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Zwei Macher für Bacher

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Ab 1. August werden beide TV-Intendanten für das gesamte Programmangebot in den zwei Kanälen verantwortlich sein. Die Organisationsreform soll den Zusehern nützen.

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Ab 1. August werden beide TV-Intendanten für das gesamte Programmangebot in den zwei Kanälen verantwortlich sein. Die Organisationsreform soll den Zusehern nützen.

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Der österreichische Rundfunk (ORF) stand im ersten Halbjahr 1984 ganz unter dem Eindruck zweier - in erster Linie für das Fernsehen — bedeutsamer Entscheidungen. Die erste: Am 25. März wurde beiden Fernsehkanälen ein neues Programmschema verpaßt.

Diese grundsätzliche Aufteilung und Festlegung der einzelnen Sendetypen und Programmplätze war schon abgestimmt auf die ORF-Gesetznovelle vom 1. JuIi. Diese zweite Entscheidung, die „Reform der Reform" (FURCHE 11/1984), beendet die Verantwortlichkeit der zwei Fernsehintendanten für je einen Kanal, wie sie das Rundfunkgesetz 1974 bestimmt hatte.

Nunmehr wird der eine Ferseh-intendant für alle Informationssendungen und der zweite für alle Kultur- und Unterhaltungssendungen in beiden Kanälen verantwortlich zeichnen.

Die zweite Rundfunkreform innerhalb von zehn Jahren ist hausgemacht: Sie geht auf den ausdrücklichen Wunsch von ORF-Generalintendant Gerd Bacher zurück, der das Unternehmen gegen die hereinbrechende Kabel-und Satellitenkonkurrenz wappnen will, mit klarer Zuständigkeit, weniger Zweigleisigkeit und mehr Effizienz in der Programmgestaltung.

Obwohl es sich bei der sogenannten Funktionslösung im ORF-Fernsehen vordergründig bloß um eine Organisationsänderung handelt, war und ist der Bacher-Plan umstritten. Nach der parlamentarischen Beschlußfassung der ORF-Novelle am 10. Mai mit den Stimmen der Regierungsparteien SPÖ und FPÖ gegen die der ÖVP-Opposition, wartete man gespannt auf die Sitzung des ORF-Kuratoriums am 5. Juli.

Die 35 Mitglieder des höchsten ORF-Gremiums folgten mit 22 gegen 13 Stimmen dem Vorschlag des Generalintendanten, den bisherigen Chefredakteur des Aktuellen Dienstes, Franz Kreuzer, zum Informationsintendanten und den bisherigen Chef des zweiten Fernsehkanals, Ernst Wolfram Marboe, zum Programmintendanten zu bestellen.

Was Gerd Bacher als „einen der wichtigsten Rundfunkbeschlüsse" bezeichnete, ging nicht klaglos über die Bühne des Küniglbergs. Auch der SPÖ zugerechnete Kuratoren haben ihrem Fraktionsführer und einem der Hauptbetreiber der „Funktionslösung", Unterrichtsminister Helmut Zilk, in der geheimen Abstimmung die Gefolgschaft versagt.

Und wenn es stimmt, daß die ÖVP-Kuratoren geschlossen für das Duo Marboe/Kreuzer gestimmt haben, dann demonstrierte mindestens die Hälfte aller SP-Kuratoren stilles Unbehagen an der Rundfunkpolitik von Bacher-Kumpel Zilk.

Noch deutlicher wird das, betrachtet man das Abstimmungsergebnis über die Kompetenzenaufteilung zwischen den neuen Fernsehintendanten: mit nur 19 gegen 16 Stimmen wurde der Bacher-Vorschlag angenommen.

Zwei Gegenstimmen mehr, und die ganze „Funktionslösung" wäre „baden gegangen".

Informationsintendant Kreuzer fallen nun mit 1. August die Ressorts Aktueller Dienst, Servicesendungen, Sport, Dokumentation, Wissenschaft und Bildung zu.

Programmintendant Marboe darf die Abteilungen Unterhaltung, Kultur, Fernsehspiel, Theater, Musik, Film, TV-Serien, Kinder, Jugend, Familie und die Religion zu seinem Verantwortungsbereich zählen.

Das Produktionsbudget von rund einer Milliarde Schilling im Jahr wird im Verhältnis ein Drittel Information und zwei Drittel Unterhaltung aufgeteilt. Das Programmpersonal ist im genau umgekehrten Schlüssel den beiden Intendanzen zugeteilt.

Kreuzer und Marboe müssen jetzt unter Beweis stellen, daß sie tatsächlich jene Männer sind, die ein besseres Fernsehprogramm auf die Beine stellen können. Sie müssen noch mehr: wenn die Beurteilung des Programmangebots auch vom persönlichen Geschmack und den jeweiligen Vorlieben abhängt, so muß doch die Frage nach größtmöglicher Ausgewogenheit immer wieder gestellt werden. Schema- oder Organisationsänderungen allein können Inhalte und neue Programmideen nicht ersetzen.

Von Effizienzsteigerung, von Durchschlagskraft, vom Abbau von Reibungsverlusten war in der Begründung Bachers für die TV-Organisationsreform nach dem Geschmack vieler zu viel die Rede. Der Technik- und Perfektionsfetischismus der ORF-Führung macht manchmal Angst.

Daß in dieser Umgebung für skrupulöse Menschen kein Platz ist, beweist der erzwungene Abgang des bisherigen Fernsehintendanten Wolf In der Maur. Als sein Abschied aus der ORF-Chefetage schon feststand, formulierte er seine Zweifel an der eigenen Arbeit: „Ich habe immer Angst, ich könnte allein wissen — oder jemand könnte glauben, ich wisse — was dem ORF, allen österreichischen Publikumsteilen und auch Österreich wirklich nützt."

Gelegentliche Selbstzweifel in diese Richtung muß man — im Interesse des Publikums — auch den neuen Fernsehmachern wünschen.

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