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Zum Tee bei Durchlaucht

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Wollen Touristen wirklich immer „nur“ Kirchen, Galerien oder Museen besichtigen? Oder ist das höchste der Gefühle für sie längst etwas ganz anderes?

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Wollen Touristen wirklich immer „nur“ Kirchen, Galerien oder Museen besichtigen? Oder ist das höchste der Gefühle für sie längst etwas ganz anderes?

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Während die Tiroler eifrig bemüht sind, Durchreisende von der Brennerautobahn in ihre Innmetropole zu locken, kann sich zum Beispiel Graz darüber freuen, daß Transitfahrer und somit potentielle Gäste zügig durch den Pla-butschtunnel geschleust werden. Dies war kürzlich eine der Schlußfolgerungen aus dem Seminar zum Thema „Städtetourismus“ im Rahmen der Akademie Graz.

Georg Lamp, Innsbrucker Fremdenverkehrsdirektor, steuerte auf Erfolgskurs: „Wir haben ganz einfach Informationsstellen direkt an der Tiroler Transitautobahn errichtet, die ratsuchenden Touristen auch Zimmer vermitteln können.“ Fazit: Bereits 100.000 Nächtigungen jährlich werden allein auf diesem Weg gebucht. Gegen die insgesamt 1,4 Millionen jährlichen Ubernachtungen der Hauptstadt am Inn nehmen sich die 517.000 Herberg-suchenden in der Mur-Metropole mehr als bescheiden aus: Wien liegt mit sechs Millionen belegten Fremdenbetten eine Nasenlänge voraus am österreichischen Spitzenplatz.

Die Alpenrepublik könnte aber wesentlich mehr am internationalen Tourismus verdienen, wären die Marktschreie der Österreich-Vermarkter nicht gar so zaghaft, um bei ausländischen Reiseveranstaltern offene Ohren zu finden: „Bis jetzt hat uns nur ein einziger Fremdenverkehrsmanager, es war ein Nürnberger, die Tür eingerannt, obwohl wir zu den bedeutendsten Gruppenreiseveranstaltern im anglo-amerikani-schen Raum zählen. Jetzt haben wir Nürnberg tatsächlich in unserem Programm dabei“, kritisiert Adalbert Steiner, Direktor der Globus Gateway Cosmus in Lugano, die mangelnde Initiative.

Den Erfolg seines Unternehmens, das täglich 16.000 Urlauber in 420 Touren durch Europa fährt, erklärt sich der Schweizer aus dem weitreichenden Eingehen auf Kundenwünsche: „Ein attraktives Reiseprogramm hat nur dann eine Chance auf Verwirklichung, wenn es nicht nur der Reiseleiter in der Tasche, sondern auch der Kunde in der Hand hat.“ Da Reisen mittlerweüe zu den Massenkonsumgütern zählen, müsse man sich als Reiseveranstalter an den Wünschen der Mehrheit orientieren. „Oft wird das geschichtliche Interesse der Touristen überschätzt, 80 Prozent von ihnen wollen eigentlich nur schöne Bilder einfangen und sich nicht immer in alte Kirchen verschleppen lassen.“

Beispiele hat der Eidgenosse da auch gleich parat. „Es muß nicht immer eine Gemäldegalerie sein, die es zu besichtigen gilt. Unser größter Renner in Luzern ist das Verkehrsmuseum. Und für viele unserer Kunden ist es das höchste der Gefühle, wenn sie ein altes Landschloß besuchen können und dort von der Herrschaft zum Tee eingeladen werden. Dafür sind sie auch bereit, ein ordentliches Trinkgeld an den Gastgeber zu zahlen, dem so geholfen wird, sein Bauwerk zu erhalten.“

Sehr beliebt, sagt er, sind auch gepflegte Parkanlagen oder die Möglichkeit, Kunsthandwerkern bei ihrer Arbeit zuzuschauen und nachher ein derart gefertigtes Andenken auch zu kaufen. Beides ließe sich in vielen österreichischen Städten finden.

Daß die Bahnzukunft nicht allein im Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken liegt, macht Ewald A. Meister, Marketingleiter der Deutschen Bundesbahn (DB) deutlich: Neben dem bekannten Eurotrain-Ticket sind es die Kombiangebote, die die Deutsche Bundesbahn auf dem Jugendsektor Kilometer und damit Marktanteile gewinnen lassen. Zu den jüngsten Schöpfungen der bundesdeutschen Marketingstrategen zählen die„PEP-Tours“, eine Bahnfahrt zu kulturellen Veranstaltungen wie „Cats“ in Hamburg oder zu Sportzentren, Computerkursen sowie das Konzerttourismusprogramm „Rock & Rail“, das Besuche von Pop- und Rockkonzerten internationaler Stars anbietet, einschließlich Anreise im eigenen Disco-Waggon.

Der Autor ist Mitarbeiter der „Kleinen Zeitung“, Graz.

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