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Zur Rettung des Planeten

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Eine Strategie für ökologisch nachhaltiges Wirtschaften entwirft das Buch „Zur Rettung des Planeten Erde". Noch vor der UNO-Unweltkonferenz in Rio verfaßt, stellt es in leicht lesbarer Form all das zusammen, was die Umweltbewegung an Überlebensstrategien entwickelt hat.

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Eine Strategie für ökologisch nachhaltiges Wirtschaften entwirft das Buch „Zur Rettung des Planeten Erde". Noch vor der UNO-Unweltkonferenz in Rio verfaßt, stellt es in leicht lesbarer Form all das zusammen, was die Umweltbewegung an Überlebensstrategien entwickelt hat.

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Obwohl es den Autoren, Mitarbeitern des Worldwatch Instituts in den US A, primär um Lösungsansätze geht, ziehen sie doch eingangs Bilanz: Wirtschaftswachstum habe weiterhin Priorität. Allein die achtziger Jahre sahen das Weltbruttosozialprodukt um 30 Prozent wachsen. Profitiert habe vor allem der reiche Norden. In der Dritten Welt überwiege die Armut. In Lateinamerika sei in dieser Zeit das Einkommen um zehn, in Schwarzafrika sogar um 20 Prozent gefallen.

Übrigens ein teuer erkauftes Wachstum: „Trotz erhöhten Bewußtseins verschlechterte sich... die Gesundheit des Planeten mit beispielloser Geschwindigkeit", resümiert die Studie. „Seit 1972 verlor die Welt fast 200 Millionen Hektar Bäume... Die Wüsten dehnten sich um 120 Millionen Hektar aus - mehr Land, als die gesamte Erntefläche Chinas und Nigerias zusammegenommen. Die Bauern der Welt verloren etwa 480 Tonnen Ak-kerkrume - etwa soviel, wie das gesamte landwirtschaftlich genutzte Land Indiens und Frankreichs bedeckt. Zudem haben Tausende von Tier- und Pflanzenarten... aufgehört zu existieren."

Was tun? Erster Ansatzpunkt müßte nach Meinung der Autoren eine „Effizienzrevolution" sein. Auf Deutsch: Schluß mit der Energievergeudung. Also Autos, Heizungs- und Kühlanlagen, Geräte, Beleuchtungskörper, die weniger verbrauchen, besser gedichtete Häuser. Das sei technisch entwickelt, erfolgreich erprobt.

Eine Politik, die diesen Weg for-

ciert, brächte außerdem mehr Arbeitsplätze. Eine EG-Studie sei vor Jahren zu dem Schluß gekommen, daß Investitionen in Gebäudeisolierung und Fernwärme mehr Arbeit schafften als herkömmliche Energieinvestitionen.

Das allein genüge aber nicht. Erforderlich sei weiters der „Aufbau einer Solarwirtschaft", also direkte Nutzung der Sonnenenergie (mittels Fotovol-taik und Solarkraftwerken), Einsatz von Windenergie, Biomasse, Wasserkraft. Eine besondere Rolle könne der Speicherung der Sonnenenergie in Form von Wasserstoff zukommen, vor allem für die Dritte Welt.

„Technologien sind entwickelt worden, die uns die effektive Nutzung der Sonnenenergie erlauben." Zu ihrem verbreiteten Einsatz bedürfe es einer gezielten politischen Förderung. „Das Tempo dieser Entwicklung wird aber durch Energiepreise und Regierungspolitik bestimmt."

Noch zu wenig Recycling

Der dritte Pfeiler einer Politik der Sanierung läuft unter dem Titel „Wiederverwendung und Wiederverwertung", also Schluß mit der Wegwerfgesellschaft. Aufgezählt wird, was vielen geläufig ist: Wiederverwendbare Behälter, Kompostierung von Nährstoffabfällen, Wiederverwertung von Papier, Glas, Metallen, Kunststoffen, weniger Verpackung. Hier müsse Druck auf die Wirtschaft ausgeübt werden. In vielen Ländern zeige sich, daß sie sehr wohl imstande ist, geeignete Lösungen zu finden.

Ohne Schutz der biologischen Lebensgrundlagen werde man aber nicht auskommen, ergänzen die Autoren. Wirtschaften müsse im Einklang mit den natürlichen Systemen stehen: Eine Herausforderung für die Land- und Forstwirtschaft, die sich auf die Versorgung von acht Milliarden Menschen einstellen müßten. Das bedeutet vor allem: Schluß mit der Vergeudung fruchtbaren Landes für nicht landwirtschaftliche Zwecke.

Empfohlen wird ein sorgsamerer

Umgang mit dem fruchtbaren Boden durch entsprechende landwirtschaftliche Methoden; mehr Ackerbau und weniger Viehzucht; Förderung lokaler Bewässerung und biogener Düngung . Vor allem aber: Stopp der Entwaldung und gezielte Wiederaufforstung. Das trage zu stabilerem Wettergeschehen bei.

Folgt ein massiver Aufruf zum Einbremsendes Bevölkerungswachstums. Acht Milliarden sei die Obergrenze. Vor allem in Afrika seien Maßnahmen notwendig. Welche? Von „Familienplanungsdiensten" wird gesprochen, von „modernen, sicheren, hocheffektiven Methoden" - ohne Präzisierung. Interessanterweise werden natürliche, dem ökologischen Anliegen entsprechende Methoden nicht besonders hervorhoben.

Zum Schluß empfiehlt der Bericht eine Reihe von Maßnahmen: Vor allem sei ein Wertewandel notwendig, die Bereitschaft, mit Grenzen zu leben, müsse wachsen. Mehr als weltweit durch Fotosynthese zuwächst, stehe nicht zur Verfügung. 40 Prozent davon nutze man heute. Viel mehr dürfe es nicht werden.

Diese Neuausrichtung bedürfe einer Erweiterung der Wirtschaftsstatistik. Die Auswirkungen wirtschaftlichen Tuns auf die Umwelt müßten erfaßt werden. Das sollte den Rahmen für eine neue Form der Besteuerung abgeben, die umweltschonendes Wirtschaften belohnt und Umweltschädigung bestraft (Stichwort: Ökosteuern). Eine Reihe sinnvoller Modelle sei längst entwickelt worden. Sich nur auf die Kräfte des Marktes zu verlassen, sei längst als Irrweg erkannt, sagen die Autoren. Ob das zur Rettung des Planeten reicht, bleibt fraglich. Denn vom Wertewandel redet man schon lange. Weil ihn kluge Argumente nicht bewirkt haben, wird er wohl erbetet werden müssen.

ZUR RETTUNG DES PLANETEN ERDE. Von Lester Brown, Christopher Flavin, Sandra Postel, S. Fischer, Frankfurt 1992,238 Seiten, öS 210,-.

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