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Zwei Komödien

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Wortequilibristik führt heute auf der Bühne vor allem Peter Handke vor. Aber auch andere Autoren bieten Wortkünste verschiedenster Art. Diese beherrschende Funktion des Worts gab es bereits in frühmanieristischer Zeit, im Euphuismus, der zur Mode, ja fast zur Seuche wurde. Während bei Handke der Einsatz des Worts aggressiv, gesellschaftskritisch erfolgt, kommen die rauschhaften verbalen Übersteigerungen im Euphuismus aus einem überstarken Lebensgefühl. Auch der dreifiigjährige Shakespeare ergab sich in einem seiner frühen Stücke, in „Verlorene Liebesmüh“, das derzeit im Theater in der Josefstadt aufgeführt wird, angenähert euphuistischen Spielen, mochte er das Wortgespreize auch in einzelnen Gestalten parodieren.

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Wortequilibristik führt heute auf der Bühne vor allem Peter Handke vor. Aber auch andere Autoren bieten Wortkünste verschiedenster Art. Diese beherrschende Funktion des Worts gab es bereits in frühmanieristischer Zeit, im Euphuismus, der zur Mode, ja fast zur Seuche wurde. Während bei Handke der Einsatz des Worts aggressiv, gesellschaftskritisch erfolgt, kommen die rauschhaften verbalen Übersteigerungen im Euphuismus aus einem überstarken Lebensgefühl. Auch der dreifiigjährige Shakespeare ergab sich in einem seiner frühen Stücke, in „Verlorene Liebesmüh“, das derzeit im Theater in der Josefstadt aufgeführt wird, angenähert euphuistischen Spielen, mochte er das Wortgespreize auch in einzelnen Gestalten parodieren.

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Shakespeares Komödie ist federleicht. Der König von Navarra gründet mit drei Freunden eine Akademie, aie geloben drei Jahre lang, nur Studien zu obliegen, in dieser Zeit allein Genüssen, im besonderen dien Frauen, zu entsagen. Als aber die Prinzessin von Frankreich mit drei ihrer Damen in politischer Mission zu Staatsbesuch kommt, verlieben sich die vier „Asketen“ unter Bruch ihres Gelübdes in die vier hübschen Frauenzimmer, die sich nun freilich etwas spröde gehaben und dadurch die Glut nur um so mehr entfachen. Natur siegt über Unnatur, aber es kommt nicht einmal zu einem Kuß. Alles ist Schwärmerei, Neckerei, man bosselt Verse, die Herren verkleiden sich, die Damen tragen Masken, ein Spiel wird aufgeführt, und all das quillt über im kaskadenhaft eingesetzten Wort, im Jonglieren, Voltigieren von Worten, in Antithesen, Vergleichen, Tiraden.

Beim Lesen der Übersetzung von Wolf Graf Baudissin wirkt das Stüde in seinem Wortschwall nahezu unerträglich, und es ist zu begreifen, daß es in deutscher Sprache selten aufgeführt wurde, recht eigentlich als unspielibar galt. Nun hat Manfred Vagei einst in bezug auf diese Komödie von „dramatischer Anämie“ gesprochen, aber gleichzeitig erklärt, daß es bei Shakespeare noch Entdeckungen gebe. Dazu kommt es nun durch seine „Nachdichtung und Spielfassung“ von „Verlorene Liebesmüh“. Er stutzte das Stück scharf zu, schnitt sehr viel von dem Woirt- gestrüpp weg, das Verbleibende wurde gut faßlich, gut sprechbar. Auch kleine dramaturgische Änderungen erfolgten, so daß die Qualität der Szenen als eines Liebesspiels versunkener Zeiten frei wurde. Was sich tun ließ, ist getan, wenn sich auch keine durchschlagende Wirkung erreichen läßt.

Regisseur Edwin Zbonek bringt die Schwärmerei ebenso zur Geltung wie die Komik vieler Auftritte. Wolfgang Hutter bietet als Bühnenbildner keine Raumwirkungen, wie es die Szene verlangt, er begnügt sich mit flächigen Farbkomposi- tionen, womit er aber eine phah- tasievolle florale Welt Vor uns hinzaubert, die durchaus diesem tmnaturalistischen Spiel entspricht. Birgit Hutter stimmte die Kostüme dazu gut ab. Das Herrenquartett, vorweg mit Peter Neusser als König, Ernst Stankovsky als Biron, und das reizvolle Damenquartett, primär mit Marianne Nentwich als Prinzessin und Marion Degler als Rosaline, sind trefflich aufeinander eingespielt. Guido Wieland und — als Page — Helga Pupouschek, Kurt Sabotka und Michael Toost, Kurt Sowinetz, Elfriede Ramhapp und Rudolf Rös- ner zeichnen markant die drollig närrischen Gestalten. In einer kleinen Rolle ist Leopold Rudolf eingesetzt.

Die überragende Bedeutung von Hermann Bahr als Essayist wird heute nicht erkannt. Wer etwa liest seine großartigen Tagebücher? Diese mangelnde Wertschätzung eines Literaturguts, auf das man in Österreich stolz sein könnte, ist eine Fahrlässigkeit sondergleichen. Und eben dieser Mann hat gleichzeitig eines der besten deutschsprachigen Lustspiele geschaffen, deren es nur wenige von Belang gibt: „Das Konzert.“ Sieht man es derzeit in einer Aufführung des Volkstheaters wieder, zeigt es sich, daß es nichts von seiner Wirkung eingebüßt hat. Wie da die gute Ahsicht siegt, menschliche Konflikte nicht zu übersteigern, der Erregung überlegen Ruhe entgegenzusetzen, ausgleichend zu wirken, diese warme Menschlichkeit sagt uns wohl noch mehr als den Zeitgenossen der Entstehung vor mehr als sechzig Jahren, als es noch keine Weltkriege und ihre Folgen gab.

Das Volkstheater bietet unter der unaufdringlich wirksamen Regie von Gustav Manker mit dem gelassen überlegenen Charme von Hans Jaray als Heink, mit der meisterlich nuancenreichen Susanne Almassy als dessen Frau, mit der frischlebendigen Unmittelbarkeit von Michael Heltau als Dr. Jura und mit Kitty Speiser als dessen verstört enttäuschte öaftfn auf Abwegen, eine sehr sehenswerte Aufführung. Auch die Darstellung der Nebenrollen beeindruckt, nur die korpulente Dolores Schmidinger sollte nicht als vertiebt hysterische Eva Greindl eingesetzt werden. Trefflich zeitgerechte Bühnenbilder von Karl Eugen Spumy und ebensolche Kostüme von Maxi Tschunko. Ich habe noch nie bei einer Aufführung so viel Szenenapplaus gehört wie an diesem Premierenabend. Entsprechend war auch der Schlußbedfall.

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