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Zuviel Staat, mehr Privat
Was wollen die Parteien? Womit darf der Wähler rechnen, wenn er seine Stimme für eine bestimmte Liste abgibt? Eine Kurzserie als Wahlservice für FURCHE-Leser.
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Holger Bauer, FPÖ
Für fairen Wettbewerb
Nach freiheitlicher Auffassung soll der Staat selbst am besten überhaupt keine Wirtschaftstätigkeit im engeren Sinn ausüben. Wir wissen nämlich, daß jede Wirtschaftstätigkeit von Priva-tenietztlich besser und preiswerter erbracht wird als von den „öffentlichen Händen“.
Der Staat soll daher sogar bei jenen Wirtschaftsleistungen, für die privates Interesse fehlt, deren Erbringung aber im volkswirtschaftlichen Interesse liegt, zuerst versuchen, Privatinitiative zu wecken und zu fördern, bevor er diese Wirtschaftstätigkeit selbst ausübt.
Monopole und monopolähnliche Einrichtungen sollen aber in jedem Wirtschaftssektor vermieden werden. Wo solche entstehen — etwa weil die Nachfrage für einen Angebotswettbewerb vieler zu schwach ist, oder weil ein Wettbewerb nicht sinnvoll sein kann — müssen sie strengen, möglichst marktwirtschaftsnahen Regeln unterworfen werden. Ihre Einhaltung ist genau zu kontrollieren.
Die Hauptaufgabe staatlicher Wirtschaftspolitik besteht unserer Auffassung nach daher „nur“ in der Schaffung und Aufrechterhaltung eines wirksamen und dabei fairen Wettbewerbs vieler. Dieser muß auf echter Leistung unter Einhaltung sozialer und ökologischer Vorgaben beruhen.
Der Autor ist Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen.
Robert Graf, ÖVP
Es gibt keine Allheilmittel
Der Staat muß heute Rahmenbedingungen schaffen, die es derzeit leider nicht gibt, damit sich unternehmerische Initiative entwickeln kann. Die Schaffung dieser Rahmenbedingungen ist die Hauptaufgabe des Staates und nicht die Einmischung in die jeweilige Retriebsführung.
Es gibt keinen Rereich in der Wirtschaft, der von diesen Rah-menbedingurtgen ausgeschlossen sein soll. Ich unterscheide dabei auch nicht zwischen privater und verstaatlichter Wirtschaftstätigkeit. Wir möchten, daß auch die Verstaatlichte wieder mit Gewinn arbeiten kann.
Für mich ist auch die Privatisierung und der Abverkauf von Liegenschaften, die sich in Staatsbesitz befinden, nur ein Vehikel zur Sanierung, jedoch kein Allheilmittel.
Die gemeinwirtschaftlichen Unternehmungen, wie zum Beispiel auch die Bundesbahn, sollten allmählich an marktwirtschaftliche Bedingungen herangeführt werden. Dabei gestehe ich durchaus zu, daß die Bahn auch andere Funktionen erfüllt, die nicht bloß nach wirtschaftlichen Kriterien zu messen sind.
Der Autor ist Abgeordneter zum Nationalrat und ÖVP-Wirtschaftssprecher.
Peter Pilz, Grüne
Zweite Wende ist notwendig
In der Geschichte unserer modernen Nationalstaaten hat der Staat bereits einmal seine grundlegende Bedeutung für die Wirtschaft gewandelt. Stellte er im 19. Jahrhundert als „liberaler Nachtwächterstaat“ vor allem die politischen Rahmenbedingungen für die Wirtschaftstätigkeit her, so kümmert er sich spätestens seit der Jahrhundertwende um mehr: Seit das Vertrauen — gerade auch vieler Unternehmer — in die selbstregulierenden Kräfte des Marktes geschwunden ist, greift der Staat direkt in die wirtschaftlichen Abläufe ein.
Heute stehen wir an der Schwelle einer zweiten Wende. Waren es vor rund hundert Jahren die negativen Auswirkungen der Wirtschaftskrisen, so ist jetzt die allgemeine Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch unsere Art des Wirtschaftens zum
Hauptproblem geworden.
Die zweite Wende des Staates muß dem Wirtschaften neue Ziele stecken. An die Stelle der einseitigen Profitorientierung muß ein Ensemble wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Prioritäten treten.
Uber die Mittel dazu verfügt der Staat längst: ökosoziale Steuerpolitik und direkte Technologieförderung auf der Seite der indirekten und Umbau der verstaatlichten Industrie auf der Seite direkter Wirtschaftspolitik sind zweifellos die wichtigsten.
Voraussetzung für alles ist der gesellschaftliche Konsens über Ziele und Mittel. Dieser Konsens ist im Wachsen. Auch die Politik wird sich ihm nicht mehr lange verschließen können.
Der Autor ist Kandidat der „Grün-Alternativen Liste - Freda Meissner-Blau“.
Herbert Tieber, SPÖ
Fließende
Ubergänge
Wenn der Staat unternehmerisch tätig wurde, dann, immer nur, weil die private Wirtschaft manche Aufgaben zur Befriedigung von Redürfnissen nicht übernehmen konnte oder mangels Gewinnchancen nicht übernehmen wollte.
Die Eisenbahn zum Reispiel wurde nach einem fehlgeschlagenen und teuren Privatisierungsversuch unter Kaiser Franz Joseph ein zweitesmal in Staatsbesitz übergeführt. Die Post wurde ab Joseph II. Schritt für Schritt zu einem staatlichen Großunternehmen, weil die privaten Retrei-ber den Aufgaben nicht gewachsen waren.
Rei der Versorgung großer Städte mit öffentlichem Verkehr, Gas und Strom, hat die private Wirtschaft versagt. Sie wurde von den Gemeinden übernommen. Zwei Stromleitungen nebeneinander wären auch Uberland ein Unsinn. Leistungsgebundene Energieversorgung (Elektrizität und Gas) sowie große Kraftwerke gehören vernünftigerweise in die öffentliche Hand.
Moderne Umweltschutzeinrichtungen wie Kläranlagen, Müll- und Sondermüllentsorgung sind zu überlebenswichtig, als daß man sie privatem Gewinnstreben überantworten dürfte.
öffentliche Wirtschaft ist historisch entstanden. Der Staat wurde auch nicht durch Willkür oder Ideologie Eigentümer großer Industrie- und Rergbauun-ternehmen und einiger Ranken. Er mußte sie mangels anderer Wirtschaftskräfte übernehmen, aufbauen, vor Untergang und Insolvenzen retten.
Historisch entstanden heißt auch, daß öffentliche Wirtschaftstätigkeit erstens nicht in allen Industriestaaten gleich entwik-kelt ist, und zweitens, daß ein ständiger Austausch im Grenzbereich zwischen öffentlicher und privater Wirtschaft stattfindet. Es wird immer fließende Ubergänge geben, Kooperation mit Privaten, den Austausch von Know-how und auch wechselnde Eigentums- und Verfügungsstrukturen.
Es gibt nur eine österreichische Wirtschaft und die ist eine durchaus funktionierende gemischte Wirtschaft, das heißt, Privatwirtschaft, Öffentliche Wirtschaft und Genossenschaften sind gemeinsam die Wirtschaft.
Der Autor ist SPO-Nationalratsabgeord-neter.
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