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Zuseher oft religiös, aber nicht kirchlich

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1. Die religionssoziologische und historische Analyse ergeben übereinstimmend die „Entkoppelung“ von Kirchlichkeit und Religiosität als bestimmenden Zug des österreichischen Seherpublikums. Die religiöse TV-Pro- duktion muß daher auf die eigentümliche Tatsache Rücksicht nehmen, daß sie sich an unkirchliche, aber zugleich in einem beträchtlichen Maß religiös interessierte Seher wendet.

2. Das offiziöse Image des ORF verstärkt der Eindruck der „Amtlichkeit“ religiöser Sendungen und entspricht damit einer tief eingewurzelten Sehererwartung. Eine Kommunikatioren-Befragung hat ergeben, daß dieses Problem zunehmend erkannt wird und zum Teil bereits zur Entwicklung distanzvermindernder Sendungsformen führt.

3. Eine Analyse der Manuskripte von 56 „Chi^t-in-der-Zeit“-Sendun- gen ergibt eine pessimistische Zeit- und Menschendarstellung der Christen. Der Verzicht auf beides zugunsten der religiösen Botschaft kann helfen, Kommunikationsbarrieren abzubauen.

4. Die Einbahnigkeit der massenmedialen Kommunikation und das Fehlen der „didaktischen Situation“, die ein unmittelbares Eingehen des Kommunikators auf den Empfänger erlauben würde, wird von den Sprechern als große Belastung empfunden und äußert sich auch in einem Unbehagen an den Bedingungen, unter denen die Studioaufnahmen vor sich gehen.

Da religiöse Themen auch eine Herausforderung an die Intimität des „privatreligiösen“ österreichischen Sehers darstellen, wird empfohlen, dialogische, meditative und dokumentarische Sendungsformen zu bevorzugen, die dem Seher die Zuschauerrolle nicht abstreiten.

5. Eine Analyse des ORF-Infratests und des Programmatlas im Hinblick auf den „religiösen Seher“ ergibt neben dem traditionellen Publikum, das von Frauen und älteren Menschen mit geringem Bildungsgrad und in kleineren Orten im ländlichen Milieu dominiert wird, überraschende religiöse Programmwünsche bei einem Publikum, das sich zugleich für Kultur, Museen,

Bücher und moderne Musik (E-Musik) interessiert. Andererseits hat das traditionelle Publikum religiöser Sendungen für diese Themen besonders wenig Interesse.

6. Starke Unterschiede im Interesse an religiösen Sendungen bestehen zwischen den einzelnen Bundesländern. Das geringste Interesse herrscht in Wien, gefolgt von der Steiermark und Kärnten; das höchste im Burgenland, gefolgt von Oberösterreich und Vorarlberg. Eine stärkere Rücksichtnahme auf lokale Mentalitäten könnte daher im Zuge einer Regionalisierung des Fernsehens auch für die religiösen Programme von Vorteil sein.

7. Ein Vergleich mit dem Hörfunk zeigt, daß Religion innerhalb des Programmangebots im Hörfunk eine bessere Position innehat als im Fernsehen. Gründe dafür sind das flexiblere Image des Hörfunks, die größere Anonymität des bloß Gehörten und die Tatsache, daß eine moderne religiöse Bildwelt für Film und Fernsehen noch kaum entwik- kelt wurde.

8. Weitere Aufschlüsse über die besonderen Bedingungen religiöser Kommunikation via Bildschirm könnte eine detaillierte Vergleichsuntersuchung von „Christ in der Zeit“ und „Fragen des Christen“ geben. Trotz voller Berechtigung dieser Sendungen wäre eine Zurückdrängung des Verbalen in der religiösen Kommunikation zugunsten des Experiments mit Film und Bild wünschenswert

Über das Publikum religiöser TV- Sendungen informiert eingehend eine instruktive Arbeit des bekannten Publizisten. dessen Schlußfolgerungen wir nebenstehend wiedergeben.

Eine zweite sehr lesenswerte Publikation derselben Reihe legte Siegfried Muhrer, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Diözese Gurk-Klagenfurt. vor: beide Ergebnisse des bisher größten interdisziplinären Forschungsvorhabens im ORF-Auftrag.

DAS PUBLIKUM RELIGIÖSER TV-SEN-

DUNGEN. Von Peter Pawlowsky. FERNSEHEN UND RELIGION. Von Siegfried Muhrer. Berichte zur Medienforschung (ORF-

Zentrum Wien).

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