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Zum Tanzen ins Ausland?

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Im Mai dieses Jahres stellte die Arbeitsgemeinschaft katholischer Jugend Österreichs (AKJ) einen Antrag beim österreichischen Bundes-jugendring (ÖBJR) zur Vereinheitlichung der Jugendschutzgesetze, deren Regelung auf Grund des föderalistischen Prinzips in die Kompetenz der Bundesländer fällt. Die AKJ fordert darin auch die „Angleichung der gesetzlichen Bestimmungen an die gesellschaftliche Realität“.

Heinz Harrich, stellvertretender Vorsitzender der Katholischen Jugend (KS J) meint zu diesem noch un-ausgefeilten Antrag, daß die heutige Gesellschaft nicht auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet und wenig Verständnis seitens der Erwachsenen für eine praxisgerechte Behandlung dieses Themas vorhanden sei.

Die AKJ sah sich daher verpflichtet, eine Novellierung der zum Teil veralteten Vorschriften anzuregen. Als Basis dafür diente der „Musterentwurf eines Jugendschutzgesetzes“ des ÖBJR aus dem Jahre 1971, allerdings mit einigen Korrekturen. Dieser zur Gänze äusformulierte Vorschlag wurde schon 1973 in seinen Grundzügen von der Steiermark übernommen.

Als Vertreter des ÖBJR sieht Rudolf Heider die Problematik um diesen Normenkomplex so: „Wenn ein Vorarlberger Landesjugendreferent in einer Sitzung meint, daß ein 17jäh-riger Vorarlberger anders als ein 17jähriger Burgenländer zu behandeln sei, kann man sich vorstellen, wie schwierig es ist, einen Konsens auf Gesamt-Bundesländerebene zu finden.“

Das Bundesland Vorarlberg bildet in dieser Frage eine unrühmliche Ausnahme: dort führen die verhärteten Bestimmungen dazu, daß die jungen Leute zum Tanzen in die Schweiz und in die Bundesrepublik Deutschland fahren. Es wäre aber ungerecht, den Vorarlbergern den „Schwarzen Peter“ zuschieben zu wollen, als ob sie schuld wären, daß es zu keiner einheitlichen Lösung in Österreich kommt.

Für den Osten gilt Heiders markanter Satz: „Dort, wo der Wein zu wachsen beginnt, sind die Leut' gemütlicher.“ Demnach sind die Jugendschutzvorschriften in Weingegenden

(Niederösterreich, Burgenland) milder als zum Beispiel in Salzburg oder Tirol.

Erfreulicherweise scheint diese Problematik nicht in ein Rot-Schwarz-Denkschema gepreßt zu sein. Die Betonung liegt allerdings auf „scheint“, denn aus den Stellungnahmen der beiden Großparteien ist zu entnehmen, daß zwar vorläufig Einigkeit in dieser Frage besteht, eine parlamentarische Debatte aber noch in weiter Ferne hegt.

Nationalratsabgeordneter Josef Höchtl (ÖVP) steht zu dem Entwurf des B JR und regt weitere Gespräche mit den Landeshauptleuten an. Herbert Prowaznik (SPÖ), Sekretär des Klubs der sozialistischen Landtagsabgeordneten Niederösterreichs, ist sich der Problematik „Jugendschutz“ bewußt, wünscht sich aber einen Anlaß zur Behandlung dieses Themas in den Landtagen. Ferner legt er Wert auf eine möglichst liberale Lösung, und meint, man könne Fernsehen und Zeitungen nicht in die Bestimmungen miteinbeziehen, weil sich zürn Beispiel „ein nackter Busen oder Brutalität im Fernsehen nicht verhindern lassen“. ' ~

Zusammenfassend: auch die politischen Parteien sind für eine Vereinheitlichung zumindest der wichtigsten Anliegen, wie Altersgrenze und Besuchszeiten von öffentlichen Lokalen (einschließlich Theater, Kino und Campingplätze). Die erste-typisch österreichische - Voraussetzung, „Es muaß wos gschehn“, wäre somit gegeben. Leider scheitert eine umfassende Regelung an dem zweiten österreichischen Prinzip „Aber was...?“

Die Beantwortung dieser Frage ging leider bisher nicht über das Stadium des Veranstaltenwollens weiterer Diskussionen und des generellen Sichbemühens, mehr Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, hinaus. Es kann sich also weiterhin z. B. ein 13jähriger in der Ketzergasse im 23. Wiener Gemeindebezirk auf der einen Straßenseite (noch Wien) nur bis 21 Uhr aufhalten, dann verläßt er diese, begibt sich auf die gegenüberliegende Seite (Niederösterreich) und darf dort noch zwei weitere Stunden (bis 23 Uhr) verbringen...

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