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Zuviel Theorie?

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Der dritte Parteitag der CSU im Wahljahr 1976, auf dem der Parteivorstand neu bestellt und die scharfe, Munition für die Wahlkampfgeschütze ausgegeben wurden, hinterläßt einen zwiespältigen Eindruck.

Auf der anderen Seite präsentiert sich eine Partei voller Saft und Kraft. Unter dem organisatorisch herausragenden Management von Generalsekretär Tandler hat die CSU ihre bisherige Spitzenmitglie-derzahl von 140.000 erreicht; sämtliche Inhaber der wichtigsten Parteiämter wurden mit großen Mehrheiten neu gewählt; Kohl, Biedenkopf, Carstens, Filbinger und Dreg-ger sowie zahlreiche Vertreter ausländischer C-Parteien reisten nach München,“ um der bayerischen Schwester und ihrem nunmehr bundesweit übernommenen Wahlkampfmotto „Freiheit oder Sozialismus“ die Ehre zu erweisen.

Auf der anderen Seite zeigen sich Risse und Kratzer im Gesicht der nunmehr dreißigjährigen Union, die darauf hindeuten könnten, daß für sie der Höhepunkt bereits überschritten ist. Symptomatisch dafür steht der Fall Heubl. Der Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Stellvertretende Landesvorsitzende der CSU hatte bereits seit längerem das Mißfallen seines Chefs erweckt: zu lasche Reaktion auf den kritikwürdigen Grundvertrag, Ein-

lassen; die zweite das Ultimatum für eine öffentliche Entschuldigung, falls Heubl noch einmal für die Parteispitze kandidieren wolle. Der Staatsminister fügte sich der Prozedur und stellte in einer Erklärung fest, daß verschiedene Äußerungen, „die im Zusammenhang mit mir teils richtig, teils leider unrichtig wiedergegeben worden sind“, Anlaß zu unerfreulichen Erörterungen gegeben hätten, die der notwendigen Geschlossenheit der Partei abträglich seien. Der Parteivorsitzende vertrete die im Parteiprogramm der CSU herausgestellten Wesensmerkmale der Partei — sozial, liberal und konservativ — „am nachdrücklichsten“. Der Parteitag honorierte dieses Reuebekenntnis und wählte Heubl mit 507 von 690 gültigen Stimmen wieder zum Stellvertreter von Strauss. Aber es ist unverkennbar, daß die Einheitsfassade nur notdürftig geflickt wurde. Strauss hat sich wieder einmal durchgesetzt; aber von manchen, denen eine offene Auseinandersetzung, verbunden mit einer Gegenkandidatur — etwa von Kultusminister Maier — lieber gewesen wäre, wurde dies übel vermerkt. Der siegesgewohnte Landesvorsitzende, der jetzt bereits zum achtenmal für weitere zwei Jahre im höchsten Amt der CSU bestätigt wurde, erhielt mehr Gegenstimmen als früher. Von 725 gültigen Stimmen

satz für die Polenverträge auf dem letzten Parteitag, zu enge Freundschaft mit der CDU und Widerstand gegen eine bundesweite CSU bildeten die markantesten Punkte im Sündenregister des persönlich brillanten, aber über keinerlei Hausmacht verfügenden Münchners. Das Faß zum Überlaufen brachten dann von „Stern“ und „Spiegel“ kolportierte angebliche Äußerungen Heubls, nach denen dieser Strauss bei einer Gelegenheit als „besoffen“ und insgesamt als „ungeeignet für das Amt eines bayerischen Ministerpräsidenten“ bezeichnet habe, „weil es dafür einen Herrn braucht und Strauss kein Herr ist“. Ob diese Worte gefallen sind, wird in einigen Wochen ein Gericht zu prüfen haben. Tatsache ist, daß sie Strauss seinem Vize zutraute und daß es deshalb zu einem längeren Krach hinter verschlossenen Türen kam. Die erste Folge war eine Blockierung von Heubls Plänen, sich auf die Liste der Bundestagskandidaten setzen zu

mußte er sich mit 669 Ja begnügen.

Ein weiteres Faktum, das einen gewissen Gegensatz zwischen Parteimanagement und Strauss offenbart, ist der offensichtlich zu theoretische Ansatz des Wahlkampfmottos „Freiheit oder Sozialismus“. Es stand im Zentrum dieses Parteitags und die ganze Spitzengarnitur der Union, von der der Vorsitzende der CDU längeren Beifall erhielt als der Vorsitzende der CSU, verbreitete sich ausführlich zu diesem Thema. Immer dann, wenn die Theorie konkret wurde, etwa im Fall einer Warnung der Fritz-Erler-Gesellschaft, ^daß kein Sozialismus persönliche Freiheit garantiere oder bei der jetzt von SPD-Seite angekündigten Schwarzen Liste über Regimekritiker, wurden die Delegierten munter.

In der mehr pragmatisch ausgerichteten CSU kommt das Kämpferische im Wahlslogan an und die Zielrichtung, die von Strauss gewünschte inhaltliche Auseinandersetzung, bleibt dagegen eher mages

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