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Zur heilsamen Unruhe bekehren

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Als Gast des deutschen Katholikentages gab der Autor zum Motto „Kehrt um und glaubt - erneuert die Welt” folgendes Statement ab:

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Als Gast des deutschen Katholikentages gab der Autor zum Motto „Kehrt um und glaubt - erneuert die Welt” folgendes Statement ab:

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Wir sind dankbar, daß wir Österreicher in einem katholischen Land leben, und daß dort der Katholizismus ins Volk gedrungen ist. Unser Katholizismus aber hat allzu barocke Formen ausgebildet, und es wurde in Osterreich allzu billig, ein Katholik zu sein. Manche Katholiken haben sich mit ihrem Katholizismus zur Ruhe gesetzt. Vielleicht haben wir allzulange in einem Kirchenlied gesungen: „Was unsere Ruhe störet, gestatte nicht, o Herr”.

Umkehr und Bekehrung heißt, das Christentum wird teurer. Der Katholik hat die teuren Preise des Christentums anzunehmen und nicht nur die Kirchensteuer, die manchem schon sehr teuer vorkommt. Bekehrung, Umkehr heißt, sich als Christ einer intensiven geistigen Anstrengung und Auseinandersetzung mit dem Evangelium, mit der Kirche und der Welt — so wie sie heute vor uns steht — zu unterziehen und daher kein Engagement zu scheuen.

Wir Christen haben der Oberflächlichkeit die Stirn zu bieten.

Ein Problem nur oberflächlich zu lösen, ist unverantwortlich. Wir müssen uns bekehren zu der heilsamen Unruhe, die das Evangelium enthält. Wir dürfen dem unbequemen Wort Jesu nicht ausweichen: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen...”

Das heißt auch, daß wir uns dazu bekehren müssen, Konflikte, die wegen des Anspruchs der Wahrheit, der Verteidigung der Gerechtigkeit und der Glaubwürdigkeit des Evangeliums entstehen — gegenüber wem immer — auszuhalten und durchzustehen. Wer das tun will, muß riskieren, daß er angefeindet, als unrealistischer Spinner hingestellt wird, daß er berufliche Nachteile haben kann, und daß ihm unter Umständen auch Subventionen gekürzt werden. Das ist aber wenig im Vergleich zu dem, was viele unserer Väter für den Glauben aufs Spiel gesetzt haben, die ins KZ gekommen sind.

Man nennt Österreich gerne eine „Insel der Seligen”. Sogar der Papst hat dieses Wort einmal gebraucht. Wir fühlen uns auch gerne als , Jnsel der Seligen”, die die Schrecken der heutigen Welt im Fernsehen verfolgt. Österreich war einmal geographisch ein großer Staat; heute sind wir ein kleiner Staat. Wir sehen uns manchmal zwischen den Großen dieser

Erde wie ein Kind, dem man noch nichts tun darf.

Bekehrung würde heißen, daß wir nicht unser kleines Glück zwischen dem Unglück der Großen suchen, sondern daß wir uns solidarisch erweisen mit der Ersten, Zweiten und Dritten Welt. Wir müssen die heilsgeographische Lage unseres Landes zur Kenntnis nehmen. Österreich liegt im Herzen Europas; es grenzt an drei Länder des Westens und an drei Länder des Ostens. Bekehrung müßte heißen, daß wir darin noch mehr einen unvertretbaren Auftrag sehen.

Die Krankheit des Österreichers heute ist Resignation und Depression, und zwar — wie schon erwähnt — als Krankheit, aber auch als Lebenseinstellung. Uns Österreichern geht es viel besser als ganz Südamerika und Afrika, und dennoch haben wir anscheinend weniger Hoffnung als die Menschen vieler Länder in den genannten Kontinenten. Viele Menschen resignieren und sind deprimiert.

Viele positive Chancen

Wir österreichischen Katholiken haben uns daher eine Bekehrung zur Hoffnung vorgenommen. Der österreichische Katholikentag 1983 steht unter dem Motto: „Hoffnung leben — Hoffnung geben”. Wir brauchen die Hoffnung, die Schuld, Leid und Not überwindet. Ohne Hoffnung hat der Mensch auf nichts mehr zu warten, und er hat nichts zu erwarten.

Zur Umkehr zählt, die Zukunft mit einer zuversichtlichen kreativen Leidenschaft zu gestalten, wobei nicht zu übersehen ist, daß es hier auch viele positive Aufbrüche und Chancen gibt. Wir müssen uns wieder zu der Freude bekehren, die so viele Ausländer im Österreicher vermuten.

Wir haben Schuld auf uns geladen und haben Fehler gemacht, nicht nur als Einzelpersonen, sondern als Kirche sowie in Politik und Wirtschaft, und zwar nicht nur durch das, was wir getan, sondern auch durch das, was wir unterlassen haben.

Auftrag der Christen

Die Christen haben nicht nur den Auftrag, eine gute Kirche zu bauen, sondern die Welt und Umwelt so mitzugestalten, daß sie für den Menschen bewohnbar bleibt. Vielleicht hat man sich früher allzusehr darum gesorgt, die Christen in die Kirche zu treiben. Wir müssen uns heute auch darum sorgen, wie wir Christen jene Betroffenheit von der Botschaft Jesu erreichen, die uns zu einem vollen Engagement in Politik und Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft drängt.

Zur Bekehrung gehört aber auch die Annahme der eigenen Geschichte und gegebenenfalls die Versöhnung mit ihr. Vieles ist noch offen und nicht aufgearbeitet. Einiges ist gelungen. Ich denke an die Versöhnung jener Österreicher, die Feinde waren und sich als Menschen im KZ begegnet sind und sich dort geschworen haben, bestimmte gemeinsame Werte nie mehr zu verraten. Aus Feinden wurden Freunde, obwohl sie Gegner blieben.

Die Umkehr schließt ein, daß wir erkennen, daß wir, auch wenn wir vieles versäumt und falsch gemacht haben, niemals chancenlos sind, daß wir nie am Ende sind, weil Gott mit uns nicht am Ende ist.

Jede Umkehr setzt das Erkennen und Annehmen der eigenen Schuld voraus. Nur so bleibt der Christ offen für das Neue und für die Zukunft. So wollen wir uns ehrlich in die Reihe aller Länder dieser Erde stellen und mit ihnen beten: „Vergib uns unsere Schuld”.

Der Autor ist Präsident des österreichischen Katholikentagskomitees und der Katholischen Aktion Österreichs.

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