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Zuviel Marktmacht gefährdet Wettbewerb

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Der Wettbewerb wird in Österreich immer heftiger. Das ist durchaus gut. Die Wettbewerbsmoral scheint aber mehr denn je gefährdet. Industrie und Handel klagen darüber gleichermaßen. Besonders ist da oft von zuviel Marktmacht die Rede. Die Marktmacht ist zu einem Streitpunkt geworden: Kammern, Verbände und auch das Handelsministerium sind mit diesem Thema seit Monaten beschäftigt.

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Der Wettbewerb wird in Österreich immer heftiger. Das ist durchaus gut. Die Wettbewerbsmoral scheint aber mehr denn je gefährdet. Industrie und Handel klagen darüber gleichermaßen. Besonders ist da oft von zuviel Marktmacht die Rede. Die Marktmacht ist zu einem Streitpunkt geworden: Kammern, Verbände und auch das Handelsministerium sind mit diesem Thema seit Monaten beschäftigt.

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Auffallend dabei ist, daß sich die Kontrahenten nicht nur gegenseitig, sondern auch untereinander beschuldigen. Besonders im österreichischen Lebensmittelhandel haben sich hier die Fronten verhärtet. Gerade in diesem Bereich, in dem sich in den letzten Jahren sehr viele neue dynamische Vertriebsformen etabliert haben, wird mit allen nur möglichen Taktiken und Techniken gekämpft.

Aber auch in anderen Branchen wird das Reinheitsgebot des freien Wettbewerbs mißachtet. Und das, obwohl alle Beteiligten genau wissen, daß die Marktmacht eine Wirtschaft, besonders so eine wie die österreichische, die in erster Linie mittelständisch ausgerichtet ist, erheblich gefährden kann.

Auf den verschiedenen österreichischen Märkten ist kaum Platz, um vielen Großunternehmen entsprechende Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Dennoch haben es in den letzten Jahren einige Unternehmungen verstanden, sich so zu entwik-keln, daß sie heute - eben auf Grund ihrer Größe - zu Marktbeherrschern ■gewachsen sind. Ihre Marktmacht ist einfach nicht mehr zu leugnen. Das führt aber dazu, daß diese Unternehmungen nunmehr absolut in der Lage sind, ihre wirtschaftliche Macht durch sich zwangsläufig ergebende Abhängigkeitsverhältnisse auszunutzen.

In erster Linie klagt die Industrie über Mißstände. Auf Grund gewaltiger Uberkapazitäten bzw. eines teilweise im Ausland subventionierten Importdruckes beschwert sie sich, daß sie einfach nicht mehr in der Lage sei, ihre berechtigten Forderungen bei den einkaufsstarken Handelspartnern durchzusetzen: Sie müsse Zugeständnisse machen, die weder kalkuliert seien noch dem Partner überhaupt auf Grund seiner Leistungen zustehen würden.

Es ist nun nicht zu leugnen, daß heute in Österreich sehr viele Unternehmungen Nachfragemacht besitzen: Warenhäuser ebenso wie Diskontbetriebe, Genossenschaften oder Einkaufskooperationen. Und sie alle stellen heute - eben auf Grund ihrer Nachfragemacht - beträchtliche Forderungen.

Da werden dann Regalmieten ebenso wie beispielsweise Werbezuschüsse, Jubiläumsgeschenke, Naturalrabatte, selbstverständlich Sonderpreise oder gewaltige Bonuszahlungen verlangt. Erfüllt der Lieferant aber diese Forderungen nicht, so wird mit einer Aufgabe der Ge-

Schäftsverbindung gedroht. Ein Spiel, das sich in Österreich Tag für Tag wiederholt.

Diese Realität ist bedenklich: Die Nachfragemacht beherrscht den Partner. Vor allen Dingen deshalb, weil sie letztlich für alle Beteiligten Probleme schafft.

Gibt es aber überhaupt..eine Lösung des Problems?

Zweifellos gibt es auch heute noch echte Partnerschaften, wo die Beteiligten gemeinsam versuchen, miteinander und nicht gegeneinander zu arbeiten.

Zuerst einmal wäre es notwendig, daß Industrie und Handel miteinander vertragliche Beziehungen eingehen, die sie nicht nur gegenseitig binden, sondern die auch für kooperative, flexible Möglichkeiten Platz lassen. So stellten beispielsweise gemeinsame Marketingstrategien eine Möglichkeit dar, eine eingegangene Partnerschaft zu stabilisieren. Oder man könnte Verträge abschließen, die auf bestimmte Basiswerte, die für alle Beteiligten bindend sind, festgelegt werden.

Aber auch ein besserer Austausch von Informationen und die gemeinsame Anpassung an die Marktdynamik sollte ebenfalls mithelfen, unterschiedliche Machtverhältnisse auszugleichen. Kooperation statt Konfrontation sollte die Devise lauten. Übrigens im Interesse der Verbraucher ebenso wie im Interesse einer gemeinsamen österreichischen Wirtschaft, denn die Notwendigkeit einer Harmonisierung der Beziehungen scheint dringend erforderlich.

Daß es neben einer Nachfragemacht auch die des Anbieters gibt, ist ebenso unbestritten. Es wäre einfach falsch, würde man die fortschreitende Konzentration ignorieren und übersehen. Anbietermacht ist ebenso gefährlich wie Nachfragemacht, da sie sehr schnell zu einem Monopol führen kann. Gerade in einem Bedarfsmarkt aber nimmt das Monopol erfahrungsgemäß kaum Rücksichten. Fehlt der Wettbewerb, so kann ein Anbieter in einem solchen Markt sein Monopol ausschließlich zu seinem Vorteil nutzen.

Marktbeherrschung schafft Abhängigkeiten und sie zwingt den Abhängigen zur Unterwerfung. Allein diese Tatsache macht es notwendig, daß grundsätzlich jede Marktbeherrschung - gleich ob sie auf der Anbieter- oder der Nachfrageseite liegt -analysiert werden muß.

Die grundsätzliche Aufgabe jeder Wirtschaftspolitik muß daher sein, vor allen Dingen Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, die an Stelle der Macht die Leistung fördern. Entscheidend ist, den Leistungswillen und die Risikobereitschaft der einzelnen Unternehmen zu stärken.

In den letzten Jahren hat die Rezession die Existenzbedingungen vieler Klein- und Mittelbetriebe in Österreich verschlechtert, gleichzeitig aber die Aufwärtsentwicklung einiger marktstarker Unternehmen gefördert. Hinzu kam dann auch noch, daß außenwirtschaftliche Einflüsse mit dazu beigetragen haben, die Konflikte, die um die Marktmacht entstanden sind, anzuheizen.

Freilich: Auch die österreichische Wirtschaft kann ohne eine Massenfertigung heute kaum existieren, denn gerade der Massenabsatz garantiert letztlich das notwendige Wachstum. Beispiele gibt es dafür zur Genüge. Die Textilindustrie, die Leder-und die Lebensmittelindustrie, sie alle sind heute gezwungen, sich gegen ausländische Konkurrenzen zu behaupten.

Doch nur in Großproduktionen lassen sich viele Güter rationell und somit preiswert herstellen. Das aber kann natürlich dazu führen, daß aus diesen Massenfertigungen wieder marktbeherrschende Großbetriebe erwachsen können.

Es gibt keinen Zweifel: Zuviel Marktmacht kann volkswirtschaftlich schädlich sein. Sie kann mißbraucht werden. Nur dann, wenn alle Beteiligten rechtzeitig noch erkennen, wie sie partnerschaftlich miteinander arbeiten können, sichert das der österreichischen Wirtschaft eine Grundlage: den echten Wettbewerb.

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