelesen hätte.

Tomislav Bekic aus Novisad würdigte die Bedeutung der Ro-mantrüogie „Eine Träne im Ozean“, die die historischen Abläufe und die örtlichen Verhältnisse so präzise beschreibt, daß man meint, Sperber sei Augenzeuge gewesen. Sperber habe es verstanden, die politische Dimension, in einer verblüffend genauen Innensicht darzustellen. Uber den Augenblick hinaus sei dadurch ein Dokument entstanden, das Gültigkeit für die folgenden Generationen habe.

Walter Spiel sprach in seinem Abriß über die Situation der Indi-vidualpsychologie über die Auseinandersetzungen der Freudia-ner und Adlerianer. Sperber verwandelte in geschriebenes Wort, was Adler in Reden formulierte.

Hans-Rudolf Schließer (Frankfurt) sah Sperber in erster Linie als Pädagogen, der sich um die Jugend bemühte, Zoran Konstan-tinoviS (Innsbruck) verglich Sperber mit dem jugoslawischen Autor Miroslav Krleza, vor allem was die Diskussion um den Mitteleuropabegriff betrifft.

Werner Müller (Klagenfurt) zog Parallelen zwischen dem erzählerischen und dem wissenschaftlichen Werk Sperbers. Die Erkenntnisse des einen Berichts befruchteten den anderen, bis Sperber zu einer Synthese kam, die derartige Grenzziehungen eher zweifelhaft erscheinen läßt.

Doch aus Manes Sperbers Denken lassen sich auch Überlegungen zur gegenwärtigen Situation ableiten. Norbert Leser referierte anhand von Österreichs Geschichte über den Totalitätsanspruch der großen Parteien und über die Notwendigkeit, in politischen Gegnern nicht nur Feinde, sondern auch Menschen zu sehen, mit denen man sich auseinandersetzen müsse — Auseinandersetzung als treibendes Element der Geschichte.

Das Symposion macht das vielfältige Bild eines Mannes deutlich, der als Revolutionär begann und als „Weiser“ endete. Sperber glaubte an Veränderung, an den Fortschritt in der Geschichte, nicht an den linearen Fortschritt, sondern an einen Weg, der viele Sackgassen miteinschließt. Aus dieser Vielseitigkeit, ja Vieldeutigkeit erweist sich — das war am Symposion deutlich zu spüren — das Werk Manes Sperbers als bedeutend für die Zukunft. Mögen viele zeitgenössische literarische Tendenzen schon längst nicht mehr aktuell sein, Sperbers Arbeiten werden an Bedeutung gewinnen.

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