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Zur Umkehr rufen, nicht Angst machen

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Aids: Wieder ein Thema,, das von den Medien zutode vermarktet wird: Mehrfach zierte es im Februar die Schlagzeilen der Tagespresse, brachten die Magazine Titelgeschichten zu diesem Thema. Teilweise wird fast genüßlich auf der Klaviatur der Angst gespielt: „Angst vor AIDS” mit 4J> Zentimeter großen Balkenlettern im .Kurier” (13. Februar) und die Sto-ries von AIDS-Terroristen, die andere bewußt anstecken, im „Wiener”, um nur zwei Beispiele zu nennen. Natürlich segelt die gesamte Berichterstattung * unter dem Motto Aufklärung. Hoffentlich hilft es.

Aber wie seicht wird da doch oft gekratzt! Von der 16jährigen Tochter von Heidi Brühl bekommt man in der ,J3unten” zu hören, sie und ihre Freundin nähmen nun „zur Sicherheit” Kondome mit, wenn sie in die Disco gehen. Und Roberto Blan-co empfiehlt seinen Töchtern: „Seit es Aids gibt, sind Präservative viel wichtiger als die Pille.” Und Christiane Hörbiger: „Wenn mir mein Sohn sagt, daß er eine Nacht nicht zu Hause schläft, rate ich ihm, unbedingt ein Präservativ zu benutzen.”

Selbstverständlich wird immer auch darauf hingewiesen, daß die lockeren Sexualbeziehungen möglichst auch zu vermeiden seien. Aber meistens schwingt mit: Gott sei Dank gibt es Kondome... Wie werden aber in Zukunft Kinder gezeugt, wenn Präservative regieren?

Wäre da nichts Wesentlicheres zu sagen? Für manchen Rufer in der Wüste mag Aids die langersehnte Bestätigung für seinen Standpunkt, die Anprangerung der heutigen sexuellen Freizügigkeit, sein. „Jetzt kommt die Strafe Gottes”, mag er im „heiligen” Eifer erklären. Johannes Gründel hat recht, Vor solchen Aussagen zu warnen. Ein einseitiges und falsches Gottesbild kann dadurch geweckt werden. Soll man das Geschehen aber deswegen gar nicht mit Gott in Beziehung setzen?

Eine Stelle aus dem Lukas-Evangelium scheint mir als Antwort geeignet: „Zu dieser Zeit kamen einige Leute zu Jesus und berichteten ihm von den Galiläern, die Pilatus beim Opfern umbringen ließ. Da sagte er zu ihnen: Meint ihr, daß nur diese Galiläer Sünder waren, weil das mit ihnen geschehen ist, alle anderen Galiläer aber nicht? Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.” (Lk 13J.-3)

Genau unter diesem Aspekt sollten wir Aids als Zeichen der Zeit sehen: Nicht um Gott als entfernten Urheber der Seuche zu entlarven, sondern um unserer eigenen Gottlosigkeit ins Auge zu sehen. Sie äußert sich ja genauso in der Armut der Dritten Welt, der Arbeitslosigkeit, die Gründel anführt, aber auch im Waldsterben oder der A btreibungsepidemie.

Wäre es nicht Aufgabe der Christen, diese umfassende Bedrohung zu deuten, und zwar als Folgen des neuzeitlichen Versuchs, eine Welt ohne Gott einrichten zu wollen? Aids ist nur eine dieser Folgen. Sie alle — auch Aids — mahnen uns jedoch, diesen Versuch als Irrweg zu erkennen und umzukehren. Das ist zunächst kein äußerliches Geschehen, sondern eine innere Hinwendung zum lebendigen Gott.

Wo dies geschieht, erfolgt ganz selbstverständlich ”eine Abkehr von- sexueller Freizügigkeit, weil die Ehrfurcht vor dem Mitmenschen wächst. Da wird selbstverständlich die Ehe zum einzigen Ort voller sexueller Hingabe. Da bedarf es keiner kleinlichen Moralkasuistik. Aids stellt also mehr in Frage als nur das gängige freizügige Sexualverhalten (obwohl es das auch tut!).

Wer Augen zum Sehen und Ohren zum Hören hat, wird den Anruf zu einem radikalen Neuanfang erfahren. Das geht weit über so praktische Anweisungen wie „Weg vom harten zu einem safer sex” oder Condome statt Pille” hinaus.

Aber wer wird noch ansprechbar sein? Die meisten Zeitgenossen schalten beim Wort Aids längst ab, ebenso wie bei Waldsterben und Abtreibung. Alte Hüte...

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