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Zweierlei Maß beim Existenzminimum

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56.800 Schilling billigt der Gesetzgeber einem steuerpflichtigen Kinderlosen als steuerfreies Existenzminimum jährlich zu. Das Existenzminimum eines Kindes wird aber nur mit 8.182 Schilling anerkannt. Das verletzt - nach Überzeugung des Karl-Kummer-Instituts für Sozialpolitik und Sozialreform - die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.

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56.800 Schilling billigt der Gesetzgeber einem steuerpflichtigen Kinderlosen als steuerfreies Existenzminimum jährlich zu. Das Existenzminimum eines Kindes wird aber nur mit 8.182 Schilling anerkannt. Das verletzt - nach Überzeugung des Karl-Kummer-Instituts für Sozialpolitik und Sozialreform - die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.

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Nach dem Einkommensteuergesetz 1988 wird jedem Steuerpflichten jährlich ein „allgemeiner Steuerabsetzbetrag" von 5.000 Schilling gewährt, womit der Gesetzgeber - in Verbindung mit der sogenannten Einschleifregelung - einen Betrag von 56.800 Schilling jährlich als Existenzminimum von der Steuerpflicht ausnimmt.

Zwar gibt es auch einen Kinderzuschlag von 1.800 Schilling jährlich, welcher die durch Kinder entstehenden Unterhaltskosten berücksichtigen soll, dieser Betrag entspricht aber -haben Experten vom Karl-Kummer-Institut für Sozialpolitik und Sozialreform nachgerechnet - bei einem Steuersatz von 22 Prozent nur einem Einkommensteilbetrag von 8.182 Schilling jährlich.

Das Resümee des Instituts: „Während der Gesetzgeber dem steuerpflichtigen Kinderlosen ein steuerfreies Existenzminimum von 56.800 Schilling und dem kinderlosen Alleinverdiener und Alleinerhalter für seinen Ehegatten zusätzlich ein Existenzminimum von 18.182 Schilling zugesteht, wird das Existenzminimum eines Kindes nur mit 8.182 Schilling anerkannt."

Gleichzeitig verpflichtet aber das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (Paragraph 140) die Eltern nicht nur zur Leistung eines Existenzminimums, sondern zu einem „angemessenen" Unterhalt.

Die Familienbeihilfe -1.300 Schilling monatlich für Kinder unter zehn Jahren, 1.550 Schilling für ältere Kinder - schafft dafür keinen Ausgleich. Auch wenn man diese Leistungen berücksichtigt, müßte der steuerliche Absetzbetrag bereits für die ersten zwei Kinder statt je 1.800 Schilling 4.066 Schilling pro Kind ausmachen, um ein entsprechendes Pro-Kopf-Existenzminimum zu sichern.

Wer verlangt Überprüfung?

Hier sieht das Kummer-Institut die verfassungsrechtlich garantierte Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt und ist daher an Landeshauptleute mit dem Ersuchen herangetreten, beim Verfassungsgerichtshof eine Überprüfung jener Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes zu beantragen, die die Familien betreffen.

Die Länder sind nämlich - neben den Familien - unmittelbar von dieser Ungleichbehandlung betroffen: Durch die Besteuerung der Existenzminima, argumentiert das Institut, fallen alle jene Familien in die Sozialhilfepflicht der Länder, die an sich in der Lage wären, aus eigenem Einkommen für das Existenzminimum aller Familienangehörigen selbst aufzukommen. Die (Mehr-)Einnahmen, die sich der Bund durch die gegenwärtige Gesetzeslage sichere, gingen daher auch voll zu Lasten der Budgets der Bundesländer.

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