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Zuviel Dreinreden schadet

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FURCHE: 1992 feiert die Akademie der bildenden Künste in Wien ihr 300-Jahr-Jubiläum. Wie und wozu ist sie entstanden?

OTTO ANTONIA GRAF: 1692 wurde sie von Kaiser Leopold I. gegründet und sollte Architekten, Bildhauer, Maler, Stukkateure usw. für die Bauaufgaben von Hof, Adel und Kirche in dieser Blütezeit nach dem Sieg über die Türken ausbilden.

Bis zum Jahr 1918 war sie sozusagen oberste Zensurbehörde in Sachen Kunst, sie vertrat die allgemeine Staatskunst. Fürdie Künstler bedeutete sie die Herauslösung aus dem Zunftverband und war damals eher eine Künstlergesellschaft als eine Stätte zur Ausbildung der Jugend. Bis ins 19. Jahrhundert war die Kunstausbildung mehr dem Verhältnis von Meister und Lehrbub ähnlich. Aus dieser Gegebenheit hat sich die Mög-lichkeit erhalten, schon im Alter von 16 Jahren-und ohne Reifeprüfung - nach Absolvierung einer Aufnahmsprüfung an die Akademie aufgenommen werden zu können. Die Aufnahmsprüfung dient angeblich dazu, die künstlerische Begabung der Bewerber festzustellen.

FURCHE. Wozu dient sie Ihrer Meinung nach wirklich?

GRAF: Etwa 90 Prozent von ihnen' abzuhalten, hier unglücklich zu werden.

Es ist nicht möglich, künstlerische Bega- erDau' bung wissenschaftlich-objektiv festzustellen. Bei der Aufnahmsprüfung betrachtet die entsprechende Kommission die vorgelegten Arbeiten und fällt ein Urteil, diskutiert darüber wird im allgemeinen nicht.

FURCHE: Wäre denn ein Probesemester besser geeignet?

GRAF: Das ist zwar als Möglichkeit vorgesehen, davon wird aber kaum Gebrauch gemacht. Wer aufgenommen wird, hat berechtigte Aussicht auf den Erhalt des Diploms.

FURCHE: Hängt das heute noch praktizierte Prinzip der Meisterschulen mit diesem Meister-Lehrbub-Verhältnis zusammen?

GRAF: Das Prinzip der Meisterschulen sieht theoretisch die Auseinandersetzung des Leiters der Meisterschule mit jedem einzelnen seiner Studenten vor, in der Praxis sieht das vielfach aber anders aus.

Für den Staat sind die Meisterschulen eine Gelegenheit, sein schlechtes Gewissen Künstlern gegenüberdurch die Vergabe einer solchen Position zu beruhigen. Weiters reproduziert sich das Kollegium der Leiter der Meisterschulen selbst, was die Bevorzugung oder Benachteiligung bestimmter Strömungen mit sich bringt.

FURCHE: Kümmern sich dann in erster Linie die Assistenten um die Studenten?

GRAF: Es gibt Professoren, die mit ihren Studenten nur per Kassettenrecorder und Video verkehrten, ihre Assistenten führen dann quasi die „Schulaufsicht”. Mein Eindruck ist aber, daß die Abwesenheit des Professors für den Studierenden nicht negativ sein muß. Die Ausbildung an der Akademie beruht ja auf der Möglichkeit, Begabung durch Übung

FURCHE: Müssen aber nicht wie beijederkünstlerischen!'ätigkeitauch „ handwerkliche ” Fähigkeiten erlernt werden?

GRAF: Man könnte annehmen, daß die Akademie auch dazu da ist, aber seit einigen Jahrzehnten hält die Avantgarde von solchen Fertigkeiten nicht allzuviel. Jetzt wird beispielsweise in der Nachfolge von Joannis Avramidis ein Leiterder Meisterschule für Bildhauerei gesucht, aber die bisher Vorgeschlagenen beschäftigen sich alle in erster Linie mit multimedialen Künsten.

FURCHE: Entspricht dies einem internationalen Trend?

GRAF: Jedenfalls bei vielen Professoren, Studenten, Kunsttheoretikern, Kulturpublizisten und im Kunsthandel ist Bildhauerei im herkömmlichen Sinn weniger gefragt. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung werden nämlich an den Kunstakademien nicht künftige Trends geboren, sondern vorhandene nachvollzogen.

Eine Ausnahme bildete die Zeit nach 1945 in Wien, wo mit Fritz Wotruba, Herbert Boeckl, Roland Rainer oder Max Weiler tatsächlich ein Aufbruch stattfand.

FURCHE: Welche Stellung hat Ihr Fach Kunstgeschichte an der Akademie?

GRAF: Bis 1975 gab es kein Institut für Kunstgeschichte, sondern nur Vorlesungen von Kunsthistorikern. Ich habe vorher das Fach Bildnerische Erziehung gelehrt.

FURCHE: Welchen Stellenwert hat die Bildnerische Erziehung, also die Ausbildung derAHS-Lehrer, hier?

GRAF: An der Akademie wird Bildnerische Erziehung recht unterschiedlich geschätzt, allerdings sind die Voraussetzungen für die Ausbildung hier nicht ideal.

FURCHE: Jetzt zu den Veranstaltungen zum 300-Jahr-Jubi-läum: Gab es da früher nicht schon andere Pläne?

GRAF: Ja, das war der Fall. Jetzt gestaltet der Bühnenbildner Erich Wonder zur Eröffnung einen multimedialen Umzug über die Ringstraße - wohl angelehnt an den Makart-Festzug zum Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Joseph. Filmemacher Peter Greenaway wird aus der künstlerischen Substanz des Hauses seine Ausstellung „Die hundert wichtigsten Dinge des Lebens” gestalten. Eine Schau „Bilder einer Ausstellung”, Symposien und Künstlergespräche, ein von den Studenten erarbeitetes Video-Porträt der Akademie im The-seus-Tempel und die Zusammenarbeit zwischen Musikern und bildenden Künstlern sollen diese Feiern begleiten.

FURCHE: Angeblich finanziert das Wissenschaftsministerium den Löwenanteil von zehn Millionen Schilling, je eineinhalb Millionen steuern Unterrichtsministerium und Kulturamt der Stadt Wien bei. Von Sponsoren erhofft man mindestens zwei Millionen. Könnte man aus Anlaß des Jubiläums das Geld nicht sinnvoller investieren?

GRAF: Ja sicher, in Stipendien.

FURCHE: Halten Sie eine bessere Darstellung der Tätigkeit der Akademie in der Öffentlichkeit für überflüssig? Sie präsentiert ja auch ihre eigenen Sammlungen kaum.

GRAF: Ich halte eine bessere Information der Öffentlichkeit schon für wichtig. Unsere - ausgezeichnete -Gemäldegalerie hat beispielsweise jährlich nur etwa 12.000 Besucher, bei Ausstellungen wird sogar an den Plakaten gespart.

Mit dem Professor für Kunstgeschichte an der Akademie der bildenden Künste sprach Leono-re Rambosek.

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