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Zur Bedeutungslosigkeit verdammt

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Unter den größten europäischen Banken steht laut einer kürzlich veröffentlichten Aufstellung der deutschen Commerzbank die Banque Nationale de Paris an der Spitze, gefolgt von den britischen Instituten Barclays Bank und National West- minster Bank sowie der Deutschen Bank in Frankfurt. Erst an 56. Stelle findet sich als erste österreichische Großbank, die Creditanstalt-Bankverein, und an der 84. Stelle liegt die Girozentrale in Wien.

Solche internationalen Vergleiche basieren auf einer Gegenüberstellung der Bilanzsummen, sind also vor allem quantitativer Art. Sie sagen dagegen wenig aus über die Qualität der Bankgeschäfte, die diese Bilanzsummen letztlich ausmachen, sondern weisen selbst sogenannte Durchlau- ferposten als umsatzsteigernde Elemente aus. Dennoch darf man solche internationale Vergleiche nicht bagatellisieren. Jene Industriestaaten, in denen nationale und multinationale Großkonzerne etabliert sind, die demnach im internationalen Wirtschaftskonzert eine dominierende Rolle spielen, beherbergen in der Regel auch die größten Banken. Die Hauptstädte dieser Industriestaaten weisen das Etikett „Internationaler Finanzplatz“ auf. Solche international bedeutsamen Finanzplätze sind in Europa London, Paris, Zürich, Basel, Frankfurt, Düsseldorf, Rom und Mailand. Wien aber findet sich noch immer nicht darunter.

In den letzten zehn Jahren war es eines der Ziele der österreichischen Wirtschaftspolitik, Wien zu einem internationalen Finanzplatz zu machen. Die Randlage Wiens wäre dabei als Brücke zum Osten eher von Vorteil gewesen, als wichtigster Nachteil bei der Realisierung dieses Zieles erweist sich jedoch einst wie jetzt die Haltung des jeweiligen Finanzministers.

In den siebziger Jahren trat insbesondere der Generaldirektor der Creditanstalt-Bankverein, Heinrich Treichl, mit der Forderung auf, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Etablierung Wiens als internationalen Finanzplatz zu schaffen. Diese Forderung traf bei den Politikern bestenfalls auf verbales Verständnis. An einer der wichtigsten Voraussetzungen zur Erreichung dieses Zieles, der Aufhebung der Doppelbesteuerung auf den Gewinn von Aktiengesellschaften, von der die Finanzpolitik nicht abgehen wollte, scheiterte das Unterfangen von Beginn an.

Der wichtigste Grund, warum Wien auf seinem gewünschten Weg zum internationalen Finanzplatz wenig weiterkam, ist darin zu suchen, daß in den letzten Jahren auf Grund der Notwendigkeit der außenwirtschaftlichen Absicherung die Freiheiten im Geld- und Kapitalverkehr mit dem Ausland weitgehend eingeschränkt wurden. Dazu kommt, daß wegen der steuerlichen Diskriminierung der Aktie in Österreich und wegen des äußerst schmalen Börsenkurszettels Wien als Börsenplatz im europäischen Bereich das Schlußlicht bildet. So macht die Wiener Börse internationale Tendenzen kaum mit, führte selbst im vergangenen Jahr, als es überall drunter und drüber ging, einen Dornröschenschlaf. Gelegentlich versucht die österreichische Wirtschaftspolitik, eine derartige Friedhofsruhe als Ergebnis ihrer Stabilitätspolitik zu verkaufen.

Aber auch der österreichische Kapitalmarkt war in den letzten Jahren für ausländisches Geld nur sehr kurzfristig interessant. Ausländisches Kreditinteresse scheiterte entweder an der Kreditplafondierung oder bremste sich wegen des zu hohen

Zinsniveaus ein. Das Interesse potentieller Anleger an Kapitaltransfers nach Österreich war wegen des in preisstabilen Phasen meist tiefen Zinsniveaus in Österreich ohnedies nie sehr groß.

Daraus erklärt sich die Bedeutungslosigkeit des Finanzplatzes in internationaler Sicht. Selbst die relativ stabile politische Entwicklung Österreichs und alle Versuche, aus Wien eine internationale Kongreßstadt zu machen, konnten daran nichts ändern. Sicher ist, daß es nicht an einschlägigen Bemühungen der heimischen Großbanken fehlt. Wo immer es ihnen möglich ist, versuchen sie sich im internationalen Geld-, Kredit- und Emissionsgeschäft zu behaupten. Sie schließen sich großen internationalen Bankgruppen an und versuchen, mit freilich begrenzten finanziellen Mitteln, auch bei Finanzierungen in Staaten der Dritten Welt mitzuwirken. Wenn es Wien gelungen ist, Genf den Rang als internationale Kongreßstadt abzulaufen, so haben die österreichischen Großbanken bei ihren Bemühungen, den Vorsprung der schweizerischen Großbanken zu verkürzen, bisher nur wenig Erfolg gehabt.

Unvermindert hält dagegen der Zulauf ausländischer Banken nach Wien an. Allein in den letzten beiden Jahren hat sich die Zahl der westlichen Banken in Wien um neun erhöht. Fast alle großen amerikanischen Banken besitzen im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung des Ost-West-Geschäftes Niederlassungen in Wien, eine französische Großbank hat in dieser Zeit ebenfalls ihre Banktore geöffnet. Schließlich aber haben sich sowohl die sowjetische Staatsbank als auch die sowjetische Außenhandelsbank in Wien etabliert. Von den österreichischen Großbanken hat in den letzten Jahren dagegen nur die Creditanstalt-Bankverein den Sprung ins Aüsland erfolgreich geschafft: Sie eröffnete als erste Westbank ein Büro in Budapest.

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