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Zum (Über-)Zeugen

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Das Gutachten der Rektorenkonferenz zur künstlichen Befruchtung liegt vor. In drei zentralen Punkten berühren diese Richtlinien jedenfalls christliche Wertvorstellungen. Trotzdem können dabei Nicht-Christen zu anderen Schlußfolgerungen kommen als Christen. Daher müssen ethische Argumente überzeugend für beide Gruppen vorgebracht werden.

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Das Gutachten der Rektorenkonferenz zur künstlichen Befruchtung liegt vor. In drei zentralen Punkten berühren diese Richtlinien jedenfalls christliche Wertvorstellungen. Trotzdem können dabei Nicht-Christen zu anderen Schlußfolgerungen kommen als Christen. Daher müssen ethische Argumente überzeugend für beide Gruppen vorgebracht werden.

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Im Juni 1986 hat eine Kommission der österreichischen Rektorenkonferenz für In-Vitro-Fertili-sation ein Gutachten (FURCHE 32/ 1986) fertiggestellt, das in 28 Richtlinien Wertungsgrundlagen für gesellschaftspolitische Entscheidungen aufzeigt. Diesen Richtlinien wird in der weiteren Diskussion in Österreich großes Gewicht zukommen. Daher soll eine Einschätzung dieser Richtlinien im kirchlichen Bereich versucht werden.

Wir begegnen in kirchlichen Laienorganisationen heute vielfach einem Mißtrauen gegen (neue) Normen, weil sie der heutigen gesellschaftlichen Vielfalt nicht gerecht würden. Die 28 Richtlinien könnten schon deshalb suspekt sein. Die jüngste Diskussion um Charles Curran (FURCHE 35/1986) bringt in dem Zusammenhang neue Zweifel und Emotionen zutage.

Wenn der Moraltheologe oder der staatliche Gesetzgeber bestimmte generell formulierte Gebote und Verbote als verbindlich erklärt, so gewinnt man daraus noch kein unmittelbares Urteil, ob der einzelne Mensch, der in eine Konfliktsituation gestellt ist, schuldig eine solche Norm mißachtet. Denn ein Gesetzgeber kann nicht alle konfliktreichen Einzelfälle voraussehen oder gar in eindeutigen sprachlichen Formulierungen erfassen.

Dennoch muß es generell formulierte Wertentscheidungen geben, nach denen man sich als Christ oder Staatsbürger zu orientieren hat. Und diese Normen können nicht auf dem Konfliktfall, sondern nur auf dem einfachen Regelfall aufbauen. Trotz der Einzelfall-Gerechtigkeit braucht eine Gesellschaft Wertvorstellungen, die in Normen gegossen sind.

Die Kirche wird nicht in gleicher Weise argumentieren können wie ein Professorenkollegium. Wenn die Kirche gesellschaftspolitische Forderungen aufstellt, dann muß sie auch ihre Legitimation vorweisen, warum sie dazu kommt, und sie darf sich nicht scheuen, ihr theologisches Standbein offenzulegen. Sie wird darüber hinaus — säuberlich getrennt — auch allgemein ethische Argumente vorbringen, die auch Nicht-Christen überzeugen könnten.

Es muß schließlich außer der ethischen Position für eine gesellschaftspolitische Forderung noch zusätzlich glaubhaft gemacht werden, daß dieses Anliegen Konsequenzen für das Zusammenleben der Menschen nach sich zieht, daß also das bonum commune in Gefahr ist. Nur dann ist nämlich der Staat berechtigt, moralische Forderungen auch in rechtliche Forderungen umzusetzen.

Auch wenn beispielsweise die heterologe Insemination ethisch abzulehnen ist, ergibt sich daraus noch nicht zwingend, daß sie der Staat verbieten müsse. Erst wenn Argumente überzeugen, daß die Gesellschaft darunter leiden könnte, daß Kinder in die Welt gesetzt werden, ohne daß ein Vater und eine Mutter bereit sind, für dieses Kind zu sorgen, wird man im staatlichen Recht gegen einen solchen sozialen Ubelstand Vorsorge treffen müssen.

Und gerade in diesem Bereich der Argumentation ist das genannte Gutachten äußerst wertvoll.

Drei Forderungen sind jedenfalls zentral:

• Ein Kind muß in die Beziehung zwischen Mann und Frau hineingeboren werden. Ein Kind muß einen vorherbestimmbaren Vater und eine solche Mutter haben. In diesem Punkt wird die gesellschaftliche Auseinandersetzung am heftigsten werden.

• Miet- und Leihmütter sind gesellschaftlich abzulehnen. Das wird voraussichtlich durchsetzbar sein.

• Die katholische Forderung des Verbotes der Verfügung über Embryonen zum Zweck der Forschung und Therapie wird heute von der ärztlichen Praxis mit weitgehender gesellschaftlicher Billigung weggewischt. Die Richtlinien der Kommission der Rektorenkonferenz suchen um den Preis von Zugeständnissen Ärgeres abzuwenden. Auf diesem Weg wird die Kirche nicht folgen können.

Der Autor ist Generalanwalt im Bundesministerium für Justiz.

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