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Zuversicht nach Schwarzmalerei

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Hochstimmung in der ÖVP nach dem Linzer Parteitag: Die große Oppositionspartei hat mit Michael Graff einen neuen Generalsekretär und neue Zuversicht gewonnen.

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Hochstimmung in der ÖVP nach dem Linzer Parteitag: Die große Oppositionspartei hat mit Michael Graff einen neuen Generalsekretär und neue Zuversicht gewonnen.

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In einer Blitzaktion am späten Abend des 2. März wurde Sixtus Lanner, ÖVP-Generalsekretär seit 1976, durch den 44jährigen Wiener Rechtsanwalt Michael Graff („Ich bin ein liberaler Katholik") abgelöst.

Mit einem Blitzstart, 95 Prozent der Delegiertenstimmen bei ÖVP-Bundesparteitag am 5. und 6. März im Linzer Brucknerhaus, übersprang er auch jene Latte,

die ihm Wiens ÖVP-Chef Erhard Busek zuvor gelegt hatte: „Uber 90 Prozent"

Die Erleichterung, den Schlußstrich unter eine jahrelange Personaldiskussion gezogen zu haben, stand den Parteitagsbesuchern ins Gesicht geschrieben: Parteiobmann Alois Mock und der abgetretene Sixtus Lanner machten da keine Ausnahme.

Graff liebt es griffig. Und das verstanden die Delegierten.

Tastete sich die Volkspartei in vergangenen Jahren vorsichtig an die Formulierung ihres Wahlzieles heran, fiel diesmal der neue Mock-Adlatus gleich mit der Tür ins Brucknerhaus:

„Wir wollen gewinnen! Es sind jetzt auch wieder Kreisky-Wähler zu haben. Wir werden ihnen ein attraktives Angebot machen."

Und: „Ich werde euch fordern, so wie ihr mich gefordert habt." Die Volkspartei soll wieder die Nummer eins und Mock Bundeskanzler werden.

Dieser Optimismus riß die bisher eher (durch die andauernde

Lanner-Diskussion und zuletzt auch durch den Rauchwarter-Skandal) verzagten Oppositionellen mit: Teils Euphorie, teils neue Zuversicht lag über dem Parteitag.

Die Euphorie wird verfliegen. Bleibt die Zuversicht?

„Die SPÖ", so Graff zur FURCHE, „kann nur verlieren. Denn eine so deutliche Führungsschwäche wie jetzt hat's noch nie gegeben."

Führungsschwäche, das ist es auch, was der neue „General" indirekt seinem Vorgänger vorhält: „Die ÖVP ist heute unerhört solid und solidarisch. Was zu verbessern ist, sind die Zielvorgaben."

Daher will er sich nicht mit irgendeinem Zugewinn bei den nächsten Wahlen begnügen, sondern einen Erfolg fordern, „der sich gewaschen hat".

Der klare Anspruch, als stärkste Partei demnächst den Kanzler stellen zu wollen, einerseits und das in Linz von Alois Mock abwärts bekundete Bekenntnis zu Konsens und Zusammenarbeit andererseits lassen schließen, was der großen Oppositionspartei heute vor Augen schwebt: eine große Koalition unter Mock.

Das freilich zielt genau auf die derzeitige Grundstimmung in der Bevölkerung ab: ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis, der

Wunsch an die Parteien, „in Zeiten wie diesen" (SPO-Slogan) zusammenzustehen, um in einer ohnehin krisengeschüttelten Welt die wirtschaftlichen Probleme ebenso wie überfällige Sanierungen anzupacken.

Vor allem Wechsel- und bisherige Kreisky-Wähler hätten, will man in der ÖVP wissen, hier ein besonders feines Sensorium und seien nun überdurchschnittlich konsensorientiert. Wozu noch kommt, daß die Sympathie für eine allfällige rot-blaue Koalition in den Keller gefallen ist und auch bei SPÖ-Randschich-ten Attraktivität verloren hat.

Doch ganz so zufällig, wie dies scheinen könnte, kam die Graff-Optimismusspritze nicht. Mock selbst ließ in seiner wohlvorbereiteten Rede am 6. März ähnliche Töne anklingen: Der „unbedingte Wille, die Mehrheit zu erringen, ist lebenswichtig für unsere Partei".

Auch sonst setzte der ÖVP-Ob-mann, von den Delegierten mit großem Beifall bedacht, neue Akzente, Signale einer Öffnung der Volkspartei für kritische (Wechsel-)Wähler.

Seine Absage an die „Parteibuchwirtschaft" vor den Parteimitarbeitern („Es ist eines freien und mündigen Bürgers unwürdig, es ist für einen Demokraten undenkbar, wenn er für die Dek-kung seiner existentiellen Be-' dürfnisse wie Wohnung, Arbeitsplatz oder Spitalsbett ein Parteibuch vorweisen muß") könnte darauf hinweisen, daß sich die Volkspartei bewußt von einer Mitglieder- zu einer Wählerpartei entwickeln möchte.

Mock sprach auch schon zum vorher ausführlich diskutierten „Modell Österreich" der ÖVP, dessen Grundzüge in einer programmatischen Resolution zusammengefaßt wurden.

Unüberhörbar war aber sein Bemühen, einen neuen politischen Stil in Richtung Jugend, derzeit von der Politik Verdrossene und Wechselwähler zu signalisieren: Zuversicht statt Politisierung der Angst, Mut zur Wahrheit, Korrektheit und Verantwortungsbewußtsein waren zentrale Botschaften der Mock-Rede.

Da konnte natürlich die Herausforderung an die Regierung auch nicht fehlen: „Wenn die SPÖ bereit ist, mit uns gemeinsam nach Lösungen (bei den Wirtschaftsproblemen) zu suchen, dann trifft sie bei uns auf Gesprächs- und Verhandlungsbereitschaft."

Aber: „Wenn diese Regierung im Stil der Ratlosigkeit und Untätigkeit noch zwölf Monate bis zur nächsten Wahl fortsetzt, nur um einen neuen Spitzenkandidaten aufzubauen, dann ist uns das zu teuer." Also: vorzeitige Neuwahlen.

Der herausgeforderte Bundeskanzler winkte bereits ab: Er will mit der ÖVP reden.

Kaum geredet, zumindest nicht in alter Diktion, wurde aber bei diesem Parteitag von Kreisky:

Statt wild gegen ein Denkmal anzulaufen (und damit ehemalige Kreisky-Wähler zu vergrämen), bedachte man den „scheidenden Kanzler" (ÖVP-Wahl-kampfleiter Heribert Steinbauer) nur mit schaumgebremsten Attacken.

Wie überhaupt auffiel, daß die Parteitagsregie die Krisenanalyse Außenstehenden überließ: Wirtschaftsprofessor Gunther Tichy zeichnete das düstere Bild der wirtschaftlichen Lage; das Krisenszenario in der Welt wurde durch Hugo Portisch, Paul Lend-vai, Hannes Burger („Süddeutsche Zeitung") und Rudolf Stamm („Neue Zürcher Zeitung") ausgeleuchtet.

Die ÖVP hat mit Linz einen neuen Weg eingeschlagen: Zuversicht nach Schwarzmalerei.

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