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Zwei Parteiführer ohne Gefolgschaft

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Partei verändern - Regierung kontrollieren: unter dieses Motto stellt die Junge ÖVP ihren Bundestag am Wochenende. Ein „Jungschwarzer“ attak- kiert das Führungs-Duo.

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Partei verändern - Regierung kontrollieren: unter dieses Motto stellt die Junge ÖVP ihren Bundestag am Wochenende. Ein „Jungschwarzer“ attak- kiert das Führungs-Duo.

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Die Situation der österreichischen Volkspartei auf Bundesebene wird gegenwärtig von Tag zu Tag prekärer. Ausgerechnet Tirols Altlandeshauptmann und Noch-Landesparteiobmann Eduard Wallnöfer muß gerade zu seinem Abschied mitverfolgen, daß gleich mehrere Bundesländerorganisationen dem „führungslosen“ Schiff ÖVP ihre Gefolgschaft zumindest in Sachfragen aufkündigen.

Ursache für die schwierige Situation der Bundes-ÖVP ist jedoch nicht nur eine unbestrittene

Führungsschwäche des Duos „Alois Mock/Michael Graff“ , sondern es sind auch Umstände, die von den konkurrierenden Parteien ausgehen:

• Zunächst hat zweifelsohne der Umstand, daß SPÖ und FPÖ zwei neue Führungsmänner gewählt haben, einen starken Pendelausschlag bewirkt, der nachhaltig die Wähler schichten zu Lasten der ÖVP beeinflußt hat.

Hinzu trat, daß die ÖVP nach wie vor ohne Strategie den Showeffekten des Jörg Haider gegenübersteht.

• Fürs zweite offenbart sich bei der Bundes-VP ein grundsätzliches Defizit insofern, als nicht mehr klar ersichtlich ist, wofür die Partei eigentlich steht. Für welche Ziele kämpft diese Gesinnungsgemeinschaft? Wird überhaupt noch geschlossen und Seite an Seite gekämpft für die politischen Zielvorstellungen?

Oder ist die ÖVP nur noch eine Ansammlung von zahllosen Cliquen und Gruppen, denen es nur , um wirtschaftliche Einzelinteressen geht? Diesbezüglich ist offenbar der Versuch gescheitert, alles und jeden unter einen Hut bringen zu wollen.

• Drittens trifft die fehlende inhaltliche Linie mit einer enormen

Führungsschwäche zusammen. Ist es da noch verwunderlich, wenn das Parteischiff nicht mehr auf Kurs gehalten werden kann?

Es wäre für die ÖVP aus heutiger Sicht zweifelsohne das Beste gewesen, hätte man in der \^oche nach den Nationalratswahlen einen neuen Bundesobmann samt Generalsekretär bestellt. Jedenfalls kann die österreichische Volkspartei unter keinen Umständen mit dem Führungsduo Mock/Graff in eine bundesweite Wahlauseinandersetzung gehen.

Unverständlich sind daher die Schelte jener Parteisekretäre, wie etwa die des Landesparteisekretärs Gustav Vetter aus Niederösterreich, die jene mit Attributen wie „kameradschaftslos, profilierungssüchtig“ bezeichnen, die den wahren Zustand klar zum Ausdruck bringen, sich nicht über diesen hinwegschwindeln und somit der Partei auf lange Sicht einen guten Dienst erweisen.

Es liegt klar auf der Hand: die neuesten Umfragen signalisieren eindeutig, daß bei Aufrechterhaltung der jetzigen personellen Situation in der ÖVP der Weg in die Mittelmäßigkeit führt. Diese Tatsache wird sich in den nächsten Wochen und Monaten noch verstärken, wenn die Partei immer mehr und mehr unter den Einfluß der „Gewaltigen“ der niederösterreichischen Volkspartei gerät.

Am Umstand, daß die Bundes- ÖVP so sehr dem Einfluß der VP- Niederösterreich unterliegt, sind jedoch auch die anderen Bundes- länder-Organisationen der Volkspartei nicht schuldlos. Ihr Auftreten in Wien war und ist selten getragen vom Willen, das in Sitzungen und Abstimmungen in ihren Landesorganisationen Beschlossene auch mitzutragen. Nur zu oft geht es den Abgesandten aus den Bundesländern in Wien darum, die Tagesordnung einer Parteisitzung zu bewältigen und den Eindruck zu erwecken, man stehe mit ganzer Kraft hinter den Beschlüssen.

Solange also die Beteuerungen der Bundesländer über weite Bereiche nur alibihafte Züge aufweisen, kann die Bundes-ÖVP gar nicht erstarken.

Es wird also neben der personellen Erneuerung auch einer notwendigen organisatorischen Erneuerung der Achse Bund — Länder bedürfen, um aus der schwierigen Situation herauszukommen. Dabei ist aber auch entscheidend, daß der Einfluß der Niederösterreicher drastisch gestutzt wird.

Diesbezüglich ist nach der nunmehr geregelten Nachfolge in Tirol davon auszugehen, daß sich der Westen ab sofort verstärkt in diese Diskussion einmischen wird.

Der Autor ist Landesobmann der Jungen Volkspartei Tirol.

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