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Zum Michelangelo-Jahr

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Zum 500. Male jährte sich heuer der Geburtstag Michelangelo Buo-narrotis, der am 6. März 1475 in Ca-prese bei Sansepolcro, auf Florentiner Gebiet, als Sohn des dortigen Stadthauptmannes zur Welt kam.

In der ganzen Welt wurde die Wiederkehr des Geburtstages dieses Universalgenies, der einer der größten Bildhauer, Maler, Zeichner, Architekten und Lyriker der Menschheit war, gebührend gefeiert; nun legt auch die Graphische Sammlung Albertina in Wien, mit einer Ausstellung von „Italienischen Zeichnungen der Renaissance“, ihre Würdigung seiner epochalen Schöpferkraft vor.

Ihren Kern bilden dabei jene Blätter, die im heurigen Frühjahr unter dem Titel „Die Sammlung italienischer Zeichnungen der Albertina in Wien“ im Cabinet des Dessins im Louvre in Paris zu sehen waren und den ersten Teil eines Austausshpro-gramms darstellen.

Heute werden von der Kritik Michelangelo noch etwa 243 bis 722 erhaltene Zeichnungen als Originale zugeschrieben, von denen sich die Mehrzahl in Sammlungen in England, Paris, Florenz und Holland befindet. Die Wiener Albertina besitzt nur acht Blätter — mit den Darstellungen auf den Rückseiten zwölf Zeichnungen — von seiner Hand, die allerdings zu den bedeutendsten zählen und aus nahezu allen seinen Schaffensperioden stammen.

Am Anfang steht dabei die Studie der „Drei stehenden Männer“ nach einem Vorbild Ghirlandajos oder Masaccios, ein Jugendwerk, in dem sich bereits die Dichte seines plastischen Empfindens verrät, die dann, in den Studien zur „Schlacht bei Cascina“, ihrem ersten Höhepunkt zustrebt. Ein hervorragender Jünglingsakt ist zweifellos eine Studie zu einem „Ignudo“ der sixtinischen Decke, während die „Sitzende Madonna mit Kind an der Brust“, anscheinend einen „Primo pensiero“, einen ersten Gedanken, eine Skizze für eine nicht näher feststellbare Arbeit, vielleicht für die „Madonna Medici“ (Wickhoff), darstellt.

Die großartigen Zeichnungen „Christus wird zu Grabe getragen“ und die erschütternde „Pietä“ dagegen stammen aus der letzten Zeit Michelangelos, in der sich vor seine „terribilitä“ die Schleier der letzten Geheimnisse legten.

Um diese kostbaren Schätze gruppieren sich nun noch Arbeiten aus dem engeren und weiteren Umkreis des Meisters, von Sebastiano del Piombo bis zu den Manieristen Bec-cafumi, Rosso Fiorentiono und Pon-tromo,' während zwei großartige Zeichnungen Tintorettos Michelangelos weitereichenden Einfluß auf die Entstehung des Barocks zeigen. Zeitgenössische Stiche nach seinen Schöpfungen machen das Echo der Zeit deutlich. Eingebettet werden diese insgesamt 48 Blätter aber in eine exquisite Auswahl von Zeichnungen seiner Vorläufer und Zeitgenossen, wobei der Bogen von Pisa-nello und Fra Angelico bis zu Anni-bale Carracci reicht. Neben dem sublimen Apostelkopf Lionardos findet man sechs herrliche Raphael-Blätter, darunter die „Granatapfelmadonna“ und die „Tiburtinische Sybille“, und Schönstes und Bestes von Bernardino Luini, Lorenzo di Credi, Lorenzo Costa und Lorenzo Lotto, um nur einige zu nennen.

Die Ausstellung, die bis zum 21. Dezember geöffnet bleibt, ist eine würdige Huldigung an Michelangelo und an jene Renaissance, die, indem sie dem Menschen und seinen Werken neue Würde verlieh, einen neuen Frühling des Geistes und ein neues Weltbild verkündete.

Um so mehr imuß das Fehlen eines repräsentativen und sachgerechten Kataloges bedauert werden.

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